Die stärkste Edeltanne Deutschlands.

Alles Irdische ist vergänglich und was Jahrhunderte lang kraftstrotzend dastand, es erreicht endlich sein Ziel und geht, wenn auch ganz allmählich, seinem Untergange entgegen.

Auf dem Olbernhauer Staatsforstreviere steht, wie auch seiner Zeit in diesen Blättern berichtet wurde, die stärkste Tanne (Edeltanne, A bies pectinata) Deutschlands. Ihr Alter wird circa 500 Jahre geschätzt. Der Geburtsschein fehlt zwar, aber an einer nahezu ebenso starken Tanne, die von dem großen Sturm am 7. Dezember 1868 geworfen wurde, zählte man 462 Jahresringe und kann demnach recht wohl auf 500 Jahre schließen. Der Durchmesser in Brusthöhe betrug 1,04 m, die Höhe 41,5 m, der Schaft 57,44 fm und die Reisigmasse 14,36 fm in Summa also der ganze Baum 71,80 fm Masseninhalt. Die Tanne war von Einheimischen und Fremden viel besucht und unter ihrem Schatten ist manches Glas auf gegenseitiges Wohlsein geleert und sind Reden verschiedenen Inhalts gehalten worden.

Jetzt ist sie tot die alte Tanne! zwar steht sie noch und dem Vernehmen nach soll sie auch stehen bleiben, aber freilich als Leiche. Sie hätte nach dem Urteile Sachverständiger, obwohl sie schon seit einigen Jahren von der Spitze herein einige dürre Äste bekam, noch verschiedene Jahrzehnte leben können, wenn sie nicht am 11. Juli 1885 des Vormittags 11 Uhr vom Blitz getroffen worden wäre, der eine 8 – 12 cm breite, tief in das Herz eingreifende Rinne spiralförmig von der Spitze aus an dem Stamme herunter bis auf den Boden aufgerissen hätte. Durch diese spiralförmige Rinne war die Saftbewegung allzusehr gestört und der baldige Tod voraus zu sehen und doch hat sie noch nahezu 3 Jahre Widerstand geleistet. — Die unter der alten Tanne angebrachten Bänke und Tische sind von rohen ungezogenen Burschen aus der Sorte „Fabrikbevölkerung” neuerdings in vandalischer Weise ruiniert worden. —

Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 9. Jg. Nr. 8 v. August 1889, S. 76. – 77