Die neuen geologischen Karten des Erzgebirgs.

Von Dr. Köhler.

Unentbehrliche Hilfsmittel der Touristik sind gute Karten. Dieselben sind aber auch weiter eine nicht zu missende Unterlage bei dem Unterrichte in der Heimats- und Vaterlandskunde. Wenn nun der Erzgebirgsverein einerseits ein touristischer, andererseits aber auch ein Verein ist, welcher die wissenschaftliche Kenntnis seines Gebietes fördern und damit die Liebe zum vaterländischen Boden pflegen soll, dann fällt ihm zugleich die Aufgabe zu, von den Kartenwerken seines Gebietes nicht bloß Notiz zu nehmen, sondern insbesondere auch weitere Kreise darauf aufmerksam zu machen, resp. deren Anschaffung warm zu empfehlen.

In Kürze mag zunächst darauf hingewiesen werden, daß von der auf Veranlassung des Königl. Finanzministeriums unter Direktion von Oberst Vollborn im topographischen Büreau des K. Generalstabs bearbeiteten topographischen Karte unsers Vaterlandes bereits der größte Teil der unser Vereinsgebiet, also das eigentliche Erzgebirge mit dem erzgebirgischen Becken und dem oberen Vogtlande umfassenden Sektionen fertig vorliegt. Diese topographischen Kartenblätter im Maßstabe von 1 : 25000, mit ihren horizontalen Höhenlinien (sogenannten Äquidistanten), auf welchen man von 10 zu 10 Metern die absolute Höhe ablesen kann, dienen nur zur Grundlage für die neuen unter Leitung des Oberbergrat Prof. Dr. Credner in Leipzig bearbeiteten geologischen Karten, auf deren Wichtigkeit für die Vaterlandskunde und deren Nützlichkeit auch für Touristen zunächst kurz hingewiesen werden soll. Ich will dabei hier nicht weiter berühren, wie selbstverständlich gute geologische Karten nicht nur für den Fachmann, d. h. den Geologen und in gewisser Hinsicht auch Mineralogen da sind, sondern wie dieselben auch von unschätzbarem Vorteile für Land- und Forstwirte, sowie verschiedene Industrielle werden müssen.

Die Vaterlandskunde, welche ich in erster Linie ins Auge fasse, besteht doch gewiß nicht allein aus dem Namhaftmachen von Gebirgszügen, Bergen und Flüssen, dem Aufzählen von Ortschaften mit ihren Sehenswürdigkeiten und historischen Erinnerungen, aus der Angabe der in einer Gegend vorherrschend vertretenen Industriezweige und anderem mehr, was wir ja in jedem Handbuche der Vaterlandskunde finden, sondern ihr ist ganz besonders auch eine Darstellung der Gesteins- und Bodenverhältnisse zuzuweisen. Wenn diese Darstellung bei der Behandlung des gesamten Vaterlandes auch nur in großen Zügen gegeben werden kann, so wird dafür in der Heimatkunde da und dort vielleicht noch etwas spezieller auf die Gesteinsarten eingegangen werden können, welche die nächsten Berge und Hügel bilden und die als Material für die Häuser und das Pflaster des Wohnortes benutzt werden. Eine geologische Karte der Umgebung nun wird es dem Lehrer möglich machen, das Wichtigste daraus zum Verständnisse seiner Schüler zu bringen und er wird mit Hilfe dieser Karte sich auch Anschauungsstoffe für eine Schulsammlung, die zugleich dem naturkundlichen Unterrichte dienen wird, leicht zusammentragen. Schulvorstände gehobenerer Volksschulen sollten demnach die ja nur geringen Mittel bewilligen, damit die ihrer Fürsorge anvertrauten Anstalten in den Besitz der geologischen Karten des Bezirks gelangten. Bei den höheren Anstalten sehe ich derartige Erwerbungen für etwas ganz selbstverständliches an.

Was nun die Touristen anlangt, und ganz besonders hier diejenigen, welche jetzt unserm Erzgebirge ihre Beachtung schenken, so ist es mir unbegreiflich, wie dieselben auf ihren Wanderungen noch vielfach Karten benutzen, welche sie fort und fort im Stichelassen, die sie z. B. nur höchst unvollkommen über die einzuschlagenden Wege orientieren. Wie wenig habe ich während meiner vielen Wanderungen durch unser heimatliches Gebirge, welche mich doch mit zahlreichen Vergnügungsreisenden in Berührung brachten, bei letzteren unsere neue topographischen Karten gefunden, und nicht ein einzigesmal ist es mir vorgekommen, daß ich bei einem der Land und Leute kennen lernen wollenden Wanderer im Erzgebirge eine Sektionskarte fand. Und doch besitzen wir deren bereits eine größere Anzahl, wie ich später darlegen werde.

