Unser Erzgebirge in schwerer Not (2).

Ein Städtebild aus dem dreißigjährigen Kriege.

Von A. Holzhaus – Marienberg.

(Fortsetzung.)

Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 11. Jg. Nr. 9 v. September 1891, S. 85 – 89.

In großen Schrecken sollte Marienberg versetzt werden, als Wallenstein seine dem Laster ergebenen und aus allerlei Volk zusammengelesenen Truppen nach Sachsen führte. Der General Holke, sowie der Kroatenoberst Corbitz führten ihre Banden über Altenberg, Schneeberg und Annaberg durch unser Gebirge, wodurch dieses auf’s höchste geängstigt ward. Am 10. August 1632 rückte der Vortrab des Holk’schen Heeres unter Oberst Isaak von Brandenstein vor Annaberg, wo nicht nur 2000 ßo Brandschatzung gezahlt werden mußten, sondern auch, trotz des gegebenen Ehrenwortes, die Stadt vor aller Unbill zu schonen, in schrecklichster Weise geplündert und alles Vieh weggetrieben wurde.

Nach dieser Heldenthat ging es weiter, und mitten in der Nacht kam die Bande vor Marienberg an. Ein kaiserlicher Trompeter sprengte vor das verschlossene Annaberger Thor und begehrte im Namen des Kaisers Öffnung und Übergabe der Stadt. Der Bürgermeister Franke bat um 1 Tag Bedenkzeit, der Trompeter ritt zurück und nach einer in großer Angst durchwachten Nacht öffnete man das Thor und – nirgends war ein feindlicher Soldat mehr zu erblicken. Die Gefahr war für diesmal abgewendet, aber die Angst stieg wieder auf’s höchste, als man vernahm, daß der grausame General Holke selbst bereits in Schneeberg angekommen sei und sein Herr dort nicht nur alles geplündert und zerstört, sondern auch Fliehende und Flehende unbarmherzig niedergeschossen, viele Bürger getötet oder bis auf den Tod gequält, ja den Stadtrichter vor der Thür seines Hauses und einen 90jährigen Greis, den früheren Bürgermeister von Schlackenwerth, niedergemetzelt hatte.

Als die Schrecklichen der Stadt Annaberg naheten, wagte es eine mutige Frau, eine Gräfin von Hassenstein, die den Holke persönlich kannte, nebst 4 Ratsherrn, für die Stadt zu bitten und erreichte es auch glücklich, daß der General sich mit 500 ßo begnügte, mit seinem Regimente, dem das geringste Vergehen bei Todesstrafe verboten war, nur 3 Tage hier rastete, dafür aber seinem Raubgesindel die Umgegend auf mehrere Meilen weit zur Plünderung preis gab.

Am 21. August rückte Oberst Preuß vor Marienberg, nachdem ihm Holke in Rücksicht darauf, daß die Stadt noch vom großen Brande her zum Teil in Schutt lag, einige Schonung anempfohlen hatte. Am genannten Tage früh 10 Uhr reitet ein Trompeter vor das verschlossene Thor und verlangt, daß man öffne. Niemand hört ihn, und erbittert reitet er zum Corps zurück. Als auch auf eine erneute Aufforderung keine Antwort erfolgte, ward Sturm geblasen, das Thor gesprengt, und vorsichtig rückte man auf den großen, weiten Markt vor. 2 volle Stunden läßt der Oberst, der einen Hinterhalt vermutet, seine ungeduldigen Soldaten hier stehen. Ringsum aber die Stille des Kirchhofs – kein Mensch zeigt sich! Da wird das Rathaus gewaltsam geöffnet, aber auch hier ist kein Mensch zu finden. Selbst der Rat hatte den Mut verloren und mit zuerst die Flucht ergriffen; alle Einwohner waren samt den Geistlichen in den Wald geflohen und nur einige Arme und Kranke zurückgeblieben. Der Ratsdiener aber und einige Bürger wurden noch in der Nähe der Stadt ergriffen und von den Kroaten niedergeschossen.

