Ein Städtebild aus dem dreißigjährigen Kriege.
Von A. Holzhaus – Marienberg.
Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 11. Jg. Nr. 8 v. August 1891, S. 67 – 70.
Es soll und kann nicht die Aufgabe dieser Zeilen sein, jenen die Lebenskraft ganzer Jahrhunderte schwächenden, die deutsche, kaum erwachte Kultur und Gesittung zerstörenden, nur anfangs scheinbar im Interesse des Glaubens geführten Krieg mit all‘ seinen Schrecken näher zu zeichnen und zu schildern, wie er mit dem Herzblute von Hunderttausenden die deutsche Erde getränkt, 30 qualvolle Jahre hindurch die hoffnungsvollen Saaten der deutschen Erde zertreten, die blühenden Kräfte deutscher Staaten völlig erschöpft und ihrer Mannheit beraubt, allen Handel und Gewerbfleiß zerrüttet, den Wohlstand vernichtet, Fürstenthrone in ihren Grundpfeilern zum Wanken gebracht und Länder und Städte mit so ungeheueren Schuldenlasten überbürdet hat, daß sie noch bis in unsere Zeit an den schweren Folgen zu tragen gehabt haben.
Nur einzelne schwere Heimsuchungen, wie sie in jenen Schreckenszeiten unser sächsisches Erzgebirge und insbesondere der Stadt Marienberg trafen, sollen nach den Nachrichten einiger Chronisten hier erzählt werden, und dürfte dies insofern als keine undankbare Aufgabe erscheinen, als hierüber verhältnismäßig nur wenig in die Öffentlichkeit gelangt ist, die betreffenden Mitteilungen vielmehr meist in den städtischen Archiven begraben und verborgen geblieben sind. –
Vor den eigentlichen Schrecken des dreißigjährigen Krieges sollte unser Sachsen, mithin auch unser Gebirge, im ersten Jahrzehnt desselben verschont bleiben, nicht aber vor der großen Geldnot, welche durch eine Art Falschmünzer, die sogenannten Kipper und Wipper, – Erstere kippten oder beschnitten den Rand der guten Münzen, Letztere wippten oder wogen die Münzen und schmolzen die guten ein – zu Anfange des Krieges auch über unser Land und Gebirge hereinbrach.
Nachdem nämlich wegen sehr großen Geldmangels Münzen in leichterem Gewicht geprägt worden waren, wurde das Übel noch viel schlimmer, als der Kaiser die Münzprägung einer Gesellschaft übertrug, welche die Münzen in unglaublicher Weise verschlechterte. Obwohl man nun diese maßlos verschlechterten Münzen später, nachdem der Unfug 2 bis 3 Jahre gewährt, wieder einzog, so konnte man doch auf mehrere Jahrzehnte hinaus nicht wieder zu geordneten Geldverhältnissen zurückkehren, sodaß namentlich Bauern und Städte allmählich verbluten und zu Grunde gerichtet werden mußten.
Vorzugsweise waren die Juden beflissen, das gute Geld gegen minderwertige Münzsorten auszuwechseln, und war es endlich dahin gekommen, daß ein Reichsthaler guten Gepräges 14 Gulden kostete, wogegen nun aber auch der scheffel Korn mit 31 Gulden schlechten Geldes bezahlt werden mußte.
Ein Chronist berichtet über diese Vorgänge aus den Jahren 1621 bis 1622, indem er sagt: „Es wurden fast alle Ofentöpfe und Kessel zu wenig und sind die Kippergesellen zur Zeit sehr fleißig und unverdrossen, in fremdem Lande nach altem Geld und Silber zu reisen, daß es auch letzlich so weit gekommen, daß ein Reichsthaler 14 Gulten gegolten, und die Kippergesellen waren sehr reich, hielten sich auch prächtig und stattlich, aber sie sind doch nicht alle reich gestorben.”
Als im Jahre 1623 durch eine kurfürstliche Verordnung diesem Unwesen, wenigstens für Sachsen, gesteuert worden, äußert sich der Chronist hocherfreut: „Bei dieser gottwohlgefälligen Anordnung und Änderung der Münzen wurde den Blutegeln, den Kippern nämlich, das Cantate geleget, und es wäre kein Wunder gewesen, wenn ihrer theils verzweifelt wären, da ihre gottlose Nahrung so schnell ein Loch bekam; ja sie und die Ihrigen, die sich wohl vermessen und gesaget, sie könnten nicht arm werden, sind mit ihrem Kupfergelde zu Grund und Boden gegangen. Das hat Gott gethan, der da stürzet die Hoffärtigen.” –
Am 7. September 1631 war es, als in der für Schweden und Sachsen siegreichen Schlacht bei Breitenfeld unweit Leipzig das erste Blut auf vaterländischem Boden im dreißigjährigen Kriege floß, sodaß derselbe für Sachsen eigentlich nur ein siebzehnjähriger, aber dafür auch ein so unheilvoller ward, daß Ströme von Blut und Thränen flossen und das Übermaß von Elend und Jammer, das er gerade über unser blühendes Vaterland brachte, nicht mit Worten geschildert werden kann.
