Frauenstein, ein passender Ort für Sommerfrischler, ein wahrer Luftkurort, eine dankenswerte Partie für Touristen.

Frauenstein liegt hoch 2100 Fuß über dem Meere, hat eine gesunde, sauerstoffreiche Luft, schöne Wälder in nächster Nähe und ist dadurch und durch seine Ruhe denen, die ihre Nerven stärken und vom Getriebe der Großstadt in einfachen Verhältnissen ausruhen wollen, sehr zu empfehlen. Es ist besonders schön hier, wenn es in der Niederung abstirbt und bleibt schön grün bis zum Oktober. Die Fichtenwälder, bisweilen auch von Buchen unterbrochen, sind im hiesigen Nassauer, Rechenberger und Hermsdorfer oder Rehefelder Revier prachtvoll und herrlich bestanden und gehalten. Für die, die Frauenstein besuchen, giebt es ein so wunderschönes Stückchen Erde, um das uns jede Großstadt beneiden würde, den Waldpark, ein schöner, hart am Schloß gelegener Wald mit vielen hübschen Gängen und Ruheplätzen, angelegt von einem früheren und erweitert von dem jetzigen Herrn Forstbeamten. Auch für eine nette, hart an die Schloßruine angebaute Restauration ist gesorgt; in diesem „Parkschlößchen” ist immer gutes böhmisches und anderes Bier zu haben. Die kleine, seit dem großen Brande im Oktober 1869 nett aufgebaute Stadt bietet Sommerfrischlern die nötigen Logis, und der Arzt des Ortes, der schon seit Jahren dieselben aufgenommen, stellt seinen mit mehreren Lauben und Sitzen versehenen Garten gern zur Verfügung. Auch für die leibliche Nahrung sorgen die hiesigen, gut gehaltenen Gasthöfe, nur würden größere Vereine gut thun, tags zuvor den betreffenden Gastwirten ihr Kommen zu annoncieren.

Die Stadt hat ein neues, 1588 von Heinrich von Schönberg erbautes Schloß, das nach dem Brande von 1814 wieder neu aufgebaut, jetzt Sitz des Amtsgerichts und Rentamts ist und dahinter auf einem Syenitporphyrfelsen die größte und schönste Schloßruine Sachsens (vielleicht Deutschlands?), von der man eine prachtvolle Aussicht hat; der eine Turm hat eine noch gute Treppe. Der Rentamtsbote Ufer zeigt sie jedem Besucher. Das alte Schloß („Burg zum Frauenstein”) soll Kaiser Heinrich I. im 10. Jahrhundert (nach andern Heinrich IV. im Jahre 1070) erbaut haben. Es waren beliehen im Laufe der Zeit die Herren von Sayda, von Ileburg (Eilenburg); 1329 die Burggrafen von Meißen; 1426 kam sie an den Reichsfürsten Grafen von Hartenstein; dann an den Grafen Heinrich von Plauen. 1438 wurde sie durch die Streiter Friedrich des Sanftmütigen zerstört; 1473 von den fürstlichen Brüdern Ernst und Albert an die Herren von Schönberg verkauft, und zu Ende des 30jährigen Krieges 1647 verkauften sie diese wieder an den Kurfürsten Johann Georg I., und seit der Zeit ist sie bei der Krone Sachsens geblieben. Hinter der Ruine neben dem Parkschlößchen ragt ein mit einem Pavillon versehener Felsen hervor, genannt der Zeißigstein. Der Name soll von einem Hauptmann der meißnischen Burggrafen, Zeißig, herrühren, der im 15. Jahrhundert hier enthauptet wurde.

Gegenüber der Ruine auf der andern Seite der Stadt liegt der Sand- oder Augustusberg, von dem man sich auch einer sehr schönen Aussicht erfreut.

Der Teil der alten Stadt mit seinen kleinen Schindelhäusern, der im Thale nach Ost und Nordost und der Kirchhof mit der alten Begräbniskirche liegt, und welcher bei dem großen Brande von 1869 verschont blieb, erinnert an die alte Stadt Frauenstein, die ganz da im Thale gelegen haben soll; einige breite mit Haselbüschen eingehegte Hecken zeigen noch die dort bestandenen Gassen. Wie von oben vom Schloß und der westlichen Seite, gehen auch von dieser östlichen und nördlichen angenehme Wege in den schönen Waldpark und führt ein hübscher Fußweg in das Bobritzschthal, das von Reichenau aus der Bobritzschbach durchfließt, nach dem an der Strecke von Frauenstein nach Tharandt sehr hübsch gelegenen Kleinbobritzsch mit gutem Gasthof. Botanisch interessant sind im Waldpark der Türkenbund Lilium Martagon L. und die nach Kerbel riechende schjöne, mit weißen, großen Blättern und schwarzen Samen gezierte Dolde, der Myrrhenkerbel, Myrrhis odorata Scop.