Als die Bande sah, daß die Stadt aus Furcht vor der Gefahr preisgegeben worden war, begann sofort die Plünderung, welche 10 volle Tage hindurch fortgesetzt wurde. Mit einem unglaublichen Spürsinn wußten die Soldaten in Kellern und Bergschächten, wohin man das Beste der Habe vergraben und verborgen hatte, diese aufzufinden. Auf dem Rathause fand man so viel Gold- und Silberzeug, daß damit allein die Stadt hätte von Plünderung befreit werden können, wenn der 2. Bürgermeister, Adam Genser, nicht ganz und gar den Kopf verloren gehabt hätte. Als derselbe sich nach einigen Tagen wieder aus dem Reitzenhainer Wald hervor und in die Stadt wagte, nahmen ihn die Kroaten gefangen und ließen ihn nicht eher los, bis die Kämmerei 100 ßo für ihn bezahlt hatte.

Hunger und Elend nahmen unter den unglücklichen Bewohnern überhand, welche 9 Tage in Höhlen und Klüften der Wälder gelebt hatten, weshalb sich eine Anzahl mutiger Bürger entschloß, beim Oberst Preuß um sichere Rückkehr in die Stadt zu bitten. Die Erlaubnis ward gegeben und sogar ein Commando zur Deckung des traurigen Einzugs beordert, und so kehrten am 30. August sämtliche Bewohner zurück, fanden aber bald genug zu ihrem größten Schrecken, daß ihre so sicher geglaubte Habe geraubt war. Der Chronist schreibt hierüber: „38 Fähnlein Fußvolk sind auf dem Markt, als der Marsch wieder fortgegangen, gestanden, die Reiterei ist aber bei der Stadt vorüber nach Freiberg zu marschiert; es ist weder Brot, noch einiger Trunk in der Stadt zu bekommen gewesen und hat nach diesem Unglück ein Brot – sonst einen Groschen – 5 Groschen und 1 Kanne Bier 3 Groschen gegolten.” Auch wird noch weiter hinzugefügt: „Es sind auch 325 Personen an der Soldatenkrankheit gestorben, welche die kaiserlichen Völker vor Ausplünderung der armen Stadt zum Trinkgeld hinterlassen; unter den Verstorbenen waren auch die Stadtschreiber Joachim Frank und Josephus Collmann, sowie der Stadtrichter Heinrich von der Feldt.” Übrigens lagen noch bis zum 25. September Soldaten in der Stadt, wo sie bis auf 15 Mann, welche als Schutzgarde zurückgeblieben, abzogen. Ehe aber der Aufbruch geschah, sollte zuvor Einer, der einen Mönch erschlagen, stranguliert werden, „hatte sich aber, als ein seltsamer Abenteurer vom Galgen wieder losgemacht.”

Ein wilder Geist der Verzweiflung hatte damals schon die aus ihren Wohnungen geflüchteten Landleute ergriffen, welche über einzelne Streifhorden herfielen und manchem kaiserlichen Soldaten in den Grenzpässen den Tod gaben. So erging es beispielsweise den kaiserlichen Truppen, welche bei Leipzig nach der Schlacht bei Lützen entwaffnet worden waren und unter schwedischer Bedeckung, die auch 45 schöne, dem Wallenstein gehörige Pferde mitführte, durch Marienberg bis an die böhmische Grenze geleitet wurden. Kaum war die Bedeckung fort, so fielen die in die Grenzwälder geflohenen Bauern über die Entwaffneten her und haben, – wie der Annaberger Chronist Arnold erzählt – „Kinder, Weiber und Soldaten nebend etlichen Schwedischen wohl abgedroschen.”