Schon im Jahre 1613, als die in Böhmen ausgebrochenen Religionsstreitigkeiten und Unruhen immer bedenklicher wurden, errichtete der Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen für sein ganzes Land, um dasselbe möglichst wehr- und kriegsfähig zu machen, ein sogenanntes Defensionswerk, d. h. eine Art von Land- und Bürgerwehr, wozu durch besondere Ausmusterungen die kriegstüchtigen Männer aus den Städten und Dörfern ausgehoben und in besondere Haufen gebracht wurden. So bestand das Freiberger Defensionswerk aus der Mannschaft, welche nicht allein aus der Stadt und dem Amtsbezirke, sondern auch aus dem Wolkensteiner, Grünhainer und Tharander Amte genommen war und zusammen 520 Mann ausmachte. Diese Mannschaften mußten von den betreffenden Städten mit den nötigen Waffen und den vorgeschriebenen Montierungsstücken, nämlich grauen Röcken mit roten Aufschlägen, roten Tuchstrümpfen und schwarzen Hüten versehen werden. Zum Unterhalte dieser Defensionierer wurde im ganzen Lande eine Steuer ausgeschrieben, wozu jede Stadt nach Verhältnis beizutragen hatte und berichtet die Marienberger Chronik, daß von diesem Orte allein im Jahre 1631 nicht weniger als 513 Gld. 9 gr. 2 Pf. Angeld und 43 Scheffel 9½ Metze Hafer an das Amt Augustusburg abgegeben werden mußte, „wodurch”, wie sich der Chronist ausdrückt, „die Stadt um ein Merkliches zurückgelegt ward.” Im genannten Jahre, wo die Kriegsunruhen die sächsischen Grenzen bereits aufs Schlimmste bedrohten, wurden von den erwähnten Defensionern viele an die sächsisch-böhmische Grenze beordert, um hier in Gemeinschaft mit unseren gebirgischen Bewohnern alle Pässe zu verhauen oder wenigstens zu bewachen und das Eindringen von Streifparteien aus Böhmen zu verhindern.
Auch die Stadt Marienberg wurde bei dieser Sicherungsmaßregel nicht vergessen, sondern mußte eine beträchtliche Anzahl Defensioner stellen und „ausmondieren”, viele Bürger nach Reitzenhain schicken, um die Grenzpässe zu verhauen und zu bewachen und dafür nicht weniger als 230 Gulden 7 ggr. aufbringen.
Als am 7. September 1631 bei Breitenfeld die erste Schlacht auf sächsischem Boden geschlagen worden war und damit das Übermaß von Elend und Jammer, womit gerade unser bisher so blühendes engeres Vaterland heimgesucht wurde, begonnen hatte, trafen auch in Marienberg die ersten Vorboten der Kriegsdrangsale ein. Am 16. September desselben Jahres wurden nämlich 1500 Mann kaiserliche Infanterie, welche bei Leipzig kapituliert hatte und nun freien Abzug nach Böhmen erhielt, durch sächsische Reiterei und Infanterie bis Reitzenhain geführt, bei welcher Gelegenheit die Stadt die genannten Truppenteile zu verquartieren hatte und derselben ein Kostenaufwand von 425 Gld. 20 gr. erwuchs.
Sehr verhängnisvoll sollte das Jahr 1632 für Marienberg werden. Dies erfuhr die Stadt schon, als am 4. Mai die Fürsten von Anhalt und Altenburg auf dem Durchmarsche nach Böhmen hier mit 2 Regimentern einrückten und einige Wochen später der sächsische Oberst Vitzthum von Eckstädt mit einem Reiterregimente die Stadt als Musterungsplatz wählte; in beiden Fällen hatte dieselbe für Verpflegung u. s. w. 825 ßo 5 gr., sowie später noch 1435 Gld. 9 gr. 8 Pf. zu zahlen.
Es würde geradezu ermüdend wirken und zu großen Raum verlangen, wenn all‘ die Geldopfer speziell Erwähnung finden sollten, welche unser Gebirge infolge von Einquartierung, Contributionen und dergl. zu bringen hatte. Der Chronist Marienbergs zählt, jedenfalls ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu machen, etwa 40 Fälle auf, wo die Stadt größere oder kleinere Summen zahlen mußte. Eine übersichtliche Zusammenstellung der von Donat ziffermäßig gegebenen Geldleistungen ergab eine Gesamtsumme von über 18000 ßo und war die Stadt zuletzt so zahlungsunfähig geworden, daß Deputationen an die Heerführer, welche die Brandschatzung auferlegt hatten, abgeschickt werden mußten, um durch inständiges Bitten eine Milderung der Zahlungsbedingungen herbeizuführen. Zu oft wiederholten Malen wurden Ratspersonen an die kaiserlichen und schwedischen Feldherr abgeordnet, und es gelang ihnen auch nicht selten, Letztere zu Nachsicht und Milde zu stimmen. Zuweilen wurde aber auch trotz der großen Not so zähe an den Forderungen festgehalten, daß die Stadt mit Brand und Plünderung bedroht ward, sobald nicht pünktliche Zahlung erfolgte. Der Bürgermeister und Rat der Stadt mochten zu jener Zeit wahrlich keine beneidenswerte Stellung haben. Es mögen schwere Beratungen gewesen sein, welche sie mit den Bürgern im Rathause abhielten, sobald wieder neue Opfer gefordert wurden, und der Chronist bekennt wiederholt, „daß es dabei hart hergegangen sei.”
Zu den Geldern, welche den Feinden zu liefern waren, kamen oft noch ganz unerschwingliche Brandschatzungen an Brot, Bier und Getreide, und war es nicht selten, daß man von Haus zu Haus gehen mußte, um möglichst viel von dergleichen Naturalien herbeizuschaffen und den Forderungen nur einigermaßen nachkommen zu können. Dazu wurden noch verschiedene harte, im Drange der Zeit entstandene Landessteuern erhoben und war die Lage der Stadt zuweilen eine so hoch bedrängte, daß diese Steuern nur teilweise und zwar durch Exekutionen zu erlangen waren. So erzählt die Chronik zum Jahre 1644: „Den 14. August hat man nach Zwickau zur Abrechnung schicken müssen uff 67 Wochen, jede Woche 8 ßo 12 gr vor die Fourage und kostet das exequiren auch ein ehrliches, indem sie wegen einer Wochen rest exequiren lassen, ob es gleich der Freund gewesen, da solches der Feind nicht gethan, ob man ihm gleich großen Rest gewesen.” Weiter heißt es: „den 21. Sept. kamen wieder Exequirer von Zwickau wegen 7 ßo rest. Da kann ein jeder Verständiger abnehmen, wie es zugegangen.”
In den späteren Jahren war die Stadt so verarmt, daß die Contributionslieferungen nur in kleinen Raten ausgeführt werden konnten, und vom Jahre 1643 ab kommen Geldlieferungen gar nicht mehr vor, wohl einfach aus dem Grunde, daß schlechterdings von den gänzlich verarmten Bürgern kein Geld mehr zu erlangen war. —
(Fortsetzung folgt.)
