Noch einmal Industrie für Touristenandenken

Das vielfache Interesse, welches dem kurzen Artikel in No. 3 dieses Bl. über Schaffung einer erzgebirgischen Industrie für Touristenandenken entgegengebracht wurde, läßt mich auf Verwirklichung der ausgesprochenen Wünsche und Erweiterung meiner Anregungen hoffen. Ich halte es zunächst für angemessen, hier das Wesentlichste aus zwei in dieser Angelegenheit an mich gerichteten Briefen mitzuteilen, da dieselben allen, welche der Sache praktisch nahe treten wollen, einige willkommene Fingerzeige geben.

Herr Louis Mosebach in Zwickau schreibt, daß sich ein Industriezweig, welcher dem gewünschten Zweck entsprechen soll, am leichtesten einführen wird, wenn die bezüglichen Gegenstände als geschmackvolle Kleinigkeiten erscheinen und dem Schmuck oder dem angenehmen Gebrauche dienen. Derselbe macht dabei auf die zum Teil sehr geschmackvollen sogenannten „Waldarbeiten“ aufmerksam, die von Damen in der Sommerfrische des Herrn Oberförster Gubner in Wildbach bei Schneeberg und im Bade Reiboldsgrün gefertigt worden sind, und welche aus Untersetzern für Lampen, Bilderrahmen, Kästchen für Schmuck, Cigarren, Handschuhe und dergl., ferner aus Konsolen für Büsten und Vasen bestehen. Es sind zu diesen Gegenständen, wenn ich es recht verstehe, jedenfalls hübsch berindete und passen gewachsene Aeste verschiedener Hölzer, Zapfenschuppen von Nadelbäumen, Bucheckern, Flechten u. s. w. verwendet worden, wie ich dies vor den Osterfeiertagen d. J. bei der Blumenausstellung der Gesellschaft Flora in Dresden, die auch von Erzeugnissen der Gebirgsindustrie aus der sächs. Schweiz beschickt war, und ebenso bei Herrn Buchhalter Nestler in Zelle bei Aue, auf dessen Arbeiten ich weiter unten zurückkomme, gesehen habe. Herr Mosebach macht weiter auf die recht erheblichen Fortschritte in der Spritzarbeit aufmerksam, zu welcher getrocknete Blumen und Blätter Verwendung finden. Das Sammeln und Trocknen der hierzu geeigneten Pflanzen ist aber, so schreibt mir derselbe, für den Großstädter nicht so bequem und will geübt sein. Unser Erzgebirge hat aber so viele schöne Gräser und Blätter für diesen Zweck, daß sich recht wohl aus dem Zusammenstellen kleiner Sortimente für Spritzarbeit ein Erwerb schaffen läßt. Ferner wird von Herrn Mosebach auf die weißblühende Heide, die in unserm Gebirge das Edelweiß der Alpen vertreten kann, hingewiesen; sie findet sich nicht zu häufig, aber reichlich genug, um zur Blütezeit als Sträußchen den Reisenden und Badegästen von kleinen gewandten Verkäuferinnen angeboten zu werden. Ich würde zu demselben Zwecke auch Kränzchen von Bärlapp, wie ich solche vor Jahren z. B. an manchen Plätzen auf dem Riesengebirge angeboten erhielt, von hübschen Moosen und Flechten mit eingestreuten Binsenmarkschleifen und rot- und weißblühenden Katzenpfötchen (Gnaphalium), ferner Lampenschirme mit eingelegten gepreßten Blumensträußchen unserer heimischen Flora, wie solche von der Gebirgsindustrie der sächs. Schweiz ganz reizend geliefert werden, empfehlen. Beherzigenswert sind endlich noch die Worte des Herrn Mosebach: „Wollten nun unsere Stickerinnen und Klöpplerinnen im Gebirge, die ja sonst so viel Geschmack an den Tag legen, in ihrer freien Zeit sich an solchen Sächelchen ein Vorbild nehmen, so würden sie nicht nur manchen Reisenden erfreuen, sondern auch einen recht guten Gewinn dabei machen können.“

Herr Buchhalter Nestler in Zelle, welcher selbst in seinen Mußestunden verschiedene, mit sogenannter Waldmosaik verzierte Gegenstände, wie Tabakskasten, Handschuh-, Näh- und Cigarrenkästchen, Zeitungsmappen, Bilder- und Photographierahmen, Scheerenhalter, Aschebecher, Blumentopfhüllen u. s. w. anfertigte, ist ebenfalls der Meinung, daß solche und ähnliche Artikel gern von Erzgebirgstouristen gekauft werden und dann einen nicht unwesentlichen Erwerbszweig für unser Gebirge bilden würden. Das Material dazu liefert der Wald zum allerbilligsten Preise, die Auslagen für Buchbinder- und Tischlerarbeiten, für den Fall der Verfertiger die letzteren nicht selbst erlernt hat, sind sehr mäßig, und mit etwas Leim und Lack und dem nötigen Geschick, Geschmack, nebst der bei allem Erlernen vorauszusetzenden Ausdauer werden sich manche einheimische Hände einen nicht zu verachtenden Nebengewinn verschaffen.