Verbindung, Wege. Da wir leider keine Bahn bekommen haben, so sind unsere Verbindungen mit den größeren Orten schlecht. Der eine Haltepunkt ist Klingenberg, von wo man mit Post früh und abends ½8 Uhr hierher fahren kann und zwar in 2½ Stunden, doch ist die Annahme beschränkt und thut man klug, bei hohen Festen sich einen Platz zu bestellen, wenn man nicht extra eine Fuhre nehmen oder gehen will. Zu Fuß sind es 3 Stunden. — Die andere Bahnverbindung ist mit der Bahn Freiberg-Bienmühle, wo von Bienmühle aus abends 7½ Uhr eine Post hierher führt. Zu Fuß hat man von da 2 Stunden. Der nächste Weg ist von Haltepunkt Nassau, der nächste vor Bienmühle. Von Nassau geht auf hübschem Fußweg, zu dem Wegweiser führen, ein guter Fußgänger eine Stunde, meist durch Wald. Für Touristen giebt es folgende größere, recht hübsche Partien. Von Edle Krone (hinter Tharand) gehe man durch Höckendorf, Ruppendorf, Beerwalde, an der dasigen Mühle und dem hübschen Forsthaus vorbei nach Lehnmühle und besuche, ehe man an diese gelangt, die grotesken Felsenpartien, genannt Hartmannsdorfer Schweiz, dann über Hartmannsdorf auf dem Fußweg, der vom dasigen Gasthof abgeht, nach Frauenstein, wo man von hinten in den Waldpark gelangt. Gute Fußgänger können auf allerdings manchmal noch sehr primitiven Wegen von der Lehnmühle im Weißeritzthale, über die Steinbrückmühle an der Frauenstein-Dippoldiswalder Straße, an der Uferschen Schleif-, an der Könner- und Krönertmühle vorbei, wo man überall essen kann und gut bedient wird, über Nieder-Schönfeld, Nieder-Seyda nach Rehefeld, wo man sich des Königs Jagdschloß besehen kann, gehen und hat man noch Kraft, so gehen man den Biersteig in die Höhe, besuche den auf der Höhe nahe an der böhmischen Grenze gelegenen hölzernen Aussichtsturm und stärke sich bei gutem böhmischen Bier im neben dem böhmischen Zollhaus gelegenen Fischerhaus. Das Besteigen des Holzturmes (bei Windstille!) ist lohnend; vor sich sieht man das Jagdschlößchen in Frauenstein, Häuser des Dorfs, die Kirche von Schellerhau, das 3 Stunden entfernte Schloß Frauenstein, südlich einige böhmische Häuser, sonst nichts als eine große, schöne, grüne Waldfläche, ein wunderbar bezaubernder Anblick! Hier ist man auf halbem Weg nach Teplitz. Hinter dem nächsten böhmischen Dorfe Neustadt hat man rechts vom Wege, oder vom Berge (der Störme) eine prachtvolle Aussicht über die Schluchten an der Grenze des Erzgebirges über Klostergrab nach Teplitz, Dux und Brüx etc. Geht man nicht nach Teplitz, so kann man von Rehefeld über den sächsischen Reiter und Dorf Zinnwald nach dem Mückentürmchen wandern. Will man von der allerdings 5 – 6 stündigen Tour von Edle Krone durchs Weißeritzthal nach Rehefeld – in der Nähe entspringt die Weißeritz – nicht nach Böhmen, so muß man auf der Teplitzer Chaussee zurück nach Frauenstein. Hinter dem Grenzdorf Hermsdorf und dem Stahlbuschsteht ein kleiner Stein mit der Bezeichnung „Kapelle”, wo früher eine im 30jährigen Kriege (?) zerstörte Kapelle gestanden haben soll. Kleinere Touren von hier aus sind die genannte Lehnmühle über Hartmannsdorf die „Hartmannsdorfer Schweiz”, nach der Steinbrückmühle; nach Reichenau mit seinem guten böhmischen und anderem Bier; nach Burkersdorf und dem Burgberg, von welchem auch eine nette Aussicht lohnt. Will man eine größere Waldpartie machen, so gehe man nach Nassau und durch den schönen Nassauer Wald auf der Kalkstraße bis zum Kalkwerk und von da über Hermsdorf zurück; oder direkt über Hermsdorf nach Rehefeld. Eine Tagespartie ist Freiberg, hin und zurück auf dem einstündigen Weg über Nassau. Auch wird von hier über Bienmühle nach dem böhmischen Bierdorf Georgenthal „ins böhmische Bier” oft eine Partie unternommen. Kurz vor Bienmühle giebt´s schönen Wald und von da durchs Rechenberger Revier 1½ stündiger Wald bis ins sächsische und böhmische Georgenthal. Zu Fuß ist das aber eine starke Tour. Manche wandern oder fahren diese Tour weiter über Fleihe, Langewiese nach Ossegg. In Fleihe ist es im Winter zur Hirschfütterung interessant. Von Bienmühle ist´s auch eine interessante Partie durch Rechenberg mit seinen zum Besteigen eingerichteten Felsen, der noch der Verschönerung bedarf und an dem ein früheres, jetzt zur Schule umgebautes Rittergut liegt, das Thal von Holzhau an dem hübschen Forsthaus vorbei zu besuchen, um zu sehen, wo in dem engen, aber hübschen Thal die Eisenbahn künftig nach Böhmen führen soll.