(Fortsetzung.)
Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 11. Jg. Nr. 9 v. September 1891, S. 85 – 89.
In großen Schrecken sollte Marienberg versetzt werden, als Wallenstein seine dem Laster ergebenen und aus allerlei Volk zusammengelesenen Truppen nach Sachsen führte. Der General Holke, sowie der Kroatenoberst Corbitz führten ihre Banden über Altenberg, Schneeberg und Annaberg durch unser Gebirge, wodurch dieses auf’s höchste geängstigt ward. Am 10. August 1632 rückte der Vortrab des Holk’schen Heeres unter Oberst Isaak von Brandenstein vor Annaberg, wo nicht nur 2000 ßo Brandschatzung gezahlt werden mußten, sondern auch, trotz des gegebenen Ehrenwortes, die Stadt vor aller Unbill zu schonen, in schrecklichster Weise geplündert und alles Vieh weggetrieben wurde.
Nach dieser Heldenthat ging es weiter, und mitten in der Nacht kam die Bande vor Marienberg an. Ein kaiserlicher Trompeter sprengte vor das verschlossene Annaberger Thor und begehrte im Namen des Kaisers Öffnung und Übergabe der Stadt. Der Bürgermeister Franke bat um 1 Tag Bedenkzeit, der Trompeter ritt zurück und nach einer in großer Angst durchwachten Nacht öffnete man das Thor und – nirgends war ein feindlicher Soldat mehr zu erblicken. Die Gefahr war für diesmal abgewendet, aber die Angst stieg wieder auf’s höchste, als man vernahm, daß der grausame General Holke selbst bereits in Schneeberg angekommen sei und sein Herr dort nicht nur alles geplündert und zerstört, sondern auch Fliehende und Flehende unbarmherzig niedergeschossen, viele Bürger getötet oder bis auf den Tod gequält, ja den Stadtrichter vor der Thür seines Hauses und einen 90jährigen Greis, den früheren Bürgermeister von Schlackenwerth, niedergemetzelt hatte.
Als die Schrecklichen der Stadt Annaberg naheten, wagte es eine mutige Frau, eine Gräfin von Hassenstein, die den Holke persönlich kannte, nebst 4 Ratsherrn, für die Stadt zu bitten und erreichte es auch glücklich, daß der General sich mit 500 ßo begnügte, mit seinem Regimente, dem das geringste Vergehen bei Todesstrafe verboten war, nur 3 Tage hier rastete, dafür aber seinem Raubgesindel die Umgegend auf mehrere Meilen weit zur Plünderung preis gab.
Am 21. August rückte Oberst Preuß vor Marienberg, nachdem ihm Holke in Rücksicht darauf, daß die Stadt noch vom großen Brande her zum Teil in Schutt lag, einige Schonung anempfohlen hatte. Am genannten Tage früh 10 Uhr reitet ein Trompeter vor das verschlossene Thor und verlangt, daß man öffne. Niemand hört ihn, und erbittert reitet er zum Corps zurück. Als auch auf eine erneute Aufforderung keine Antwort erfolgte, ward Sturm geblasen, das Thor gesprengt, und vorsichtig rückte man auf den großen, weiten Markt vor. 2 volle Stunden läßt der Oberst, der einen Hinterhalt vermutet, seine ungeduldigen Soldaten hier stehen. Ringsum aber die Stille des Kirchhofs – kein Mensch zeigt sich! Da wird das Rathaus gewaltsam geöffnet, aber auch hier ist kein Mensch zu finden. Selbst der Rat hatte den Mut verloren und mit zuerst die Flucht ergriffen; alle Einwohner waren samt den Geistlichen in den Wald geflohen und nur einige Arme und Kranke zurückgeblieben. Der Ratsdiener aber und einige Bürger wurden noch in der Nähe der Stadt ergriffen und von den Kroaten niedergeschossen.
Als die Bande sah, daß die Stadt aus Furcht vor der Gefahr preisgegeben worden war, begann sofort die Plünderung, welche 10 volle Tage hindurch fortgesetzt wurde. Mit einem unglaublichen Spürsinn wußten die Soldaten in Kellern und Bergschächten, wohin man das Beste der Habe vergraben und verborgen hatte, diese aufzufinden. Auf dem Rathause fand man so viel Gold- und Silberzeug, daß damit allein die Stadt hätte von Plünderung befreit werden können, wenn der 2. Bürgermeister, Adam Genser, nicht ganz und gar den Kopf verloren gehabt hätte. Als derselbe sich nach einigen Tagen wieder aus dem Reitzenhainer Wald hervor und in die Stadt wagte, nahmen ihn die Kroaten gefangen und ließen ihn nicht eher los, bis die Kämmerei 100 ßo für ihn bezahlt hatte.
Hunger und Elend nahmen unter den unglücklichen Bewohnern überhand, welche 9 Tage in Höhlen und Klüften der Wälder gelebt hatten, weshalb sich eine Anzahl mutiger Bürger entschloß, beim Oberst Preuß um sichere Rückkehr in die Stadt zu bitten. Die Erlaubnis ward gegeben und sogar ein Commando zur Deckung des traurigen Einzugs beordert, und so kehrten am 30. August sämtliche Bewohner zurück, fanden aber bald genug zu ihrem größten Schrecken, daß ihre so sicher geglaubte Habe geraubt war. Der Chronist schreibt hierüber: „38 Fähnlein Fußvolk sind auf dem Markt, als der Marsch wieder fortgegangen, gestanden, die Reiterei ist aber bei der Stadt vorüber nach Freiberg zu marschiert; es ist weder Brot, noch einiger Trunk in der Stadt zu bekommen gewesen und hat nach diesem Unglück ein Brot – sonst einen Groschen – 5 Groschen und 1 Kanne Bier 3 Groschen gegolten.” Auch wird noch weiter hinzugefügt: „Es sind auch 325 Personen an der Soldatenkrankheit gestorben, welche die kaiserlichen Völker vor Ausplünderung der armen Stadt zum Trinkgeld hinterlassen; unter den Verstorbenen waren auch die Stadtschreiber Joachim Frank und Josephus Collmann, sowie der Stadtrichter Heinrich von der Feldt.” Übrigens lagen noch bis zum 25. September Soldaten in der Stadt, wo sie bis auf 15 Mann, welche als Schutzgarde zurückgeblieben, abzogen. Ehe aber der Aufbruch geschah, sollte zuvor Einer, der einen Mönch erschlagen, stranguliert werden, „hatte sich aber, als ein seltsamer Abenteurer vom Galgen wieder losgemacht.”