Das Kriegsjahr 1633 sollte für unser Gebirge ziemlich still und ruhig verlaufen, wenn diese Ruhe auch zum Teil eine Ruhe des Todes war. Die Pest wütete nämlich in fürchterlicher Weise und raffte vom Juni bis November in Marienberg allein über 1700 Menschen hinweg, sodaß von da an viele Häuser unbewohnt und wüste stehen blieben und noch im Jahre 1706 nicht weniger als 250 leer und öde stehende Wohnhäuser in der Stadt gezählt wurden.

Auch von Contributionen und Einquartierung blieb die Stadt nicht verschont, indem im Dezember 1633 zwei sächsische Kompagnien unter den Rittmeistern Bünau und Bayer hier einrückten, von denen die eine 26 Wochen, die andere aber 32 Wochen daselbst verblieb, wodurch, wie der Chronist sagt, „die Bürgerschaft vollends enerviret worden, sintemal 5177 Gld. 13 ßo 4 Pf. uffgegangen sind.”

Da also in dem genannten Jahr verhältnismäßig Ruhe herrschte und sich nur hier und da plündernde Nachzügler im Gebirge zeigten, so schlichen jetzt überall die Bürger und Bauern aus den Bergschluchten hervor, um sich an dem elenden Kleienbrote, welches bei der gänzlich verwüsteten Ernte die einzige Nahrung blieb und das man nicht einmal mit Salz bestreuen konnte, zu sättigen. Ja, als die Frühlingssonne so freundlich schien, griff der Landmann wieder zu seinem Pfluge, um den Samen in Hoffnung auf eine fröhliche Ernte auszustreuen. Und als die Zeit der Ernte kam und man hinaus eilte, um unter Dankesthränen einzusammeln – – da ertönte die Kriegstrompete auf’s neue, und die geängsteten Männer und Frauen mit ihren schreienden Kindern eilten wieder in die Tiefen der Wälder, um den mord- und raublustigen Kroatenschwärmen zu entkommen, welche mit Windeseile über die verlassenen Fluren daher brausten, mit ihren Rossen das Getreide zerstampften und sich in die verödeten Ortschaften stürzten, wo alle, die als krank und alt nicht hatten fliehen können, unbarmherzig niedergemetzelt wurden. Um sich vor den Mißhandlungen und Räubereien zu schützen, erbaten sich damals Zöblitz und Marienberg von dem bei Reitzenhain commandierenden Offiziere eine Schutzwache, und hatte letztgenannte Stadt für diesen Schutz wöchentlich 20 ßo an das Grenzcommando zu bezahlen, welche Summe aber durch inständiges Bitten des mehrmals abgeordneten Ratsherrn Eckstein auf 6 ßo ermäßigt ward, weil das Elend in der Stadt auf’s höchste gestiegen war. –

Alle Schrecken des Krieges kehrten im Jahre 1634 wieder. Namentlich wütete zu jener Zeit der kaiserliche Oberstleutnant Schutz von Schutzky in unserm Gebirge, setzte unter anderm Sayda in Flammen, brandschatzte Annaberg mit 1200 ßo und rückte auch vor die Stadt Marienberg. Hierüber berichtet die Stadtchronik: „Den 29. Sept. rückte ein kaiserlicher Oberstleutnant Hans Heinrich von und zu Schutz zu Roß um 2 Uhr nachmittags vor die Stadt; solchem ging der Rat entgegen und bat für die arme Stadt, da sich’s denn etwas besser angelassen als im 1. Einfall, er kam mit etlichen Pferden in die Stadt und nahm sein Quartier bei Georg Löwen. Da er nun eingelassen worden war, begehrte er von der Stadt für die Plünderung und Ranzion 6000 ßo; es blieb auf der Geistlichen und des Rats Bitten bei 1000 ßo. Ingleichen wurden dem Oberst 65 ßo Tafelgeld und dem Regimentsquartiermeister 35 rth. verehrt, die Ranzion wurde bald, nämlich 500 rth., den folgenden Morgen ausgezählet, die andere 500 rth. sollten innerhalb 14 Tagen abgestattet werden. Obgleich aber der Rat wegen dieser 500 rth. eine Obligation von sich stellte, haben sie doch um mehrere Versicherung den ältesten Ratsherrn Michael Seeliger mitgenommen. Bei diesem ankommenden Volke entstand auch am Michaelistage abends 7 Uhr eine von den Soldaten angelegte Feuersbrunst vor dem Annaberger Thore und verderbte in solcher 1 Haus und 1 Scheune, und ward ein groß‘ Geschrei in der Stadt, weil es sehr nahe an der Stadtmauer war.” (Die letzte Abzahlung der obengenannten Brandschatzungssumme leistete die Stadt am 31. Oct. durch den Bürgermeister Augustin Eckstein, und mußte dieselbe, da alle Geldmittel erschöpft waren, zum größten Teile in Naturallieferungen, worunter auch Heringe und Stockfische aufgeführt werden, geschehen).

