Erzgebirgische Heimatblätter. Beilage der Obererzgebirgischen Zeitung. Nr. 38. – Sonntag, den 15. September 1929. S. 1 – 2.
(am Sonntag, den 15. September 1929).
Nach mehrjähriger Bauzeit ist endlich der Tag herangekommen, an dem das schmucke, am Westabhang des Bärensteins, nahe dem Cranzahler Bahnhof gelegene, durch seinen Baustil vornehm und innerhalb der Gebirgslandschaft wuchtig wirkende Turnerheim seine Weihe erhalten soll. Wie bekannt sein dürfte, wurde seinerzeit die Errichtung dieses Gebäudes vom damaligen Sportkartell angeregt und begonnen. Inflation und Deflation trugen wesentlich bei, die Schwierigkeiten der Kapitalbeschaffung für die Sicherstellung des Baues zu erhöhen. Die wirtschaftliche Notzeit war keine vorübergehende, wie man damals annahm, sondern versteifte sich von Monat zu Monat. Bar aller Mittel mußte nunmehr die Einstellung der Arbeiten an dem inzwischen halbfertigen Bau beschlossen werden und es löste sich schließlich unter dem Druck der Verhältnisse das Kartell auf. Nach längerem Hin und Her verstanden es einige Jünger Jahns der kleinen Erzgebirgsgemeinde, die machtvolle Organisation der Deutschen Turnerschaft für diese Bauruine zu interessieren und dafür zu gewinnen, das Grundstück zu erwerben und zu einem Turnerheim auszubauen. Der 14. Kreis der D. T. beauftragte den Schöpfer des weit über Sachsens Grenzen hinaus rühmlichst bekannten Oberwiesenthaler Kreis-Turnerheims, Herrn Architekt Bock mit der Bauleitung, der zunächst die Baupläne grundlegend änderte und die gesamte innere Ausgestaltung dem Turnerischen anpaßte. Am 1. Weihnachtsfeiertag des vergangenen Jahres waren die baulichen Innenarbeiten soweit vorgeschritten, daß die Festräumlichkeiten, der Saal usw. zur allgemeinen Benutzung übernommen werden konnten. In diesen Sommermonaten nun erhielt das stattliche, bisher noch im Rohbau befindliche Gebäude Edelputz und auch sonst entledigte man sich der noch der Vollendung harrenden Arbeiten schnell und mit viel Geschick, so daß nunmehr die Pflegestätte deutschen Turnens ihre Weihe erhalten kann. Durch das große Hauptportal gelangt man von der Nordseite her in das Innere des Treppenhauses. Von hier aus betritt man den Gastraum, dessen weite Halle architektonisch geschmackvoll durch 3 Säulen getragen wird. Vom Gastraum aus geht es in das große Sitzungszimmer, von dem aus ein Treppenaufgang zur Bühne des Festsaales im oberen Stock führt. Einen äußerst freundlich einladenden Eindruck machen die gleichfalls hier untergebrachten 5 Fremdenzimmer, die mit allem Erforderlichen der Neuzeit ausgestattet sind, so mit Warmwasserleitung u. a. Auch die Wohnung des Pächters befindet sich hier, ebenso die Wirtschaftsküche. Ein weiteres Stockwerk enthält dann den schon erwähnten Festsaal, mit der hochmodernen Stilbühne. Der Saal ist 25 Meter lang und 18 Meter breit, ist parkettiert und trägt eine wundervolle holzgetäfelte Decke. Je 6 große Fenster nach Westen und Osten erhellen ihn. In einem Nebenraum sind die Turngeräte eingestellt. Neben der Galerie liegt die Jugendherberge, zwei Räume mit bequemen Lagerstätten. Im Kellergeschoß befinden sich die Heizungs- und Badeanlagen usw.
Im Laufe der neun Monate nun erfreut sich das Heim des regen Zuspruches nicht nur der Turner, sondern auch vieler anderer Erzgebirgswanderer, die in den freundlichen Lokalitäten Einkehr hielten und voll Befriedigung stets die gastliche Turnerstätte verließen. Aber nicht nur von Touristen allein wird das Heim gern aufgesucht, sondern auch von der Bewohnerschaft Cranzahls und der näheren Umgebung. Besonders in diesem Sommer fanden im großen Festsaale bedeutende Veranstaltungen statt.
Für die Weihefeierlichkeiten nun wurde vom Turnverein “Gut Heil” Cranzahl, dessen treuen Händen das Heim übergeben wurde, eine abwechslungsreiche Festfolge aufgestellt. Eingeleitet werden die Weihetage durch einen Festkommers am Sonnabend. Der Sonntag bringt vormittags 8 Uhr turnerische Wettkämpfe, die für alle Bezirksvereine offen sind; Empfang der Festgäste, Platzmusik, und nachmittags die Weihe selbst, die von Herrn Gauvertreter Stadtamtmann Vogel-Annaberg vorgenommen wird. Freiübungen, Faustballwettkämpfe und Siegerverkündigung bilden den Abschluß der Turnertage.
Möge sich das neue Turnerheim der D. T. zu einer rechten Pflegestätte des deutschen Turnens entwickeln. Dies ist der Wunsch des alten Heimatblattes, der “Obererzgebirgischen Zeitung”. Darauf Glückauf und Gut Heil!
Unser Bild zeigt das schmucke Heim in seiner heutigen vollendeten Gestalt.