Ein wilder Geist der Verzweiflung hatte damals schon die aus ihren Wohnungen geflüchteten Landleute ergriffen, welche über einzelne Streifhorden herfielen und manchem kaiserlichen Soldaten in den Grenzpässen den Tod gaben. So erging es beispielsweise den kaiserlichen Truppen, welche bei Leipzig nach der Schlacht bei Lützen entwaffnet worden waren und unter schwedischer Bedeckung, die auch 45 schöne, dem Wallenstein gehörige Pferde mitführte, durch Marienberg bis an die böhmische Grenze geleitet wurden. Kaum war die Bedeckung fort, so fielen die in die Grenzwälder geflohenen Bauern über die Entwaffneten her und haben, – wie der Annaberger Chronist Arnold erzählt – „Kinder, Weiber und Soldaten nebend etlichen Schwedischen wohl abgedroschen.”
Das Kriegsjahr 1633 sollte für unser Gebirge ziemlich still und ruhig verlaufen, wenn diese Ruhe auch zum Teil eine Ruhe des Todes war. Die Pest wütete nämlich in fürchterlicher Weise und raffte vom Juni bis November in Marienberg allein über 1700 Menschen hinweg, sodaß von da an viele Häuser unbewohnt und wüste stehen blieben und noch im Jahre 1706 nicht weniger als 250 leer und öde stehende Wohnhäuser in der Stadt gezählt wurden.
Auch von Contributionen und Einquartierung blieb die Stadt nicht verschont, indem im Dezember 1633 zwei sächsische Kompagnien unter den Rittmeistern Bünau und Bayer hier einrückten, von denen die eine 26 Wochen, die andere aber 32 Wochen daselbst verblieb, wodurch, wie der Chronist sagt, „die Bürgerschaft vollends enerviret worden, sintemal 5177 Gld. 13 ßo 4 Pf. uffgegangen sind.”
Da also in dem genannten Jahr verhältnismäßig Ruhe herrschte und sich nur hier und da plündernde Nachzügler im Gebirge zeigten, so schlichen jetzt überall die Bürger und Bauern aus den Bergschluchten hervor, um sich an dem elenden Kleienbrote, welches bei der gänzlich verwüsteten Ernte die einzige Nahrung blieb und das man nicht einmal mit Salz bestreuen konnte, zu sättigen. Ja, als die Frühlingssonne so freundlich schien, griff der Landmann wieder zu seinem Pfluge, um den Samen in Hoffnung auf eine fröhliche Ernte auszustreuen. Und als die Zeit der Ernte kam und man hinaus eilte, um unter Dankesthränen einzusammeln – – da ertönte die Kriegstrompete auf’s neue, und die geängsteten Männer und Frauen mit ihren schreienden Kindern eilten wieder in die Tiefen der Wälder, um den mord- und raublustigen Kroatenschwärmen zu entkommen, welche mit Windeseile über die verlassenen Fluren daher brausten, mit ihren Rossen das Getreide zerstampften und sich in die verödeten Ortschaften stürzten, wo alle, die als krank und alt nicht hatten fliehen können, unbarmherzig niedergemetzelt wurden. Um sich vor den Mißhandlungen und Räubereien zu schützen, erbaten sich damals Zöblitz und Marienberg von dem bei Reitzenhain commandierenden Offiziere eine Schutzwache, und hatte letztgenannte Stadt für diesen Schutz wöchentlich 20 ßo an das Grenzcommando zu bezahlen, welche Summe aber durch inständiges Bitten des mehrmals abgeordneten Ratsherrn Eckstein auf 6 ßo ermäßigt ward, weil das Elend in der Stadt auf’s höchste gestiegen war. –
Alle Schrecken des Krieges kehrten im Jahre 1634 wieder. Namentlich wütete zu jener Zeit der kaiserliche Oberstleutnant Schutz von Schutzky in unserm Gebirge, setzte unter anderm Sayda in Flammen, brandschatzte Annaberg mit 1200 ßo und rückte auch vor die Stadt Marienberg. Hierüber berichtet die Stadtchronik: „Den 29. Sept. rückte ein kaiserlicher Oberstleutnant Hans Heinrich von und zu Schutz zu Roß um 2 Uhr nachmittags vor die Stadt; solchem ging der Rat entgegen und bat für die arme Stadt, da sich’s denn etwas besser angelassen als im 1. Einfall, er kam mit etlichen Pferden in die Stadt und nahm sein Quartier bei Georg Löwen. Da er nun eingelassen worden war, begehrte er von der Stadt für die Plünderung und Ranzion 6000 ßo; es blieb auf der Geistlichen und des Rats Bitten bei 1000 ßo. Ingleichen wurden dem Oberst 65 ßo Tafelgeld und dem Regimentsquartiermeister 35 rth. verehrt, die Ranzion wurde bald, nämlich 500 rth., den folgenden Morgen ausgezählet, die andere 500 rth. sollten innerhalb 14 Tagen abgestattet werden. Obgleich aber der Rat wegen dieser 500 rth. eine Obligation von sich stellte, haben sie doch um mehrere Versicherung den ältesten Ratsherrn Michael Seeliger mitgenommen. Bei diesem ankommenden Volke entstand auch am Michaelistage abends 7 Uhr eine von den Soldaten angelegte Feuersbrunst vor dem Annaberger Thore und verderbte in solcher 1 Haus und 1 Scheune, und ward ein groß‘ Geschrei in der Stadt, weil es sehr nahe an der Stadtmauer war.” (Die letzte Abzahlung der obengenannten Brandschatzungssumme leistete die Stadt am 31. Oct. durch den Bürgermeister Augustin Eckstein, und mußte dieselbe, da alle Geldmittel erschöpft waren, zum größten Teile in Naturallieferungen, worunter auch Heringe und Stockfische aufgeführt werden, geschehen).
