Geschildert von Hermann Löscher (Zwönitz).
Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 15. Jg. Nr. 8, v. August 1895, S. 105 – 109.
Schon etliche Wochen vor dem „lieblichen Feste” planten eine Anzahl Mitglieder des Zwönitzer Erzgebirgsvereins, zugleich Mitglieder der dortigen Ortsgruppe des allgemeinen deutschen Schulvereins zur Erhaltung des Deutschtums im Auslande, eine Pfingstfahrt nach dem böhmischen Mittelgebirge. Was uns dahin trieb, war zweierlei. Wir wollten einerseits die Hügellande jenseits unseres Erzgebirges, die wir so oft von den Höhen der Heimat in weiter Ferne geschaut, kennen lernen und dabei unser Gebirge einmal in der ganzen Mächtigkeit seines Kammes von jenen Höhenpunkten aus beschauen, andererseits wollten wir in kühnem Wagemute bis in jene Gegenden vordringen, die den für uns so schmerzlichen Namen „Sprachgrenze” führen, ja vielleicht auf czechischen Boden selbst den Fuß setzen.
Da uns nur drei Tage zur Verfügung standen, mußte die Zeit ausgekauft werden. Und so stand Mittwoch, den 5. Juni, früh ½3 Uhr auf dem Markt des Städtleins ein Omnibus, der die 7 fahrenden Gesellen aufnahm, um sie rechtzeitig nach Annaberg zu bringen. Es war ein kalter, nicht ganz klarer Morgen. Trotzdem bereute es der Berichterstatter nicht, den Sitz auf dem Kutscherbock eingenommen zu haben, denn es bot sich die sonst so selten wahrgenommene Gelegenheit im Geyerschen Walde dem Erwachen der Natur zu lauschen. Zehn Minuten vor 6 Uhr bestiegen wir in Annaberg den Zug nach Weipert. Wir hatten uns auf diese Fahrt mit ihrem Tanz um den Bärenstein gefreut. Aber der hohe Herr verhüllte sein noch verschlafenes Angesicht in ein wolliges Wolkenbett, aus dem nur der Fuß hervorlugte. So sagten wir denn dem Heimatlande ade, um über den Pöhlbach hinüber ins Böhmische zu fahren. In Weipert war mehrstündiger Aufenthalt. Wir benutzten ihn zu einer Morgenwanderung durch die Stadt. Wir bewunderten das schöne, noch nicht lange errichtete Standbild des Kaisers Josef II. und gingen dann in die Kirche, um einem katholischen Abendmahlgottesdienst beizuwohnen. Nachdem wir uns an einem köstlichen Glase Ruster Ausbruch in Fitbogen’s Weinstube erfrischt, dampften wir ab, um nach Komotau zu gelangen. Mühsam windet sich der Zug erst auf den Kamm hinauf, um dann in ebensogroßen Windungen hinabzufahren. Der Haßberg und der Spitzberg waren gnädiger als der Bärenstein, und zeigten sich. Ja stellenweise brach die Sonne siegreich durch und ließ uns köstliche Blicke in das großartige Assigbachthal thun. In Krima-Neudorf, wo die Reitzenhainer Strecke mündet, erkälteten wir den verdursteten Magen mit eiskaltem Bier, wie wir es ähnlich nur noch in Komotau gereicht bekamen, wo wir ½1 Uhr mittag ankamen. Es war gerade Zeit einen Imbiß einzunehmen, denn wenige Minuten nach 1 Uhr ging der Zug nach Dux ab, das wir in reichlich einer Stunde erreichten. Unterwegs hatten wir Gelegenheit eine Probe czechischen Volksgesanges zu hören. In Komotau war Nachmusterung gewesen, und die Ausgehobenen erfüllten den Nebenwagen nicht nur persönlich, sondern auch stimmlich. Kenner rühmen uns an diesem Gesang sonst „anmutige, ins Gehör fallende, schwermütige Weisen”. Den Umständen angemessen trat hier von allem das Gegenteil auf. So verschlossen wir unser deutsches Ohr, um desto mehr das Auge zu öffnen; denn immer deutlicher erhoben sich vor uns die Basaltkegel des Mittelgebirges, im Vordergrund der mächtige Klingsteinfelsen des Borschen. ½3 Uhr begann in Dux die Fußwanderung. Es galt zunächst Bilin zu erreichen. Im Kohlendampf und Kohlenstaub lag die ganze Strecke vor uns. Wir wanderten nicht die gerade Strecke, sondern hielten uns etwas links, daß wir über Kutterwitz in die Stadt gelangten. Wir hatten dadurch Gelegenheit, an zwei mächtigen Braunkohlenwerken vorüberzukommen, in denen die Kohlen im Tagebau gewonnen werden. Man sieht die mächtigen Flötze sich unmittelbar unter einer dünnen Lehmschicht dahinziehen. Mit welcher Leichtigkeit wird hier abgebaut, wo die ganzen Maschinenarbeiten und Schutzmaßregeln des Tiefbaues überflüssig werden. 1 Eines dieser Werke gehörte der Hartmannschen Aktiengesellschaft in Chemnitz. Wenige Tage zuvor hatte man in einem ähnlichen Werke in Ladowitz, das wir ebenfalls berührt, bei den Abgrabungsarbeiten einen versteinerten Eichenstamm von 160 Zentner Schwere gefunden.
