Preßnitz- und Schwarzwasserthal.

Glückliche Reise! Diese zwei Worte sind es, welche allen den Lieben nachklingen, die sich auf einige Zeit von ihrem häuslichen Heerde trennen und von ihrer altäglichen Arbeit losreißen, um sich in die Sommerfrische zu begeben und dort Erholung und Stärkung zu neuen Thaten zu suchen. —

Wie stark dieser Drang ist, den eintönigen Berufsarbeiten, in den „Wonnemonaten” auf einige Zeit Valet zu sagen, das beweist der immer im Wachsen begriffene Touristenverkehr und die rege Frequenz der, diesem Zwecke entsprechenden „Sommerfrischen”. Es ist daher natürlich und begreiflich, daß man für diese Strömung überall da, wo sich solche von der Natur begünstigte Punkte befinden, das größte Interesse zeigt, um dorthin die Aufmerksamkeit derjenigen Naturfreunde zu lenken, welche sich keine strapaziösen Hochlands- und Alpentouren zum Ziele gesetzt haben, sondern in ruhigerer weise Erquickung und Stärkung suchen.

Gewiß mangelt es in unserem engeren Vaterlande nicht an solchen Punkten, aber viele sind zum Teile noch unbekannt, und doch würden sie gerade diesem letzteren Teile von Touristen und Sommerfrischlern entsprechen und von diesen mit Freuden aufgesucht werden. Es ist dieses insbesondere in unserem, mit Naturschönheiten gesegneten Erzgebirge der Fall, welches freilich erst in den letzten Jahren die schon längst verdiente Würdigung der Touristen gefunden hat. Dank der neu geschaffenen und noch ferner geplanten Eisenbahnverbindungen mit den großen Verkehrslinien wird diselbe ohne Zweifel in Zukunft immer mehr und mehr zunehmen. Und — wer nur einmal die Luft der Berge geatmet und die goldene Morgensonne mit majestätischer Pracht über unsere waldgekrönten Erzgebirgshäupter hat emporsteigen sehen, dem schwellt es mit unauslöschlicher Sehnsucht die Brust, und wieder und immer wieder kommt er in die stillen, aber romantischen Thäler und Berge unsers Erzgebirges!

Darum:
„Hinauf, hinauf!
In die Berge, hinein in das liebe Vaterland,
Vorüber an dunkelschattiger Wand.
In die Wälder, in die kühle schlucht,
Wo der Waldbach tost in wilder Flucht,
Hinauf zu der Matten warmluftigem Grün,
Und jungfrisches Leben wird dort erblühn.”

So tönts‘ zu Euch hinaus, Ihr wanderlustige Naturfreunde unseres lieben Vaterlandes, kommt auf’s neue in unser anmutiges Eldorado, dessen Matten sich jetzt mit dem grünsamtnen Teppich umkleidet haben und in ihrer ganzen Pracht nun vor Euch liegen. Erklinge Du Glückauf-Ruf an alle Erzgebirgsvereinsmitglieder zur glücklichen Ferienzeit, und jeder denke mit freudigem Herzen von neuem an die Berge und Thäler des Erzgebirges, aus welchem ihm ein fröhliches Willkommen zugerufen wird.

Wenn Euch nun dieser Willkommensgruß von dem neugegründeten Zweigvereine „Jöhstadt” entgegen klingt, so geschieht dies mit doppelter Freude und Herzlichkeit, da ja, nach langem Sehnen, unser schönes und romantisches „Preßnitz- und Schwarzwasserthal”, welches unstreitig zu den schönsten Thälern unseres Erzgebirges gezählt werden darf, jetzt durch die im Bau begriffene Eisenbahn „Wolkenstein-Jöhstadt” aufgeschlossen wird. Dasselbe wird in seinem ganzen Umfang und mit vollster Berechtigung in Zukunft als „Sommerfrische” den ersten Rang mit einnehmen und vielen im Sommer eine willkommene Zufluchtsstätte zur Erholung werden. Darum sei schon jetzt an dieser Stelle ganz besonders auf eine Exkursion durch dieses romantische Thal — also von Wolkenstein nach Streckewalde, Boden, Nieder-, Mittel- und Ober-Schmiedeberg, Steinbach, Schmalzgrube und Jöhstadt, der Bahnstrecke entlang, wo sich jetzt tausende von Händen rühren, um die genannte Strecke zu vollenden — hingewiesen und warm empfohlen. Jetzt erst treten durch die teilweisen Lichtungen der Bahnstrecke, die herrlichen Berg- und Felsenpartien dieses schönen Thales, neben der rauschenden, mit dem Schwarzwasser vereinigten Preßnitz, in wirklicher Schönheit hervor, so daß man diese Bahn nach ihrer Vollendung zu einer der schönsten und hoffentlich frequentesten Touristenverkehrsbahn zählen wird. Dieses wird umsomehr der Fall sein, als sich von Jöhstadt aus alle weiteren Exkursionen leicht und vorteilhaft anreihen lassen und z. B. von hier aus der Kupferberg i. B. (über Preßnitz), der Keil- und Fichtelberg — über böhm. Schmiedeberg, auf schönen schattigen waldstraßen leicht und angenehm erreicht werden können. Außerdem bildet Jöhstadt gleichzeitig den Grenz- und Übergangspunkt nach allen Egerthalpartien und Stationen der Buschtehrader Eisenbahnen, nach Karlsbad, Teplitz, Prag etc.

Mit dem Wunsche, daß dieser kleine Hinweis manchen zur bevorstehenden Ferien- und Reisesaison willkommen sein wird, ist der Zweigverein „Jöhstadt” gern bereit mit ferneren Auskünften zu dienen und schließt mit einem herzlichen „Glückauf”.

A. J.

Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 11. Jahrgang. No. 6 v. Juni 1891, S. 51 – 52.