Zwirnspitzen.

Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 33, 15. August 1926, S. 2

Heimatkundliches nach einer alten Handschrift.

Zwirnmühlen, mit denen sehr feiner Zwirn bereitet wird, gab es nur in Holland. Herr Heß aus Sehma unternahm nun die weite Reise nach Holland, um die Bauart der Mühle und die Verfertigung des Zwirnes im geheimen abzusehen. Nach seiner Rückkehr hat er im Jahre 1783 die erste Zwirnmühle in Sachsen erbaut und als sie glücklich vollendet war, zeigte er die Maschine einigen Spitzenhändlern; alle überzeugten sich, daß mit ihr ein zarter, besonders zu Klöppelspitze geeigneter Zwirn hergestellt werden könne, so daß die Ware dann der Brabanter vollkommen gleichwertig sei.

Eine angesehene Spitzenhändlerin, Frau Stieler in Bernsbach, war die erste Person, welche Spitzen aus diesem Zwirn verfertigen ließ. Eine arme Tagelöhnerin im gleichen Orte, die ebenfalls Stieler hieß, mußte drei Ellen zu ein Paar Manschetten und Busenstreifen klöppeln, wofür sie 9 Thaler Arbeitslohn (also für die Elle 3 Thaler) erhielt. Diese Spitzen, in welche das Churfürstlich Sächsische Wappen mit der größten Feinheit eingeklöppelt war, sind nach dem Urteil aller sachverständigen Kenner so schön und prächtig geraten, daß sie auch den besten Brabantern den Vorzug streitig machten.

—m—