Das erste böhmische Dorf ist Mulda, von wo die Mulde entspringt, und an dessen Anfang die künftige Bahn weiter führen soll, jedenfalls ein noch schwieriger Bau, aber für den, der sich dafür interessiert, immerhin wert, sich das Terrain zu besehen. Wert allein ists für Touristen, sich die seit 1876 neu entstandene Kolonie der Bienmühle zu besehen und wohl zu entschuldigen der Wunsch der Frauensteiner, die im Gimmlitzthale, wo schon eine kleine Vorstadt Frauensteins liegt, die Bahn und eine gleiche Kolonie dort entstehen zu sehen erhofften. Sind wir einmal bei dem Gimmlitzthal, so ist es für die, die in einem stillen, ruhigen, idyllischen Thale wandern und ihren Gedanken nachhängen wollen, nicht uninteressant, dasselbe zu durchwandern. Man geht entweder dem Laufe der Gimmlitz entgegen von Lichtenberg am Burgberg vorbei nach Dittersbach und Burkersdorf, bei der dasigen Schiller- und Walkmühle oder man geht von Frauenstein nach der Walkmühle nach der Ratsmühle (stärkt sich da einmal) und wandert von da an der Walther (jetzt Müller-), Illing-, den Weigelmühlen nach der Kadenmühle und dem Kalkwerk, oder von den Weigelmühlen direkt nach Hermsdorf und von da nach Frauenstein zurück.

Bei dieser Tour fällt einem unwillkürlich ein, den Touristen zu bitten, von der Bahn aus – namentlich von dem Stück Berhelsdorf-Lichtenberg – sich das Terrain zu besehen. Wie leicht hätte man da nach einer einetagigen Brücke über die Mulde hinter Lichtenberg, den Burgberg rechts liegen lassend, Frauenstein erreicht und dann ohne Beschwerde und viel geräder die Grenze Sachsens und Böhmens erreicht. Oder man hätte aber auch geräder, billiger und leichter im Gimmlitzthale an Lichtenberg, Dittersbach und Burkersdorf vorbei die Grenze bei Hermsdorf sicher um ¾ Stunden früher und ohne die ungeheuren Sprengkosten der jetzigen Bahn erreicht. Dies sind Betrachtungen für hierher reisende Touristen, um sich zu überzeugen, wie traurig man Frauenstein hat seitab liegen lassen! — Nun hoffen wir, daß uns einmal unter den uns besuchenden Touristen einer besucht, der unser Stiefkind freundlich beurteilt und an passender Stelle für eine Sekundärbahn spricht.

An Sommerfrischler und an Touristen zum Schluß noch die Bitte, sich das im Sommer recht hübsche Stückchen unseres Vaterlandes und Erzgebirges zu besehen und sich in seiner Stille und seinen Wäldern zu erholen. Einige Mitglieder des Erzgebirgsvereins und andere Einwohner erteilen gern über Das und Jenes Auskunft. Botanisches erteilen gern Herr Förster v. Oppen in Holzhau, Herr Lehrer Zeiling in Claußnitz und Dr. Röber in Frauenstein. An Seltenheiten für Botaniker bemerke ich noch außer den 2 Parkpflanzen im Gimmlitzthale Gymnadenia (Platanthera) Wnkelii, Rch. Orchis (Peristylus) viridia L., Scorzonera plantaginea L., am Nassau-Frauensteiner Fußweg. Bei Friedersdorf Pyrola rosea und Spiranthes autumnalis Rich. Bei der Bienmühle Corallorrhiza inuata R. Br. Aconitum Napellus L. Petasites albus Hall. Cineraria (Tephroseris) crispa Jacq. — Auf dem Nassauer Wald die 4 Pyrola-Arten: secunda, minor, uniflora, rosea, (4) Mycelis muralis, Senecio Fuchsii, Homogyne alpina H. Cass. Bei der Körnermühle Ranunculus aconitifolius L. In Hermsdorf Mulgedium alpinum Less. (mehr noch am Geising-Thale), Orchis sambucina L. und da am Dorfbache und in Sayda den hübschen Mimulus luteus L. Von Farrn Aspidium Phegopteris und A. Dryopteris und Blechnum boreale, überall auf den meist schönen Wiesen Cnicus heterophyllus L.

Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 2. Jahrgang. No. 7 v. 15. Juli 1882, S. 61 – 64.