Wir näherten uns dem Borschen immer mehr und bogen, als wir die uralte Stadt Bilin erreicht, noch vor dem „weithin sichtbaren, fensterreichen” fürstlich Lobkowitz’schen Schloß links die Straße nach Rádowesitz ab. Unser Plan war: durch das Deberschkenbachthal den sogenannten Fürstensteig zu wandern, wie der von uns benutzte neueste „Nordböhmische Touristenführer von Dr. F. Hantschel 2 angab. Da aber kein Wegweiser uns dorthin wies und mündliche Auskunft uns auf die Straße geführt hatte, so haben wir diese4n angeblich „reizenden Thalgrund” nicht zu sehen bekommen. Vielleicht treffen andere die Sache besser.
Nach einer Wanderung von 1¼ Stunde, währenddessen hinter dem Borschen und im Launer Gebiet das Wetter grollte, kamen wir nach dem alten freundlichen Pfarrdorfe Radowesitz, das einen sehr behäbigen Eindruck machte. Wir kehrten hungrig und durstig im ersten Gasthof ein, fanden aber später beim Weiterwandern, daß der zweite Gasthof (Gutsch) mit einer Auskunftsstelle des Teplitzer Gebirgs-Vereins wohl empfehlenswerter gewesen wäre. Nun führte der Weg durch Hettau<, das schon ziemlich hoch liegt. Nicht weit hinter dem Dorfe zeigte ein Wegweiser nach der „schönen Aussicht”, deren Holzbau wir schon von weitem hatten leuchten sehen. Der Aufstieg ist ziemlich steil. Der Höhenzug gehört schon zu der mächtigen Radelsteingruppe, die wir eigentlich an diesem Abende noch bezwingen wollten. Unser Weg sollte gemäß Angabe des Führers über den Steinberg nach dem Radelstein gehen, um von da nach Mukow hinabzuführen. Da uns aber der Weg als zu weit für den Abend und die Aussicht als vielfach durch Baumwuchs behindert geschildert wurde, ließen wir es bei dem Punkte der „schönen Aussicht” bewenden, die uns noch einmal die am selben Tage zurückgelegten Strecken überschauen ließ und einen schönen Überblick nach der Teplitzer Gegend, Ruine Kostenblatt und Milleschauergebiet bot. Von der „schönen Aussicht” führte der Weg noch ein Stück bergan und als wir an die Wasserscheide kamen, merkten wir, daß dort das Gewitter mächtig aufgetroffen war. Das abstürzende Wasser hatte die Wege aufgerissen und die an sich schon feuchten Hochwiesen noch feuchter gemacht. Nachdem wir so unfreiwillig Kneipp’sche Kur in Stiefeln gemacht, trafen wir oben einen hütenden Eingeborenen, der uns den nächsten Weg nach Mukow, dem gesetzten Endziel unseres Tagewerkes, wies. Freilich fügte er hinzu, dort würden wir wohl kaum übernachten können. Es gäbe zwei Schenken, aber auf Fremdenverkehr seien sie nicht eingerichtet. Er empfahl uns Rasitz; da das aber gerade unserer Wanderung entgegen lag, beschlossen wir einmütig, einen Sturm auf Mukow zu wagen. Und es gelang. Grüßte uns schon die saubere und für das kleine Dorf (50 Häuser) sehr stattliche Kirche freundlich beim Nahen, so fanden wir auch alsbald am Kirchplatze das Hauptvogel’sche Gasthaus, an dem eine Steintafel mit Goldschrift kündete, daß hier am 15. Oktober 1778 Joseph II. übernachtet habe. Wenn solche hohe Herren hier ihr Haupt zur Ruhe gelegt, dann nehmen wir auch fürlieb, hieß es, und so überschritten wir die Schwelle. Es dauerte eine Weile, bis die vielbeschäftigte Wirtin zur Stelle war. Sie machte uns keine großen Versprechungen; aus allem aber merkten wir, daß sie thun würde, was in ihren Kräften stand. Wir wurden eins, daß sie im Gastzimmer oder in der jenseits der Hausflur liegenden, als Tanzsaal dienenden großen Stube uns eine Strohschütte herrichten sollte. Nachdem wir der Wanderung Staub abgespült, setzten wir uns in das Gastzimmer, labten uns an Biliner Bier und stimmten aus Freude über den gelungenen 1. Tag ein vierstimmiges Lied an. „Brüder reicht die Hand zum Bunde!” klang es einladend hinaus in die Abendstille. Und gar bald that sich die Thüre auf, und der Herr Lehrer des Ortes trat mit herzlichem Gruße ein. „Das treue deutsche Herz” und andere deutsche Klänge lockten bald noch andere Herrn herbei; unter anderen begrüßte uns der Vorsitzende des Gebirgsvereines zu Mukow. Alle Achtung! Wenn wir es im Erzgebirge erst so weit gebracht hätten, daß derartige kleine Ortschaften Zweigvereine für unsere Sache