In die bedenklichste Lage sollte die Stadt geraten, als im October 1634 der österreichische Major Beck den bisher verhauen gewesenen Paß bei Reitzenhain in einer Nacht öffnen ließ, sodaß nun diese Heerstraße von hin- und herziehenden Parteien wimmelte und es auch zuweilen zu Gefechten zwischen sächsischen und kaiserlichen Truppen kam. So entstand etwa eine halbe Stunde von der Stadt entfernt, auf den Lautaer und Hilmersdorfer Höhen, ein Treffen, später auch an dem ganz nahen Kaiserteiche, wobei Marienberg in die größte Gefahr geriet. Täglich mit Brand und Plünderung bedroht und von Kroaten und Spaniern umringt, sollte es immer und immer wieder für die in der Nähe lagernden Truppen Lebensmittel schaffen, und war der Mangel so groß, daß der Rat das Brot von Haus zu Haus in einzelnen Stücken zusammentragen ließ und es manche Eltern im Augenblicke, wo sie es essen wollten, den hungernden Ihrigen entreißen mußten. Aus jenen trüben Tagen erzählt der Chronist: „Und es haben sich die Kroaten und spanischen Regimenter vor die Stadt am Walde geleget, da denn die Officiere auf den Tag hereinkamen und mußten gespeiset werden, dem Volke aber alle Tage 2 Faß Bier, Fleisch und Brot und wöchentlich jedem Regiment 20 rth. Contribution, welches 12 Tage gewährt, wobei das Götz’sche Regiment noch darzu kommen, welches gleichsam seine Verpflegung hat haben müssen. Der Kroatenoberst Joh. Tischler hat die Einquartierung in der Stadt haben sollen, weil aber keine Möglichkeit, vornehmlich auch wegen des sächsischen Volkes, welches in Zschopau gelegen, da dann groß Unglück der Stadt hätte entstehen sollen. So hat der Oberst Tischler 200 rth. und 6 Paar Stiefel vor die Einquartierung begehrt, ist aber bei dem halben Teile erblieben, und ist damals große Not wegen des lieben Brotes gewesen, denn man weder aus noch ein können und vielmals die Ratspersonen und Bürger das Brot von Haus zu Haus stückweis von Bürgern einbringen und korbweise nausschicken müssen, welches mancher mit seinen Kindern selbst bedürft und daher Hunger leiden müssen; dieses aber alles mußte man dulden, daß die Stadt nicht in Brand gestecket wurde.”