In die bedenklichste Lage sollte die Stadt geraten, als im October 1634 der österreichische Major Beck den bisher verhauen gewesenen Paß bei Reitzenhain in einer Nacht öffnen ließ, sodaß nun diese Heerstraße von hin- und herziehenden Parteien wimmelte und es auch zuweilen zu Gefechten zwischen sächsischen und kaiserlichen Truppen kam. So entstand etwa eine halbe Stunde von der Stadt entfernt, auf den Lautaer und Hilmersdorfer Höhen, ein Treffen, später auch an dem ganz nahen Kaiserteiche, wobei Marienberg in die größte Gefahr geriet. Täglich mit Brand und Plünderung bedroht und von Kroaten und Spaniern umringt, sollte es immer und immer wieder für die in der Nähe lagernden Truppen Lebensmittel schaffen, und war der Mangel so groß, daß der Rat das Brot von Haus zu Haus in einzelnen Stücken zusammentragen ließ und es manche Eltern im Augenblicke, wo sie es essen wollten, den hungernden Ihrigen entreißen mußten. Aus jenen trüben Tagen erzählt der Chronist: „Und es haben sich die Kroaten und spanischen Regimenter vor die Stadt am Walde geleget, da denn die Officiere auf den Tag hereinkamen und mußten gespeiset werden, dem Volke aber alle Tage 2 Faß Bier, Fleisch und Brot und wöchentlich jedem Regiment 20 rth. Contribution, welches 12 Tage gewährt, wobei das Götz’sche Regiment noch darzu kommen, welches gleichsam seine Verpflegung hat haben müssen. Der Kroatenoberst Joh. Tischler hat die Einquartierung in der Stadt haben sollen, weil aber keine Möglichkeit, vornehmlich auch wegen des sächsischen Volkes, welches in Zschopau gelegen, da dann groß Unglück der Stadt hätte entstehen sollen. So hat der Oberst Tischler 200 rth. und 6 Paar Stiefel vor die Einquartierung begehrt, ist aber bei dem halben Teile erblieben, und ist damals große Not wegen des lieben Brotes gewesen, denn man weder aus noch ein können und vielmals die Ratspersonen und Bürger das Brot von Haus zu Haus stückweis von Bürgern einbringen und korbweise nausschicken müssen, welches mancher mit seinen Kindern selbst bedürft und daher Hunger leiden müssen; dieses aber alles mußte man dulden, daß die Stadt nicht in Brand gestecket wurde.”
Am 21. November 1634 war es, als die Bewohner Marienbergs zu ihrem größten Schrecken mitten in der Nacht den Himmel hoch gerötet sahen. Zschopau stand in Flammen, dessen sächsische Besatzung von 4 Regimentern kaiserlichen Truppen unter dem Obersten Colloredo überfallen worden war. Sie richteten in der Stadt, welche mit Menschen überfüllt war, da sich außer den Soldaten und Bürgern auch die Landleute darin aufhielten, ein schreckliches Blutbad an. Hering schildert die Katastrophe in folgender Weise: „Die Schlafenden schreckten plötzlich durch den Ruf der Kriegstrompete empor. Zschopau ist umringt, Frauen, Kinder, Greise flüchten in die Keller, die Männer stürzen sich mit hinaus und alle Schrecken der Schlacht erhöhen sich durch die dichte, nur durch die tötenden Blitze der gelösten Gewehre erleuchtete Finsterniß. Es rast die Schlacht – es wütet der Tod n allen Gassen – es häufen sich Leichen von gefallenen Soldaten, Bürgern und Bauern, und jetzt schlagen die Flammen empor – rechts und links und fern und nah steht die Stadt in Feuer. Dem Tode in den Flammen entfliehend, stürzen die Versteckten hervor und suchen sich zu retten. Aber ach, wie viele hatten dem Schutze der Keller sich lieber vertrauen wollen, als der würgenden Schlacht und waren hier erstickt. Außer den im Kampf Gefallenen zählte man am Morgen nach dieser schaudervollen Nacht 90 Leichen von Erstickten.
In Angst und Mitleid schloß sich in jener Nacht auch in Marienberg kein Auge zum Schlummer – da brauste nach Mitternacht das rückkehrende Heer heran, alles wollte, nach Brot schreiend, in die Stadt stürzen. Oberst Colloredo aber ließ die Thore besetzen und nur die Offiziere hinein, sodaß die schreckensreiche Nacht für die Stadt ebenso glücklich endete, als sie über die Nachbarstadt unbeschreibliches Elend und Unheil gebracht hatte.”
Ein andermal hören wir, wie der Rat mit den Bürgern im Rathause ernste Beratung darüber pflog, wie man für die im nahen Buchwalde campierenden Regimenter Brot, Bier, Fleisch, Salz und Würze und was für Dinge noch mehr verlangt worden waren, beschaffen könne. Da kam es denn auch eines Abends vor, daß die Kaiserlichen in die Stadt einfielen und den Bürgermeister Dreher heftig plagten, daß er ihnen Essen und Trinken schaffen möchte, und „obgleich auch nach Möglichkeit angeschafft wurde, ist doch – wie Donat berichtet – keine Genüge gewesen, sondern haben im Rückmarsch nach dem Walde den Bürgermeister in großer Kälte und bei eitler Nacht mit über den Wald nach Reitzenhain geführt.” Und weiter wird noch erzählt: „Später schickte der Kroatenoberst Tischler 3 Kroaten in die Stadt, die begehrten den Bürgermeister Dreher, an den Böhmischen Wald zu kommen. Weil aber Dreher noch unpaß, hat er mich und Georg Weisen hinausgesandt; da wir aber zu dem Oberst gekommen, hat er wissen wollen, wo sein Oberstleutnant blieben sei. Weil ich aber mit gutem Glimpf und Bescheid antwortete, hat er mich mitgenommen und Georg Weisen warten heißen. Da ich nun voran fortlaufen müssen nach Reitzenhain zu, habe ich etliche Mal angehalten, mich wieder passieren zu lassen, welches ich endlich erhielte, da ich fast 1 Meile Weges mitgelaufen. Es kamen mir aber im Rückweg 2 Kroaten nach, welche mich ganz ausplünderten, da ich denn dermaßen erfroren, daß ich sonach am Christtage in der Kirchen von einem Fieber überfallen worden.”