erhielten, dann stände es gut! Bei uns thun aber sogar alte, reiche und große Städte wie Freiberg nicht mit. Die Gebirgsvereine haben dort auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Man erzählte uns, daß die Herrschaft (der Adel Böhmens zeichnet sich zum Teil in jeder Beziehung unliebsam aus) keine Wegezeichnung an den Bäumen wünsche. Jeder farbige Strich wird alsbald überteert. Nun, dann gelten eben Teerstriche als Wegweiser! — Die Unterhaltung war bald in bestem Gange. Der Lehrer, der dicht an Sachsens Grenze gesessen, kannte Sachsen und Böhmen gleich gut, und gab uns alle nur gewünschte Auskunft. Besonders bewunderten wir seine und der Anwesenden reiche geologische Kenntnisse. Auch die nationalen Verhältnisse wurden gestreift, und mit Stolz bekannten die Herren, in einem rein deutschen Dorfe zu wohnen. Es wurde Mitternacht. Immer noch wurde ein Lied gesungen, und das bekannte letzte Glas getrunken. Da meldete der Wirt: das Faß ist leer! Nun suchten wir unsere Streu auf, nachdem wir aus dem Munde des Lehrers noch die freundliche Zusage erhalten, daß er uns am nächsten Morgen 6 Uhr nach dem spitzen Wostrai selbst führen wollte. Die Wirtin hatte die Lager, so gut es anging, mit Tüchern und Betten ausgestattet und bald ward es stille im Tanzsaale. Um 5 Uhr des anderen Tages ward aufgestanden. Die Wirtin bereitete den Kaffee, unser Beutelverwalter übernahm den Ausgleich der ganzen Zeche (es kam auf den Mann für Übernachten, Abendbrot: Eier, Butter, Brot und Käse, — Kaffee mit Brot: 47½ Kreuzer). Da stellte sich auch schon unser liebenswürdiger Führer ein, und in herrlicher Morgenfrische gings hinaus nach einem herzlichen: Behüt‘ Gott und auf Wiedersehen! an die freundlichen Wirtsleute. Wir kamen an dem altem Prokopibrunnen vorbei, zu dem früher viel gewallfahrtet worden war, daher die große Ortskirche, — und dann wies ein Wegweiser hinüber nach dem Wald. Der Weg ist ohne kundigen Führer nicht leicht zu finden. So aber waren wir in einer halben Stunde auf dem spitzen Wostrai (171 m) angekommen. Die Aussicht war herrlich. Zwar waren die weitentfernten Höhenzüge etwas in Nebel gehüllt. Das Mittelgebirge aber und das Erzgebirge lag um so schöner vor uns. Nur der um 33 m höhere Radelstein deckt die Aussicht nach der Teplitzer Gegend, sonst aber hat man einen köstlichen Blick von diesem grotesk geformten Basaltkegel, von dem Hantschel sagt: „er ist der höchste Berg dieser Gegend und gleichsam der Schlußstein des gesamten Mittelgebirges im Südwesten, mit einem herrlichen, fast überwältigenden Überblick über dasselbe, sowie übers Egerthal bei Laun”. Doch weiter gings der Fahrt. Unser werter Wegzeiger wandte sich heim, um seine Kinder in den Wissenschaften zu fördern, und unser herzlichster Dank begleitete ihn. Wir wendeten uns östlich, durchschritten die kleinen Ortschaften Drewce und Skalitz. Vor letzterer Ortschaft kreuzten wir zum ersten Male den Modelbach, der am Radelstein entspringt, gingen am Netluker Forsthause vorbei und kamen auf einem uns in Skalitz gewiesenen Wiesenwege bald in die Nähe von Diakowa. Vorher aber bogen wir nach Westen ab, um die steile Basaltklippe mit der Ruine Hradek zu ersteigen. An die Bäume geknüpfte Strohseile zeigen den Aufstieg. Die Anstrengungen lohnt der Ausblick reichlich. Sieht man doch von hier aus allein 15 Burgruinen. Und wie groß ist die Zahl der oft genau pyramidenförmig sich erhebenden Basaltkegel, die rings aus der Ebene emportauchen. Die Burg selbst ist nicht groß gewesen. Gewiß ein richtiges Raubnest. Man trifft zuerst noch auf die Überbleibsel des starken, an einen mächtigen Basaltblock angelehnten Thorturmes und von da steil aufwärts die Gemäuer der eigentlichen Burg. Sie hat nie eine große Rolle gespielt. erst in den Hussitenkriegen wird sie genannt, und 1612 ist sie bereits verödet. 3 Woltarschik, so ist der frühere Burgname, ist nicht zerstört worden, sondern wurde von den Besitzern verlassen. Die alten starken Basaltmauern aber werden noch manch Jahrhundert ins Land hinausschauen und Wanderer anlocken, die dort die herrliche und eigenartige Aussicht genießen.