Der rechte Tourist will Land und Leute kennen lernen, die Touristik ist eine Wanderkunst, deren Zweck nur zum Teil in dem Auffassen von Rundsichten und der Betrachtung von Berg- und Felsgruppen besteht, die sich nicht damit begnügt, täglich eine gewisse Marschroute zur Kräftigung des Körpers zurückgelegt zu haben; nein, die Touristik ist die verständnisvolle Reisekunst, bei welcher neben der Erheiterung des Gemüts auch Beobachtungen gemacht, Erfahrungen gesammelt und die mannichfachsten Kenntnisse erworben werden. Sollten nun die geologischen Karten, welche bereits einen Teil unsers Vereinsgebietes zur Darstellung bringen, nicht in mehr als einer Hinsicht geeignet sein, uns eine Summe solcher Kenntnisse zu vermitteln? Wir werden durch sie auf den Wechsel der Grundgesteine, auf Gänge, die ältere und jüngere Thätigkeit des Wassers in den Thälern und noch auf viel anderes aufmerksam gemacht, wir lernen damit die Ackerkrume besser beurteilen, bringen mit den Bodenverhältnissen die Vegetation in Verbindung und ziehen von den einen auf die andere Schlüsse, wir finden in dem Auftreten gewisser Mineralien den Ursprung für das Heimischwerden einer bestimmten Industrie, und so führt uns eine geologische Karte recht eigentlich in die Landschaft ein, deren Eigentümlichkeiten wir auf einer Fußwanderung kennen lernen wollen.

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen, welche es in der Kürze begründen sollten, mit welchem Rechte die Besprechung geologischer Karten auch in unser Vereinsorgan gehört, mögen zunächst diejenigen unser Vereinsgebiet betreffenden Sektionen der geologischen Karte genannt werden, welche bereits fertig gestellt wurden. Es sind dies aus dem eigentlichen Erzgebirge und erzgebirgischen Becken Annaberg, Elterlein, Marienberg, Geyer, Zschopau, Lößnitz, Burkhardtsdorf, Chemnitz, Schellenberg/Flöha, Stollberg-Lugau, Zwickau und Lichtenstein, woran sich noch aus dem von den Geologen vom Erzgebirge getrennten Mittel- oder Granulitgebirge die Sektionen Glauchau, Frankenberg und Hohenstein, als von uns mit beanspruchten Gebieten, in denen zum Teil ja auch die Erzgebirgsvereins-Bestrebungen festen Boden gewonnen haben, anschließen mögen. Jedes Sektionsblatt mit den dazu gehörigen Erläuterungen kostet 3 Mk., und ist nicht nur durch die Kommissionsbuchhandlung von Engelmann in Leipzig, sondern auch durch jede andere Buchhandlung zu beziehen. Übersichtsblätter und Prospekte der geologischen Karte finden sich u. a. in den Buchhandlungen zu Annaberg (H. Graser), Chemnitz (C. Brunner), Freiberg (Graz und Gerlach), Zwickau (Richter), Glauchau (C. Burow), Plauen (Neupert) und Dresden (C. Höckner), wo zugleich auch Lager von sämtlichen erschienenen Sektionen errichtet worden sind. Jedes Kartenblatt ist mit einem oder mehreren Randprofilen, sowie mit selbständigen Farbenerklärungen versehen. Die erläuternden Texte sind 2 bis 3 Bogen stark und enthalten zum Teil Illustrationen in Holzschnitt und Steindruck. Hoffentlich erden den genannten Karten sehr bald auch noch die bereits in Aufnahme befindlichen von Zöblitz, Wiesenthal, Schwarzenberg, Schneeberg, Eibenstock, Auerbach und Kirchberg folgen.

Nachdem ich die Aufmerksamkeit der Freunde unsers Gebirgs im allgemeinen auf das in vorzüglicher Ausstattung von Giesecke und Devrient in Leipzig hergestellte neue geologische Kartenwerk hingelenkt habe, werde ich in einem späteren Artikel die einzelnen Sektionen selbst einer kurzen Besprechung unterziehen.

Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 2. Jg. No. 1, v. 15. Januar 1882, S. 1 – 3.