In manchem Menschen schlummert gewissermaßen die Anlage zur Fertigung von derartigen kleinen Arbeiten, wie ich sie hier meine; er würde vielleicht auf einen bessern Weg geführt werden, wenn man ihm auf irgend eine Weise dazu behülflich wäre, daß er diesen Weg findet. So sah ich z. B. unlängst einen hübschen Vogelbauer, welchen ein Mann im Schneeberger Amtsgerichtsgefängnisse mit dem Brotmesser aus fichtenem Brennholze geschnitzt und zusammengefügt hatte. —

Bereits in meinem ersten Artikel hatte ich die Aufmerksamkeit auch auf kleinere Mineraliensammlungen gelenkt; mir schwebten dabei die auf nette Weise zusammengestellten Sammlungen des Herrn Oskar Usbeck in Reichenbach vor.

Herr Mosebach erinnert dabei auch an den schönen weißen Marmor des Fürstenberges bei Schwarzenberg, aus dem man früher Eier und andere Nippsächelchen fertigte. Zur Zeit ist wohl dieser Marmorbruch gänzlich außer Betrieb; doch will ich dabei an den Wildenfelser und Grünhainer Kalk resp. Marmor erinnern, von dem früher kleine, verschiedenfarbige und auf einer Seite angeschliffene Täfelchen verkauft wurden. Will sich Niemand an den genannten und andern Orten, z. B. in Crottendorf u. s. w. von neuem dieser Arbeit unterziehen? Derartige Marmortäfelchen würden gewiß ebenso, wie die vom Zöblitzer Serpentin von Touristen gern gekauft werden. Beachtenswert war auch die Nebenindustrie bei der Dachschiefergewinnung in Affalter. Dort wurden vor mehreren Jahren aus einer besondern Sorte des Thonschiefers, den sogenannten „Walben“, verschiedene Gegenstände, wie Leuchter, Briefbeschwerer und dergl. gefertigt und dann mit einem schwarzen, haltbaren Lack, der ihnen ein recht hübsches Ansehen gab, überzogen. So viel ich weiß, ist diese Industrie nach dem Tode des betreffenden Arbeiters wieder eingegangen.

Sogenannte Veilchensteine, d. h. mit der Veilchenalge (Chrovlepus Jolithus Ag.) überzogene Steine, findet man auch im Erzgebirge, z. B. auf dem Greifensteine, bei Gottesgab, Karlsfeld und Eibenstock, und seines Fundortes bei Altenberg gedenkt bereits Petrus Albinus in seiner 1590 erschienenen Meißnischen Bergchronika. Sammler derselben würden gewiß in den Touristen Abnehmer finden; sie würden dabei ihre Aufmerksamkeit noch auf manches andere Naturprodukt lenken, welches von der Menge in der Regel übersehen wird, das aber von den Besuchern unsers Gebirgs gern als eine Erinnerung daran mit nach Hause genommen werden würde.

Es ist unmöglich, alle die Einzelheiten hier aufzuzählen, welche beim Schaffen von Erwerbszweigen für unsere Bevölkerung zu beachten sind; die Intelligenz und das Geschick werden sich schon selbst weitere Wege bahnen und dabei ihren Lohn finden. Nötig ist dabei schließlich, daß auch geeignete Verkaufsstellen und Verkäufer gefunden werden. Ich bin hier der Meinung des Herrn Mosebach, daß sich zu Verkaufsstellen die besuchtesten Bahnhöfe und Aussichtspunkte (nach meiner Meinung würden hierbei im allgemeinen vielbesuchte Gasthäuser und Restaurationen zu berücksichtigen sein) eignen; zu Verkäufern würden, wenn dies die Verfertiger nicht selbst in die Hand nehmen, Wirte, Kellner und Kellnerinnen zu gewinnen sein, und zwar so lange in Betreff aller der Waldmosaik angehörenden Kunstgegenstände, bis diese Industrie einen derartigen Aufschwung gewonnen hat, daß sie in kaufmännische Hände übergehen kann. Mit Vergnügen werde ich in dieser Angelegenheit weitere Vorschläge entgegennehmen. Bemerken will ich am Schlusse nur noch, daß es vielleicht geraten ist, eine kleine Ausstellung von Mustergegenständen zu veranstalten, welche dann von dem Sitze eines Zweigvereins zum andern wandert.

Dr. Köhler.

Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 1. Jg. Nr. 5 v. 15. Mai 1881, S. 40 – 42