Schneller als wir heraufgeklettert, gings thalwärts, und bald war das freundliche, im hellen Sonnenglanze liegende Diakowa erreicht. Das Dörfchen hat kein Wirtshaus. Aber gleich links am Eingange bot uns ein schmuck vorgerichtetes Häuschen freundliche Unterkunft, und ein Trunk gute Milch mit einem Imbiß schwarzen Brotes mundete vortrefflich. Auch hier waren die Leute von einnehmender Liebenswürdigkeit. Die jungverheiratete Frau ließ es sich nicht nehmen, die Milch in ihren neuen gemalten Porzellan-„Häferln” auf ebensolchen Tellern zu reichen. Der nächste Ort, nach dem wir uns weisen ließen, war Chrasnai. Hier winkte aus Nordosten der wie ein großes Ausrufezeichen emporragende, 19 m hohe und mit 4 m dicken Mauern versehene Turm der Ruine Skalken, die man von Watislaw aus leicht erreicht; wir zogen aber vor, uns diese kleinere Erhebung von unten aus anzusehen, da im Südosten uns die großartige Ruine Kostial mächtig lockte. So gingen wir geraden Wegs nach Teplai. Dort tranken wir von der 1710 entdeckten eisenhaltigen Quelle, über die eine Wallfahrtkapellr erbaut ist, wandten uns links über die Brücke und begannen im Sonnenbrand den Aufstieg. Aber — böse Beispiele verderben gute Sitten — unser Vordermann meinte: wozu auf geebneten Wegen sich um den Berg herum schlängeln? — und versuchte die Burg durch geradlinigen Aufstieg zu erstürmen, und die andern folgten. Es gelang, aber zur Warnung sei’s hier hergesetzt: jeder Tropfen Schweiß war eine Anklage unseres Ungestüms. Ermattet lagerten wir uns erst eine Zeit lang am Fuße der Burg, und erst, als das Herz wieder ruhiger schlug, stiegen wir hinan zu den Trümmern von Kostial (488 m). Die Sage erzählt, daß Koschal, der eine Verwandte Libussas zur Frau hatte, 747 die Burg erbaut habe. Geschichtlich ist, daß sie später eine königliche Burg war und es blieb bis in die Zeiten der Hussitenkriege, in denen sie 1422 vergeblich belagert wurde. Die Burg war in diesen Zeiten von königlichen Burggrafen bewohnt. Von einem solchen: Burggraf Albrecht von Slawietin erzählt die Sage, 4 daß einst bei einem heftigen Gewitter der Blitz ihm und seiner Gemahlin in die langen, aufwärts gebogenen und wohl mit Metall versehenen Spitzen der Schuhe gefahren sei, ohne sonstigen Leibesschaden zu bewirken. Die Beiden waren durch diesen Blitzschlag aber so erschreckt, daß sie sich von Stund‘ an weigerten, die Burg ferner zu bewohnen. —
Später kam sie in den Besitz derer von Sulewitz. Wegen der unbequemen Lage wurde die Veste verlassen und verfiel. Am Wege hinauf trifft man noch Reste der alten Ringmauern, ebensolche oben um den Burghof. Von den Gebäuden ist die Krönung des höchsten Gipfel noch leidlich erhalten, so daß man die Überreste weithin ins Land leuchten sieht. Die Aussicht ist wiederum äußerst lohnend. Nach Norden und Westen breitet sich das Mittelgebirge aus, und abermals grüßt der Riese Milleschauer mit seinen freundlichen Gebäuden herüber. Wir schauen im Osten dann das Elbthal und können den blauen, im Sonnenlicht glitzernden Fluß-Streifen in mannigfachen Windungen vor Lobositz verfolgen. Im Hintergrund tauchen der Bösig (bei Hirschberg) und der Jeschken auf. Im Süden hebt sich aus der weiten Ebene die Hasenburg heraus, und links davor der Georgsberg bei Raudnitz, dessen weißleuchtende Kapelle weithin sichtbar ist. So wechseln Gebirge und Ebene eigenartig ab und geben dem ganzen Landschaftsbilde einen besonderen Reiz, der jedem Empfänglichen unvergeßlich bleibt. Wie thut ein solcher Blick in dies gesegnete Böhmerland wohl! Ist’s nicht ein großer Garten, der sich da zu unseren Füßen hinstreckt? Obstbaum an Obstbaum, selbst die Felder und Wiesen sind mit unzähligen Reihen von Fruchtbäumen bepflanzt. Und was für ein Getreide wuchs selbst unter dem Gezweige der Bäume noch. Wir maßen willkürlich gepflückte Ähren und fanden, daß 2¼ Meter kaum reichten. Und das in den ersten Tagen des Juni! Und wie saftig und kraftstrotzend die Wiesen! Selbst an den Wegrändern wuchs mehr und besseres Futter, als bei uns auf den gepflegtesten Wiesen. Und dies Land, dies friedlich zu unsern Füßen im Sonnenschimmer liegende Land, ist Kampfgebiet! denn hier singt der Deutschböhme:
Wie der Wellen Geschwätz im blumigen Bache,
So klingt mir die freundliche Muttersprache.
Sie mahnt an den Frühling des Lebens so mild
Und wecket im Herzen sein freundliches Bild.
Drum hör‘ ich gar gerne ihr trauliches Wort,
Es mahnet so sanft an den heimischen Ort. 5
Und der Czeche singt in seinem Liede: Kde domow muj, kde vlast je mà?:
Wo ist mein Haus,
Wo ist mein Heim?