Selbst von einem argen Schwindler wurde die Stadt am 9. October auf eigentümliche Weise heimgesucht. Es heißt darüber: „Den 9. Oct. kam ein Raub Vogel, gab sich vor einen Oberstwachtmeister aus vom Ottobaldischen Regiment zu Roß und begehrte von der Stadt 1000 rth. Ranzion. Als man aber dessen weigerte, ließ er große Balken und Stroh an das Zschopauer Thor tragen und drohete, solches mit Feuer aufzusprengen. Wollte man ihn los sein, welches doch eines Priesters Sohn aus der Nachbarschaft war, mußte man dem Schindhund 120 rth. geben. Solches Unglück hatte ein alter Soldat und Branntweinschlemmer, Namens Paul Naumann, verursacht, hat aber des Segens nicht erwartet, sondern als ein anderer Schelm davon gegangen.” –
Auch der Anfang des Jahres 1635 war für die Stadt noch trübe genug, und zwar kam diesmal die Bedrängnis nicht von feindlicher Seite, sondern von sächsischen Truppen her. Am 2. Januar ritt der sächsische Oberstleutnant Unger mit 300 Dragonern vor die Stadt, wo die Thore Tag und Nacht verschlossen gehalten wurden. Er begehrte Einlaß. Man fürchtete sich aber vor den Sachsen fast eben so, wie vor den Kaiserlichen und der Rat zögerte, ob er öffnen lassen sollte oder nicht. Da verbreitete sich plötzlich allgemeiner Schrecken, denn krachend ertönten die Schläge der Hämmer und Äxte, womit das Freiberger Thor aufgehauen wurde. Gleich einem feindlichen Corps strömten die Krieger herein. Von den 2 Mann, welche der Rat von der Kaiserlichen Besatzung in Reitzenhain als Schutzwache erhalten hatte, war nichts zu sehen. Man suchte nach ihnen und der Eine hatte sich in einen Gasthof geflüchtet, während der Andere glücklich nach Reitzenhain entkommen war. Derjenige, welcher sich versteckt hatte, wurde von einem Dragoner bemerkt, herunter geholt und auf den Markt vor den Oberstleutnant gebracht, die Ratsherrn baten für ihn, aber vergebens. „Hund, knie nieder!” war die Antwort auf die inständigen Bitten, und der Arme wurde sofort erschossen. Die Soldaten quartierten sich selbst ein und ist es nach den Worten des Chronisten „zuletzt übel hergegangen, indem sie geplündert; alle Pferde, so auch sind bei den feindlichen Einfällen erhalten worden, haben sie mitgenommen, so haben die Bürger damals ihren Schaden über 1700 rth., angegeben, welches nichts Geringes gewesen und die Stadt für die erschossene Schutzwache auf große Bitte noch 28 rth. bezahlen müssen, ohne, was sonsten an Verheerung und Anderem aufgegangen ist.” –
Bewundern muß man die Opferwilligkeit und den kirchlichen Sinn der damaligen Bewohner Marienbergs, wenn sie es trotz der unglückseligen Lage dennoch unternahmen, ihre Kirche mit einer schönen Orgel auszustatten. Donat sagt hierzu und zwar zum Jahre 1636: „Ist das schöne Orgelwerk angefangen worden zu bauen und von Herrn Dobias Wellern, Orgelmacher zu Dresden, verfertigt, und ist von Fremden und Einheimischen, von jedem nach seinem Vermögen, dazu gegeben worden, und ist der Meister in die 18 Wochen von Bürgern, von manchem 2, von manchem 3 Tage gespeiset worden.” Wie groß die damalige Geldnot war, ersieht man aus einer Bemerkung zum 4. Februar 1638, worin es heißt: „Die ganze Bürgerschaft ist erfordert worden und ihnen vorgehalten, daß man den Geistlichen viel Besoldung schuldig und man sie nicht bezahlen könne, weil aus dem Kurfürstlichen Zehenden nichts zu erlangen. So wollten die Geistlichen nicht mehr ihr Amt versorgen, sondern ihren Abschied geben, was die Ursache wäre. Daher die Bürger fleißig erinnert worden, weil es nicht anders sein könnte, daß doch jedweder, Kirchen und Schulen zu erhalten, etwas aus seinem Vermögen geben möchte. Sie haben sich aber nicht dazu verstehen wollen.”
(Schluß folgt.)
(Schluß.)
Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 11. Jg. Nr. 10 v. September 1891, S. 91 – 93.
Vom 10. August 1641 meldet sodann der Chronist: „Die Geistlichen in Kirchen und Schulen sind wegen ihrer Besoldung auf’s Rathhaus gekommen, wozu auch die Bürgerschaft erfordert und ihnen vorgehalten worden, welche zur Antwort gaben: Man sollte die Reste einbringen und in Kurfürstlichen Zehenden anhalten, denn weil so viel Reste, könnten sie sich zur Zeit noch nicht verstehen, Anlagen zu machen.” Trotz der Geldnot wurde aber den 18. Mai 1643 auf der Kirche „eine neue Spindel, darauf der Knopf und die Fahn, uffn Kirchthurm gesetzet, in dem Knopf ist ein Schächtlein mit einem Blatt, auf welchem Herrn Jeremias Metzlers Namen gestanden.” Und endlich wird noch berichtet: „den 24. Juni ist auch der neue Taufstein gesetzt worden und sind von ao. 1614 an in dem vorigen 3161 Kinder getauft worden, bis dieser gesetzt wurde. Den 25. Juni wurde er mit einer Predigt von dem Pfarrer geweihet.”
