Von alten Grenzsteinen.

Von Paul Seidel, Schneeberg.

Glückauf. Zeitschrift des Erzgebirgsvereins. 58. Jahrgang. Nr. 9. September 1938, S. 142.

Seite 244 der Mitteilungen des sächsischen Heimatschutzes vom Jahre 1934 nennt Prof. Dr. Meiche stumme Zeugen unter alten Grenzsteinen eine Sicherung dieser Grenzmale. In einem dazu angeführten Pirnaer Beleg werden Glas, Kohle und Hammerschlacke unter jedwedem Stein als solche Zeugen genannt. Ein Beispiel aus der Döbelner Pflege aber zeigt Steinkohlen, Glas und Ziegelsteine unter den alten Grenzzeichen.

Seite 64 der genannten Mitteilungen vom Jahre 1935 bringt Prof. Dr. Philipp weitere Belege von solchen Grenzsteinzeugen. Sie stammen in der Hauptsache aus der Crimmitschau-Werdauer-Meereaner Gegend. Gebraucht wurden auch dort als Zeugen für die Rainsteine Schlacken und Kohlen, weiter aber noch Porzellanscherben, Kieselsteine und Eierschalen. Dr. Philipp fand für diese Grenzsteinbeigaben auch den Namen Junge, ferner, daß in der Hauptsache drei solche Zeugen beiliegen.

Mir selbst ist es gelungen, einen Beleg für solche Grenzsteinzeugen im Westerzgebirge aufzufinden, wodurch zunächst erwiesen, daß dieser Brauch in unserem ganzen Lande beheimatet war. Er findet sich in einer Grenzstreitakte des Schneeberger Ratsarchives – Abt. II, Abschn. 8 b 4 Nr. 72 – vom Jahre 1694 und betrifft das ehemals Schneeberger Ratsdorf Griesbach. Dieses Griesbacher Beispiel, über das ich schon ausführlich in „Unsere Heimat“, Beilage des General-Anzeiger für das untere Erzgebirge in Wilkau, Jahrgang 1932, Nr. 10/11, berichtete, scheint geeignet zu sein, nicht nur die Dreizahl der Beigaben zu erklären, sondern darüber hinaus den Brauch mindestens ein wenig zu beleuchten.

Obwohl schon angedeutet, scheint es doch notwendig zu sein, festzustellen, worum es sich bei diesen Rainsteinzeugen handelt. Es sind Beigaben bei der Grenzsteinsetzung in die Grube, die den Stein als echten Rainstein ausweisen. Kam es zu einem Grenzstreit zwischen zwei Flurnachbarn, so wurden die strittigen Steine aus ihrem Lager gehoben. Fanden sich darin keine Zeugen oder Junge (eben die Beigaben!), so wurde die Klage verworfen, im andern Falle aber weiter verfolgt.

Nun zum Griesbacher Beispiel!

Zunächst sei darauf hingewiesen, daß es ein weiteres Merkmal eines echten Grenzsteines nennt: Er muß in seinem Lager, in seinem Loch verwachsen sein. („Sie [die Steine!] waren in Löchern verwachsen, in denen sich auch kleine Steine fanden.“ Vgl. auch w. u.!) Dann sei erwähnt, daß sich auch hier die Dreizahl findet. Beigaben sind nur kleinere Steine. („Es findet sich am Anfang [der Rainung!] ein runder Kieselstein heraußen liegen, samt noch dabei dreier kleinerer Steine als Zeugen.“) Trotzdem diese Dreizahl öfters genannt wird, tauchen einmal auch fünf Zeugen auf. („… liegt ein großer Stein heraußen, dabei noch fünf andere kleine Steine liegen als Zeugen.“)

Nicht zu entscheiden ist, welche Bedeutung der Zusatz „sie (die Zeugen!) waren nicht von gleicher Größe“ bei beiden angeführten Feststellungen hat. War gleiche Größe der Zeugensteine maßgebend, oder mußten sie verschieden groß sein?

Wichtig ist nun, daß für den Ausdruck Zeugen noch andere gebraucht werden. Während der Rainstein selbst als Kind bezeichnet wird, erscheinen die Beigaben in unserer Vorlage auch als Junge oder Paten. („Hatte doch jeder [Stein] drei Junge.“ – „Das ist ein richtiges Kind, es hat seine drei Paten!“ – „Als man die Steine aus ihren Löchern, darin sie verwachsen, hob, fand man auch etliche kleine Steine, so üblichen Gebrauch als sogenannte Zeugen oder Paten pflegen mit eingegraben zu werden. Damals (bei der Ausgrabung) haben etliche (Neugierige) gleich gesagt, daß dieses richtige Kinder wären, weil sie ihre Paten hätten.“)

Meiner Ansicht nach erklärt sich nun die Dreizahl der Beigaben aus dem Ausdruck Paten für diese, der noch durch die Bezeichnung Kind unterstrichen wird. Wie für das Menschenkind drei Paten zeugen und es als getauften Christen ausweisen, so auch drei Paten für das Rainsteinkind, die seine Echtheit bezeugen. Drei ist sowohl hier wie dort die Norm. Abweichungen davon beim Menschenkind sind uns allen bekannt, werden uns auch bei den Grenzsteinen bezeugt. Vielleicht gab man besonders wichtigen Steinen mehr als drei Paten bei?

Ob uns die Griesbacher Bezeichnung auch über das Alter des Brauches etwa Aufschluß geben könnte? Ich vermute es fast, wage es trotzdem nicht zu entscheiden.

Auf diesen alten Brauch auch in dieser Zeitschrift hingewiesen zu haben aber halte ich für meine Pflicht. Wer kann mehr von ihm berichten?