Wasser rieselt über Wiesen,
Bächlein schäumt von Felsenriesen,
Gärten stehn in Frühlingsblüten,
’s ist ein Paradies hinieden –
Und das ist das schöne Land,
Böhmerland, mein Heimatland! 6
Wir sollten gar bald eine Stätte heißen Streites betreten. Nachdem wir von Kostial Abschied genommen, stiegen wir hinab in das zu seinen Füßen liegende Städtchen Trebnitz, nachdem wir zuvor in der Weinkellerei des Grafen Karl Schönborn eine Flasche guten, aber für Böhmen auch sehr teuern Wein getrunken hatten. Trebnitz ist eine uralte Stadt. Hantschel berichtet darüber, daß es schon 1299 die ersten Privilegien erhielt. Es ist Geburtsort des berühmten Kgl. sächs. Hofbildhauers Franz Johann Pettrich, geb. den 29. August 1770, der als Professor der Kunstakademie 1844 in Dresden starb. Er widmete seiner Vaterstadt ein sehr schönes Kruzifix für die Friedhofkapelle.
Sobald man an die ersten Häuser kommt, merkt man: hier befindet man sich an der Sprachgrenze. Die Aufschriften über den Läden sind entweder czechisch oder deutsch, selten gemischtsprachig. Den uns begegnenden Czechen sah man am finsteren oder höhnischen Blick ihre Neigung zum Nemec, d. h. Deutschen an (wie Ohorn a. a. O. sagt: „eigentl. „Stummer”, denn einer czechischen Suada gegenüber muß der Deutsche verstummen”). Bei unserm nachmittaglichen Ausflug mußten wir uns auch noch andere Bezeugungen des czechischen Unwillens über unsere deutsche Einwanderung gefallen lassen. Da sie aber hinter unserem Rücken geschahen, beachteten wir sie nicht. Es ist der Ärger der Herren Czechen auch sehr begreiflich. Trebnitz hat ungefähr 1500 Einwohner, 900 Czechen und 600 Deutsche. Bis Ende der sechziger Jahre war die Stadt noch eine deutsche. Dann kam die Cholera-Epidemie 1866, raffte viele der besten Deutschen hinweg, auch den Gemeindearzt Dr. Mann. An seine Stelle kam ein ausgesprochener Czechisierer Dr. Parzick. Er machte eine Gründung nach der andern, czechische Schule (nur zwei Klassen blieben deutsch), Beseda (Vereinshaus), Zalosna (Vorschußkasse), Sokol (Turnverein) u. s. w. und wußte die Unentschiedenheit der Deutschen sehr gut in den Dienst dieser deutschfeindlichen Sache zu stellen. 1888 krönte er sein Werk, indem er sich zum Bürgermeister wählen ließ. Nun wurde die Amtssprache czechisch, und sein Druck ging so weit, daß die Ergebnisse der Volkszählung zu Gunsten der Czechen gepreßt wurden. Nun war Trebnitz czechische Stadt, denn Rat, Schule, Kirche (der 1878 gestorbene deutsche Dechant wurde durch einen eifernden Czechen ersetzt) waren in czechischen Händen. Damit war das Modelthal und ein Teil des Nordens Böhmens verloren. Da mit einem Male — „welch‘ eine Wendung durch Gottes Fügung!” — (1889) kommt ein junger Arzt Dr. Josef Titta nach Trebnitz. Schon auf der Universität hat er sich mit den deutschen Kämpfen gegen sie Slaven bekannt gemacht. Er bringt alles mit, was man von einem Retter in der Not verlangen kann, ein feuriges Herz und deutsches Wissen, begeisterte Liebe zu seinem Volke, Zähigkeit im Erringen und Festhalten des Zieles, dabei ruhige Überlegtheit und gewinnende Schlichtheit. Schritt für Schritt errang er Boden zurück. Es ist hier nicht der Platz, um alle Maßnahmen zu schildern, die er zum Wohle seiner Landsleute durchsetzte. Man lese, was darüber der Kenner dieser Verhältnisse, Karl Pröll in seinem Aufsatz „ein deutsches Numantia in Böhmen” (in „Unsere Vorposten”, Verlag der Dresdener Ortsgruppe des allgem. deutschen Schulvereins) geschrieben hat. Sein Hauptwerk ist die Gründung des Vereins Germania, der in der ganzen Welt Mitglieder zählt, darunter auch zwei sächsische Minister. Alle Errungenschaften: der deutsche Kindergarten, die Spar- und Vorschußkasse, der Turnverein, das Wiederaufblühen der deutschen Schule, und zuletzt die Erwerbung eines „deutschen Hauses”, das als fester Stützpunkt alle Deutschgesinnten einen sollte, sind der Germania und ihrem Leiter zu danken.
Kurz vor 1 Uhr mittag zogen wir im „Deutschen Hause” ein. Unsere Zimmer waren bereits vorgerichtet, denn wir hatten uns postkärtlich angemeldet. Dr. Titta hatte jede gewünschte Auskunft uns im Voraus schon zukommen lassen. Das gemütliche Gastzimmer, sauber und heimisch, geziert mit den Bildern deutscher Männer, die sich im Kampfe besonders verdient gemacht haben, macht einen wohlthuenden Eindruck. Nach einem schmackhaften Mittagsmahl wurde gelesen — es standen zahlreiche Zeitungen, Zeitschriften und auch touristische Werke zur Verfügung, — oder auch ausgeruht, bez. gebadet. Da es sehr heiß war, brach man erst nach 5 Uhr zum Nachmittagsausflug auf. Er führte uns in reinczechische Gegenden: etwaige Auskunft wurde uns stets mit derselben Antwort „nerozumim” (ich verstehe nicht) verweigert.