Wahrlich – unter den damaligen traurigen Verhältnissen erhebende Beispiele von Gemeinsinn und Opferfreudigkeit. Geht hin, – – und thuet desgleichen! – –
Mit dem Anfange des Jahres 1635 sollte der 1. Teil des großen Kriegsdramas zum Schluß gelangen, indem durch den am 30. Mai 1635 geschlossenen Prager Frieden zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten von Sachsen ein Freundschafts-, Trutz- und Schutzbündnis zu Stande kam, wodurch unser Land für die Zukunft wenigstens von den Drangsalen, wie sie die kaiserlichen Heere verursacht hatten, befreit werden sollte. Durch gedachten Frieden war aber auch leider Sachsen der erklärte Feind der Schweden geworden, welche darüber in grenzenlose Wut gerieten und, in jeder Hinsicht verwildert und entmenscht, vor Begierde brannten, den vermeinten Treubruch an den sächsischen Unterthanen auf’s Furchtbarste zu rächen. Ihre Habsucht, im Bunde mit blutgieriger Rachsucht, verübte fortan 10 Jahre hindurch Gräuelthaten, gegen deren Schilderung sich das Gefühl sträubt und die unser armes, zerrüttetes Vaterland doch noch erdulden mußte.
Nicht nur die Wohnungen Tausender wurden zerstört, sondern mit ihnen auch das Leben zahlloser Menschen. Noch barmherzig verfuhren diejenigen schwedischen Soldaten, welche den fußfällig flehenden Landmann, das händeringende Weib, das schuldlose Kind einfach niederstießen; das bloße Morden war aber diesen Teufeln in Menschengestalt zu wenig. Bald verbrannten sie die nackten Körper mit angebranntem Stroh, bald schlugen sie hölzerne Pflöcke zwischen die Nägel an Händen und Füßen, bald schnitten sie die Fußsohlen kreuzweise auf und streuten Salz und Gerstenkörner hinein, bald kreuzigten sie die Kinder oder nagelten sie an den Thorwegen mit den Händen und Füßen an – und schossen darnach, wie nach einer Scheibe, bald gossen sie den niedergeworfenen Menschen Düngerjauche in den Hals und knieten auf den Leib, um diesen „Schwedentrunk” wieder herauszutreiben, oder hingen an den Füßen die also Getränkten auf.
Bis zum Jahre 1639 hatte unser Gebirge noch wenig von den Schrecken des Schwedenkrieges gekostet, war aber schon durch Berichte über die im Niederlande verübten Plünderungen und Gräuel in die höchste Angst versetzt worden. So hatte ein schwedischer Oberst Döbitz die Stadt Leisnig mit 30000 rth. gebrandschatzt und als diese Summe nicht bezahlt werden konnte, den Bürgermeister Anton Clauß als Geisel mit nach Torgau genommen und hier den Unschuldigen wie einen Hund an einen Packwagen angeschlossen, sodaß der Arme nach wenig Tagen den Qualen erlag. Den 26. Februar 1639 nahete sich das schwedische Unheil auch der Stadt Marienberg, denn der Chronist teilt Folgendes mit: „Ein schwedischer Cornet kam mit seinen Reutern und begehrte alsobald vor die Schwedischen 2000 rth., so ihnen vor 2 Jahren seien Rest geblieben, davon uns aber nichts wissend. Ist schwer hergegangen und hat der halbe Theil an Geld, Pferden, Speisen, Schuhen, Stiefeln und Tuchen an 500 rth. zusammengelaufen, und 500 rth. alsdann Rest geblieben, haben’s aber doch bezahlen müssen, daher auch Stücke verpfändet worden, so den Stipendiaten und dem Armenkasten zuständig, weil sonst kein ander Mittel gewesen.”
Im Februar 1639 floh Alles, was fliehen konnte, in die Städte Freiberg, Annaberg und Marienberg; die Landgeistlichen schafften ihre Frauen und Kinder wenigstens dahin in Sicherheit, um bei wirklicher Gefahr schneller mit dem Reste der Kirchkinder in die Wälder flüchten zu können. Die Nähe der großen Waldungen ist damals für das Gebirge die Rettung aus tausend Todesgefahren gewesen. Vom Februar ab streiften bereits schwedische Banden überall im Gebirge umher, und wurde damals auch von nur 3 schwedischen Reitern das Schloß Lauterstein angezündet und in Asche gelegt.
Am 12. April, es war Charfreitag, kamen etwa 500 solcher schwedischer Brandstifter, nachdem sie Zöblitz geplündert und angezündet, sowie dessen Bewohner in jeder Weise mißhandelt hatten, auch nach Marienberg. Es heißt hierüber: „dieselbigen kamen vor das Annabergische Thor, wollten dasselbe aufhauen, gaben auch Feuer darauf. Da man sie aber mit Gottes Hilfe durch hinausgeworfene Steine abgetrieben, mußten sie weichen. Sie zündeten aber das Schießhaus an und die Hillig’sche Scheune, da denn die Bürgerschaft in sehr großer Gefahr war.” Am 1. Osterfeiertage kehrten die Erbitterten in noch größerer Anzahl zurück, aber ein gleicher Steinhagel lehrte ihre verwundeten Köpfe, daß die Bürger hier fest, wie ihre Steine wären. Einige Tage darauf wurde erneuter Sturm dadurch glücklich abgewehrt, daß die Bürger anstatt der Steine – Brot hinauswarfen.