Am 21. November 1634 war es, als die Bewohner Marienbergs zu ihrem größten Schrecken mitten in der Nacht den Himmel hoch gerötet sahen. Zschopau stand in Flammen, dessen sächsische Besatzung von 4 Regimentern kaiserlichen Truppen unter dem Obersten Colloredo überfallen worden war. Sie richteten in der Stadt, welche mit Menschen überfüllt war, da sich außer den Soldaten und Bürgern auch die Landleute darin aufhielten, ein schreckliches Blutbad an. Hering schildert die Katastrophe in folgender Weise: „Die Schlafenden schreckten plötzlich durch den Ruf der Kriegstrompete empor. Zschopau ist umringt, Frauen, Kinder, Greise flüchten in die Keller, die Männer stürzen sich mit hinaus und alle Schrecken der Schlacht erhöhen sich durch die dichte, nur durch die tötenden Blitze der gelösten Gewehre erleuchtete Finsterniß. Es rast die Schlacht – es wütet der Tod n allen Gassen – es häufen sich Leichen von gefallenen Soldaten, Bürgern und Bauern, und jetzt schlagen die Flammen empor – rechts und links und fern und nah steht die Stadt in Feuer. Dem Tode in den Flammen entfliehend, stürzen die Versteckten hervor und suchen sich zu retten. Aber ach, wie viele hatten dem Schutze der Keller sich lieber vertrauen wollen, als der würgenden Schlacht und waren hier erstickt. Außer den im Kampf Gefallenen zählte man am Morgen nach dieser schaudervollen Nacht 90 Leichen von Erstickten.

In Angst und Mitleid schloß sich in jener Nacht auch in Marienberg kein Auge zum Schlummer – da brauste nach Mitternacht das rückkehrende Heer heran, alles wollte, nach Brot schreiend, in die Stadt stürzen. Oberst Colloredo aber ließ die Thore besetzen und nur die Offiziere hinein, sodaß die schreckensreiche Nacht für die Stadt ebenso glücklich endete, als sie über die Nachbarstadt unbeschreibliches Elend und Unheil gebracht hatte.”

Ein andermal hören wir, wie der Rat mit den Bürgern im Rathause ernste Beratung darüber pflog, wie man für die im nahen Buchwalde campierenden Regimenter Brot, Bier, Fleisch, Salz und Würze und was für Dinge noch mehr verlangt worden waren, beschaffen könne. Da kam es denn auch eines Abends vor, daß die Kaiserlichen in die Stadt einfielen und den Bürgermeister Dreher heftig plagten, daß er ihnen Essen und Trinken schaffen möchte, und „obgleich auch nach Möglichkeit angeschafft wurde, ist doch – wie Donat berichtet – keine Genüge gewesen, sondern haben im Rückmarsch nach dem Walde den Bürgermeister in großer Kälte und bei eitler Nacht mit über den Wald nach Reitzenhain geführt.” Und weiter wird noch erzählt: „Später schickte der Kroatenoberst Tischler 3 Kroaten in die Stadt, die begehrten den Bürgermeister Dreher, an den Böhmischen Wald zu kommen. Weil aber Dreher noch unpaß, hat er mich und Georg Weisen hinausgesandt; da wir aber zu dem Oberst gekommen, hat er wissen wollen, wo sein Oberstleutnant blieben sei. Weil ich aber mit gutem Glimpf und Bescheid antwortete, hat er mich mitgenommen und Georg Weisen warten heißen. Da ich nun voran fortlaufen müssen nach Reitzenhain zu, habe ich etliche Mal angehalten, mich wieder passieren zu lassen, welches ich endlich erhielte, da ich fast 1 Meile Weges mitgelaufen. Es kamen mir aber im Rückweg 2 Kroaten nach, welche mich ganz ausplünderten, da ich denn dermaßen erfroren, daß ich sonach am Christtage in der Kirchen von einem Fieber überfallen worden.”