(Schluß folgt.)
(Schluß.)
Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 15. Jg. Nr. 9, v. September 1895, S. 117 – 120.
Wir wanderten nach Süden zu durch Chodolitz und links im Beginne des Dorfes Klappai über den Hasenburger Hof nach der Ruine Hasenburg. Bei unserer ganzen Wanderung hatten wir den mächtigen, aus der Ebene steil aufsteigenden Basaltkegel (417 m) schon vor uns gesehen. Die alte Burg hat sich in einer Länge von 221 m auf dem ganzen Kamme ausgedehnt. Jetzt trifft man zuerst auf unbedeutende Burgthorreste und oben auf die noch gut erhaltenen beiden riesigen Türme. Der erste Turm gleich am Eingang ist rund, von Basalt gebaut, 25 m hoch und der schwarze Turm genannt, der andere auf der Kuppe erbaute Turm ist von Sandstein, 30 m hoch und heißt der weiße Turm. Der Überlieferung nach sollen die Brüder Kostialow 754 hier eine hölzerne Burg Klapay erbaut haben, die aber sehr bald bei einem Einfall der Meißner zerstört worden sei. Dann baute 874 ein Wladike Lew eine steinerne Burg; dies Raubritternest zerstörte ein Herzog von Prag. Wiederaufgebaut kam sie an verschiedene Besitzer, bis endlich 1336 die Hasenburger, dasGeschlecht, das oft mit gewaltiger Hand in die Geschichte Böhmens eingriff, sie erwarben. 1431 zerstörten sie die Hussiten, 1558 kam sie an das Haus von Lobkowitz. Nach neuesten Forschungen ist sie wahrscheinlich 1241 von Saul, dem Sohne Heinrichs von Zittau angelegt worden. Im Jahre 1888 hat man die Türme ausgebessert, um dem Zahne der Zeit, der sich selbst an diese riesigen, erzharten Basaltmauern macht, zu wehren. Bei unserem Nahen flogen aus dem schwarzen Turme Hunderte von kreischenden Dohlen auf, die den Berggipfel unaufhörlich umkreisten.
Wir hatten eine herrliche Abendaussicht. Da lag es vor uns das ganze vielgestaltige Mittelgebirge mit dem Elb- und Egerthale und noch einmal grüßten wir scheidend die Höhen, die wir in der Tageswanderung bestiegen. Beim Auf- und Abstieg bewunderten wir die herrlichen Basaltgebilde, die hier besonders an der Westseite in mächtigen Säulen zu Tage treten. In frischer Abendkühle zogen wir die Straße nach Trebnitz zurück, deutsche Lieder singend, die auch hier im Czechischen recht gut klangen. Nach 9 Uhr langten wir wieder im Deutschen Hause an, wo Dr. Titta uns bewillkommnete. Wir nahmen unser Abendbrot in dem mit Kastanien bewachsenen Garten ein, wo wir eine große Zahl Deutscher aus der Stadt und Umgegend antrafen, die teils Kegel spielten, teils in der schönen Turnhalle die Körperkraft stählten. Als es kühler wurde, schloß sich die Tafelrunde im Zimmer, und hier verlebten wir etliche schöne Stunden. Besonders interessant war es uns, daß Dr. Titta uns in zuvorkommendster Weise über die deutschen Verhältnisse aufklärte. Dazwischen erklangen deutsche Lieder und ein köstliches, leichtes, böhmisches Bier netzte den Gaumen. Es war 1 Uhr geworden, als wir uns endlich mit dankbarem Handschlag trennten, um unsere Ruhestatt aufzusuchen.
Sonnig und schön brach der dritte Tag an. Um 7 Uhr sagten wir dem lieblichen Trebnitz ade. Nur ungern verließen wir das „Dornröschen des böhmischen Mittelgebirges”, wie A. Ohorn1) das Modelthal nennt. Kostial und Hasenburg gaben uns lang das Geleite, und immer wieder schauten wir rückwärts in das herrliche Landschaftsbild. Unser Weg führte uns an riesigen Feldern vorbei durch Sullowitz in 1½ Stunde nach Lobositz. Eine vor der Stadt angebrachte Tafel macht auf die hier am 1. Oktober 1756 gelieferte Schlacht aufmerksam, in der Friedrich der Große von Sachsen kommend die Oesterreicher besiegte, wobei besonders das Dorf Sullowitz schwer zu leiden hatte.
1) Wir weisen an dieser Stelle besonders auf den Absatz „Im böhmischen Paradiese” hin, den der genannte Verfasser in der vorzüglich geleiteten Zeitschrift „Aus deutschen Bergen” 1895, No. 4 – 6 veröffentlicht hat.