Glücklich sollte das sich fast täglich in Angst und Schrecken gesetzte Marienberg am 10. August desselben Jahres wegkommen, als der schwedische Oberst Hocke mit 250 Reitern und 200 Infanteristen Einlaß in die Stadt verlangte. Zagend öffnete man die Thore und drohend ziehen die Schweden ein. Es fehlte Brot und Bier so ganz in der armen Stadt, und diese wilden Gäste verlangten doch soviel und drohten die Stadt auf’s Äußerste zu quälen. Sie verteilen sich bereits in die Häuser, wo Jungfrauen und Kinder sich verkrochen haben und angst- und hungerbleich der Bürger die Räuber empfängt, die unter gräßlichen Verwünschungen Geld, Brot und Bier und was nicht Alles, fordern, da – – ruft plötzlich die Trompete, die Soldaten stürzen auf den Markt vor, dieser füllt sich mit sächsischen Dragonern, ein wütendes Gemetzel beginnt, die Schweden ergeben sich, Einzelne entfliehen, der Oberst mit mehreren Officieren und Frauen wird gefangen genommen, und gegen 6000 rth. Werth erbeutet. Der sächsische Oberst Stritzky hatte der Stadt Rettung gebracht.
Auch das Jahr 1641 brachte noch mancherlei Leiden. „Es war am 1. Januar – schreibt Donat, – als man in der Kirche war. Da kamen unter der Predigt einige Reuter, brachten die Post, daß der Oberst Lang mit einem Regiment Dragonern allhier Quartier haben sollte. Da denn ein groß‘ Schrecken entstunde, und folgte bald zu Mittag der helle Haufen, kostete die Stadt viel, lag da bis den 19 dito, da er gegen Abend aufbrach und ließ derselbe die Stadtmauern, wo sie niedrig, verpallisadiren, die Thore auch all versperren, bis auf das Freibergische Thor und ließ starke Wache halten.”
Um durch die Schilderung der weiteren Drangsale nicht zu ermüden, soll hier von den Ängsten und Nöten abgesehen werden, wie sie auch noch in den folgenden Jahren unser Gebirge und insbesondere die Stadt Marienberg trafen. Nur bemerkt soll sein, daß bis zum Jahre 1646 all‘ die geschilderten Leiden sich mehr oder weniger wiederholten, daß sich noch zu verschiedenen Malen die Wälder mit Geflüchteten füllten und daß die Zahl der Gequälten nur deshalb abnahm, weil Hunger und Pest die Qualen beendet hatten. Zum Jahre 1644 bemerkt der Chronist unter anderm: „Es kommen neue Völker zu Marienberg an, als des Pfalzgrafen und Dörffel’schen Regiment und 1 Escadron Rolischen, wurde auf 5000 Pferde geschätzet, und war großer Jammer und Noth in der Stadt wegen der großen Einquartierung, maßen auch in den wüsten Häusern Volk liegen müssen und sind da gelegen bis den 14. Januar 1645 und ist elendiglich zugegangen. Die Häuser wurden zu Wachfeuern eingerissen und die Soldatenkrankheit nahm manchen mit, welches noch ärger ward, da es waren wurde. Bei währender Einquartierung war kein Brot, Bier, Salz, noch Holz zu bekommen.
Selbst noch nach dem 1645 zwischen Schweden und Sachsen geschlossenen Waffenstillstande hatte gerade unser Gebirge, besonders in den Grenzorten, durch feindliche Einfälle viel zu leiden, und wurden namentlich in Seiffen, Sayda, Dittersbach, Neuhausen, Ansprung, Grünthal und Schloß Purschenstein mancherlei Gräuel verübt.
Wie es am Ende des Krieges in Sachsen und fast in jedem Orte desselben aussah, schildert ein Zeitgenosse jenes Elends in folgender ergreifender Weise: „Ihr wisset, wie über Euch fliegende Drachen, zerreißende Bären und Löwen gekommen sind, die Eure Städte ausgebrannt, Eure Ernten, Ochsen und Schafe vor Euren Augen verzehrt, viel Tausend Bürger und Bauern zu Tode gemartert und so barbarisch gehaust haben, daß aller Menschen Sinne es nicht begreifen können. Wie jämmerlich stehen Eure Städte und Flecken; da liegen sie verbrannt, zerstört, daß weder Dach, Gesperr, Thüren oder Fenster zu sehen sind. Man wandert oft 10 Meilen und sieht nicht einen Menschen, nicht ein Vieh, nicht einen Sperling. In allen Dörfern sind die Häuser voller Leichname, Mann, Weib, Kinder, Gesinde, Pferde, Schweine, Kühe und Ochsen, neben und unter einander von Pest und Hunger erwürgt, voller Maden und Würmer, und von Wölfen, Hunden und Krähen zerfressen, weil Niemand ist, der sie begraben hat. Ihr wisset, wie Lebendige sich unter einander in Kellern und Winkeln zerrissen, todtgeschlagen und gegessen haben; daß Eltern ihre todten Kinder und Kinder ihre todten Eltern gegessen, daß Viele um einen todten Hund oder Katze gebettelt und das Aas aus den Schindergruben genommen und verzehret haben.” Unser Sachsen allein verlor in dem unheilvollen Kriege 1 Million Bewohner. In einem sächsischen Dorfe waren nur noch der Pfarrer und eine Frau am Leben, und als auch jener an der Pest starb, grub ihm diese das Grab. Zucht und Ordnung waren vom deutschen Boden gewichen. Kinder zogen elternlos umher und schrien um Brot, dabei verwilderten sie immer mehr und lebten von Betteln und Stehlen.
Doch genug mit Schilderungen des Jammers! Endlich machte der in Münster und Osnabrück geschlossene Friede dem Elende ein Ende. Wie tief erschütternd mag es gewesen sein, als an der in Marienberg gehaltenen Friedensfeier von hohem Kirchturme herab über die unglückliche, halb verwüstete Stadt und die verödeten Gefilde der Umgegend die Töne des von den Musikern geblasenen Chorals dahin klangen:
„Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr‘
Und Dank für seine Gnade,
Darum, daß nun und nimmermehr
Uns rühren kann kein Schade.
Ein Wohlgefall’n Gott an uns hat,
Nun ist groß‘ Fried‘ ohn‘ Unterlaß,
All‘ Fehd‘ hat nun ein Ende!” – –