Selbst von einem argen Schwindler wurde die Stadt am 9. October auf eigentümliche Weise heimgesucht. Es heißt darüber: „Den 9. Oct. kam ein Raub Vogel, gab sich vor einen Oberstwachtmeister aus vom Ottobaldischen Regiment zu Roß und begehrte von der Stadt 1000 rth. Ranzion. Als man aber dessen weigerte, ließ er große Balken und Stroh an das Zschopauer Thor tragen und drohete, solches mit Feuer aufzusprengen. Wollte man ihn los sein, welches doch eines Priesters Sohn aus der Nachbarschaft war, mußte man dem Schindhund 120 rth. geben. Solches Unglück hatte ein alter Soldat und Branntweinschlemmer, Namens Paul Naumann, verursacht, hat aber des Segens nicht erwartet, sondern als ein anderer Schelm davon gegangen.” –

Auch der Anfang des Jahres 1635 war für die Stadt noch trübe genug, und zwar kam diesmal die Bedrängnis nicht von feindlicher Seite, sondern von sächsischen Truppen her. Am 2. Januar ritt der sächsische Oberstleutnant Unger mit 300 Dragonern vor die Stadt, wo die Thore Tag und Nacht verschlossen gehalten wurden. Er begehrte Einlaß. Man fürchtete sich aber vor den Sachsen fast eben so, wie vor den Kaiserlichen und der Rat zögerte, ob er öffnen lassen sollte oder nicht. Da verbreitete sich plötzlich allgemeiner Schrecken, denn krachend ertönten die Schläge der Hämmer und Äxte, womit das Freiberger Thor aufgehauen wurde. Gleich einem feindlichen Corps strömten die Krieger herein. Von den 2 Mann, welche der Rat von der Kaiserlichen Besatzung in Reitzenhain als Schutzwache erhalten hatte, war nichts zu sehen. Man suchte nach ihnen und der Eine hatte sich in einen Gasthof geflüchtet, während der Andere glücklich nach Reitzenhain entkommen war. Derjenige, welcher sich versteckt hatte, wurde von einem Dragoner bemerkt, herunter geholt und auf den Markt vor den Oberstleutnant gebracht, die Ratsherrn baten für ihn, aber vergebens. „Hund, knie nieder!” war die Antwort auf die inständigen Bitten, und der Arme wurde sofort erschossen. Die Soldaten quartierten sich selbst ein und ist es nach den Worten des Chronisten „zuletzt übel hergegangen, indem sie geplündert; alle Pferde, so auch sind bei den feindlichen Einfällen erhalten worden, haben sie mitgenommen, so haben die Bürger damals ihren Schaden über 1700 rth., angegeben, welches nichts Geringes gewesen und die Stadt für die erschossene Schutzwache auf große Bitte noch 28 rth. bezahlen müssen, ohne, was sonsten an Verheerung und Anderem aufgegangen ist.” –

Bewundern muß man die Opferwilligkeit und den kirchlichen Sinn der damaligen Bewohner Marienbergs, wenn sie es trotz der unglückseligen Lage dennoch unternahmen, ihre Kirche mit einer schönen Orgel auszustatten. Donat sagt hierzu und zwar zum Jahre 1636: „Ist das schöne Orgelwerk angefangen worden zu bauen und von Herrn Dobias Wellern, Orgelmacher zu Dresden, verfertigt, und ist von Fremden und Einheimischen, von jedem nach seinem Vermögen, dazu gegeben worden, und ist der Meister in die 18 Wochen von Bürgern, von manchem 2, von manchem 3 Tage gespeiset worden.” Wie groß die damalige Geldnot war, ersieht man aus einer Bemerkung zum 4. Februar 1638, worin es heißt: „Die ganze Bürgerschaft ist erfordert worden und ihnen vorgehalten, daß man den Geistlichen viel Besoldung schuldig und man sie nicht bezahlen könne, weil aus dem Kurfürstlichen Zehenden nichts zu erlangen. So wollten die Geistlichen nicht mehr ihr Amt versorgen, sondern ihren Abschied geben, was die Ursache wäre. Daher die Bürger fleißig erinnert worden, weil es nicht anders sein könnte, daß doch jedweder, Kirchen und Schulen zu erhalten, etwas aus seinem Vermögen geben möchte. Sie haben sich aber nicht dazu verstehen wollen.”

(Schluß folgt.)