Die Stadt Lobositz (4.300 Einw.) macht einen sehr freundlichen und geschäftigen Eindruck. Es mangelte uns an Zeit, die Sehenswürdigkeiten näher in Augenschein zu nehmen, darum begaben wir uns, nachdem wir einen Blick in die Wenzelskirche gethan, an den Strand der Elbe herunter, wo wir in der Restauration „zur Ueberfuhr” des Fürsten Schwarzenberg, mit ursprünglich hübschen Gartenanlagen und Aussichtspunkten, jetzt aber verwildert, eine kurze Rast machten. Kurz vor 9 Uhr kam das Schiff von Leitmeritz. Wir bestiegen es zu einer, wenn auch nicht langen, so doch überaus wechselreichen und interessante Thalfahrt. Die Elbe macht bis Aussig viele Wendungen, sie zwängt sich ordentlich durch die rechts und links bis ans Ufer herantretenden Felsen hindurch. Die Höhen links sind die östlichen Ausläufer des Mittelgebirges, die zur Rechten gehören dem Elbgebirge an. Es würde zu weit führen, wollten wir alle Ortschaften und Basalt- und Klingsteinberge, die man auf der Fahrt berührt, namhaft machen. Nur auf etliches sei hingewiesen. Einen besonders schönen Anblick gewährt die Elbe bei Salesel. Rings von Felsen eingeschlossen, das Strombett erweiternd, liegt sie vor uns wie ein Alpensee, im Hintergrunde steigen Aarhorst und Matrai auf. Vor dem Matrai mündet nahe bei Wannow die Rittinaschlucht, hinter dem Lerchenberge die Prutschelschlucht. Diese bewaldeten, wilden Thäler thun dem Auge wohl, denn einen solchen Anblick hat man im Mittelgebirge entbehren müssen. Nicht lange mehr dauert es, und die Ruine Schreckenstein taucht am rechten Ufer auf. Vor meinem geistigen Auge stand das köstliche Bild Ludwig Richters, das die Dresdner Bildergalerie birgt. Ein anderer Reisegefährte hob die Ähnlichkeit mit dem Rheinthale zwischen Mainz und Coblenz hervor. Wir alle aber konnten uns nicht satt sehen an dieser schönstgelegenen und am vollständigsten erhaltenen Burgruine Böhmens, nur bedauernd, daß uns die Zeit fehlte, diese von Dichtern besungenen und von Malern verherrlichten Zeugen vergangener Tage zu besuchen. Ehe wir es gemerkt, waren wir in Aussig. Welch ein Treiben hier auf der Elbe! Hunderte von Zillen und Kähnen lagen da, um mit Braunkohlen beladen in die niederelbischen Gelände heimzukehren.
In Aussig hatten wir eine Stunde Zeit und begaben uns in die Stadt. Welch‘ ein Leben herrschte da! Die vor 50 Jahren noch unansehnliche Stadt hat sich zu einer der bedeutendsten Industriestädte Österreichs entwickelt. Ihr Verkehr übertrifft sogar den von Triest weit. Die Stadt macht einen sehr wohlhabenden und großstädtischen Eindruck, der der deutschen Stadtverwaltung zur hohen Ehre gereicht. Aussig ist zugleich für diesen Teil Nordböhmens der Mittelpunkt in nationaler und touristischer Hinsicht. Wir benutzten den kurzen Aufenthalt zu einem Gang durch die Stadt und zur Besichtigung der Stadtkirche, die einen unvergleichlichen Kunstschatz birgt. Es ist das Madonnenbild von Carlo Dolce († 1686) auf Kupfer gemalt. Als vor einer Reihe von Jahren ein Brand in der Kirche entstand, rutschten die Leute auf dem Bauch durch Glut und Rauch, um das Kleinod zu retten. Seitdem ist das kleine Bild in einem feuerfesten in die Mauer des Presbyteriums eingelassenen Schrank geborgen. Der Kirchner öffnet die Eisenthüre gern zur Besichtigung. Uns allen wird der Eindruck dieses Kunstwerkes unvergeßlich bleiben. Mit welcher Feinheit, mit welcher liebenden Hingebung bis ins Kleinste malten diese italienischen Meister! Welche Naturwahrheit erzielen sie dadurch, geeint mit der ungetrübtesten Schönheit! Wie schmierig kommen Einem dagegen die Werke unsers Realismus vor, bei denen die Farbenkleckse und Farbenberge ein Studium verlangen, bis man ein häßliches Menschengesicht darunter heraus findet. In welch geweihte reine Stimmung hatte uns das kleine Bild versetzt!
Doch es hieß die Schritte beflügeln. Denn um 11 Uhr 18 Minuten ging der Zug nach Komotau ab, wo wir ½2 Uhr anlangten. Die Fahrt über Türmitz, Teplitz, Dux, Brüx ist sehr interessant. Für uns war sie es doppelt, weil wir die Berge, die wir erstiegen, oder die wir auf unserer Wanderung von Süden aus gesehen, nun von Norden her schauten. In Komotau war kurzer Aufenthalt, und so begann der Zug ¾2 die Höhen des Erzgebirges, dessen Kamm wir vorher entlang gefahren, hinaufzuklettern. In Kupferberg stiegen wir aus, um nach Weipert zu Fuße zu wandern. Wir bestiegen den bekannten Kupferhübel, der vom Bahnhof aus leicht zu erreichen ist, ohne erst das Städtchen zu berühren. Es war schade, daß die Aussicht nicht so klar war als wir es uns gewünscht, um noch einmal die Punkte unserer Rundwanderung von der Höhe unseres Heimatgebirges aus grüßen zu können. Nach kurzer Erfrischung stiegen wir herab, um nach Schmiedeberg zu gehen. Da Wegweiser und Wegzeichnung so gut wie ganz fehlen, so achte man darauf, die Stadt Kupferberg links liegen zu lassen, um nicht den großen Umweg über Oberhals zu machen. Man hält sich rechts, überschreitet die Bahn und geht dann einen herrlichen Waldweg, der fast bis Schmiedeberg führt. Hier warfen wir einen kurzen Blick in die hübsche Kirche und gingen hinter derselben das Dorf schneidend den geraden Weg nach Weipert, der wiederum meist durch Wald führt. Diese Waldwege mit ihrem Schatten und köstlichen Harzduft, mit den lauschigen Bächen und ihren Thälern erfreuten uns doppelt, weil wir sie in Böhmen vermißt hatten. Rechtzeitig trafen wir in Weipert ein. Da der Weg uns an der früher genannten Weinstube wiederum vorüber führte, kehrten wir zu kurzer Rast ein und nahmen uns jeder eine Flasche Ruster mit auf den Weg. Es war uns ausdrücklich gesagt worden, daß geöffnete und angetrunkene Flaschen zollfrei seien. Als wir aber durch die deutsche Zollstätte hindurch gingen und aus unsern Weinvorräten durchaus kein Hehl machten, mußten wir einen Teil davon verzollen. Es war immer noch gut, daß die langen Gesichter, die wir machten, zollfrei waren, denn das wäre sonst eine schöne Rechnung geworden! Aber gerade dieser Abschluß in Böhmen, der mit unserer Rechnung nicht stimmte, machte uns hinterher viel Spaß. Er sei hierher gesetzt zur Warnung: exempla docent.
Und nun trug uns das Dampfroß eiligst der Heimat zu. In Annaberg harrte bereits der Zug nach Schönfeld, daselbst der nach Geyer, wo wir ½11 Uhr ankamen. Auf dem Markte stand unser Omnibus, der uns in köstlicher Mondnacht heimbrachte durch den Geyerschen Wald.
Ohne jeden Mißklang, begünstigt von schönem Wetter war unser Ausflug planmäßig verlaufen. So oft zwei von der kleinen Gesellschaft zusammen treffen, versenken sie sich in Reiseerinnerungen. — Warum ich das alles so ausführlich geschildert habe? Weil ich die stille Hoffnung hege, daß meine Zeilen anderen zum Führer dienen mögen. Uns hatte ein liebliches Bild von Trebnitz in einer Beschreibung des Modelthales zur Reise veranlaßt. Vielleicht helfen diese schlichten Worte dazu eine rege Verbindung zwischen dem Erzgebirge und dem Mittelgebirge zu Stande zu bringen. Diese beiden Stücke Erde ergänzen sich wunderbar. Darum auf, liebe Landsleute, ins Mittelgebirge; von allen Teilen unseres Erzgebirges ist es zu erreichen. Ein großes Stück begleitet uns unser Führer, der „Berlet”, weiterhin leitet uns der „Hantschel”. Glück auf zur Reise! Und das eine wollen wir nicht vergessen! Jeder Besuch, der dem bedrängten deutschen Boden an der Sprachgrenze abgestattet wird, ist eine Stärkung des Volksbewußtseins der dortigen Stammesbrüder, eine Unterstützung ihrer guten Sache im Kampfe gegen czechischen Übermut. Denn wir wollen nicht bloß mit singen, sondern auch den Sang in Thaten umsetzen, wenn des Dichters Stimme ruft:
„Stehet fest, ihr Brüder draußen,
Ob auch alles wankt und bricht,
Ob auch wild die Stürme brausen,
Deutsche Treue läßt Euch nicht.
Trennt uns auch die weite Ferne,
Knüpft uns doch ein einig Band,
Und es leuchten Gottes Sterne
Auch in Eurem schönen Land!”
(W. Börker.)
- Freilich ists auch ein ganz unverantwortlicher Raubbau, den man treibt. Die Brüxer Ereignisse der letzten Tage hängen damit wohl unzweifelhaft zusammen. ↩︎
- Besprochen in der Juni-Nummer des diesjährigen Glückauf S. 22. Das Buch hat sich als vorzüglicher Ratgeber erwiesen und ist jedem Wanderer, der Nordböhmen besucht, zu empfehlen. ↩︎
- Heber, Böhmens Burgen Bd. 4, 237, wo auch über die nachgenannten Ruinen zu finden ist. ↩︎
- Sie wird neuerdings erzählt in dem wirklich empfehlenswerten Buche: Ein deutsches Buch aus Böhmen, von A. Pandler, mit Originalzeichnungen von O. Pfennigwerth (Seminaroberlehrer in Dresden), 3 Bände. 1895 in Leipa (III, S. 4). ↩︎
- Diese Verse sind von dem böhmischen „Röder”, Schulrat und Stadtdechant A Jarisch (Komotau), der diese Worte als Vorrede zu seiner Sammlung mundartlicher Lieder „Heimatklänge” vorausschickt. ↩︎
- Übersetzt von Anton Ohorn in „Wanderungen in Böhmen”, S. 5 ↩︎