Vom Duratzsch

Hermann Lange, Annaberg-Buchholz

Wer auf seinen Wanderungen von einer der Höhen zwischen Elterlein und dem Pöhlberg nach dem Kamme des Gebirges blickt, dem fällt unbedingt ein breiter Bergrücken auf, der sich links an den Fichtelberg anlehnt und die Sicht nach dem Keilberg mehr oder weniger verdeckt. Das ist der Eisenberg. Er ist nur durch eine wenig tiefe Scharte vom Fichtelberg getrennt und erscheint neben ihm kaum als selbständiger Berg. Deshalb wird er meist nicht als solcher gewürdigt, obgleich sein Gipfel (1027 m) einige Meter höher ist als der Auersberg (1019 m), den man immer als zweithöchsten Berg Sachsens bezeichnete. Am nordöstlichen Ende des Rückens liegen einige Amphibolit- und Eklogitfelsen, schon von altersher „der Stümpel“ genannt.

Ehe Drude 1902 sein Standardwerk „Der hercynische Florenbezirk“ verfaßte, besuchte er auch unseren Eisenberg. Er nennt ihn aber nicht, sondern bedient sich immer der Bezeichnung „Der Duratzsch“. Das deutet an, daß Drude auf seinen Exkursionen die alte sächsische Generalstabskarte (Sect. 27) mit sich führte. Dort tritt der Name Duratzsch auf.

Woher kommt dieser fremd klingende Name? 1839 bemerkte Albert Schiffner Bd. II S. 341 in einer Fußnote dazu: „Die Deutung dieses offenbar tschechischen Namens ist uns unbekannt.“ Bis heute hat man daran herumgerätselt. Der Zufall wollte es, daß ein ehemaliger Student aus Prag als Hilfslehrer an einer unserer Schulen erschien. Auf gelegentliche Anfrage hin meinte er zunächst, daß der Name Duratzsch im Tschechischen nicht vorkäme; aber schließlich trennte er die beiden Bestandteile des Wortes in dvur und hrad (vgl. Hradcany d. i. der Hradschin in Praha).

dvur = der Hof, das Gehöft
hrad = die Burg, der Berg

Demnach versteckt sich hinter dem „Duratzsch“ unser deutsches „Hofberg“. Dieser deutsche Name tritt nun komischerweise dort auf, wohin man vom Eisenberg in Richtung des Keilbergs sieht. Auch ein Gasthof gleichen Namens befand sich dort. Blickt man umgekehrt von dieser Stelle nach Norden, so liegt gegenüber der Duratzsch. Das ist eine schöne Pralelle zu der Tatsache, daß es auf sächsischer Seite „Letzte Heller“ gegen „Letzte Pfennige“ auf böhmischem Boden gibt.

Nimmt man noch die Oederkarten zu Hilfe, so erkennt man, daß sich von Kretscham-Rothensehma her durch den Wald eine alte Straße zog (die „Straß nach Dollen“). Sie verlief schließlich längs des Waldrandes am südlichen Eisenberghange und geht heute noch als breit ausgefahrener Weg an einigen Einzelgehöften vorbei steil nach Unterwiesenthal, wo sie den großen Teich des ehemaligen Rothen Hammers umläuft. Die Einzelgehöfte sind es gewesen, die dem Hange – denn nur dieser ist der Duratzsch – zu seinem fremden Namen verhalfen. Vermutlich waren es tschechische Fuhrleute, die den Namen aufbrachten. Er kam schließlich auf die ersten amtlichen Karten, ist aber später bei Neuauflagen verschwunden, weil die alte Straße durch die junge Chaussee abgelöst wurde. Auch die Meßtischblätter führen ihn nicht.

Oeder-Zimmermann nennen ihn noch nicht. 1852 schreibt M. E. W. Richter (Rektor in Hainichen)2 II S. 327: „… der gegen 3167 Fuß hohe Eisenberg, nordöstlich vom Fichtelberg, der in seinem mittleren Teile der Douratsch oder Doratsch, im östlichen der Stümpfel oder Stümpel und tiefer im Norden die Brunnenheide und der Bärenfang heißt …“ und S. 338: „(Unterwiesenthal) bildet bloß zwei unterbrochene Häuserreihen, dessen oberster Teil seiner dichten Bauart wegen der Tempel und der unterste der Berg heißt, weil die Häuser auf dem Eisen- oder wie er hier genannt wird, dem Zechenberg liegen …“. 1877 treten dazu Angaben in den Höhenmanualen:

Waldecke in Verlängerung der Schneise 15 nördlich der Unterwiesenthaler Berghäuser 932,5 m üb. Ostsee.

Höchste Stelle der Schneise 14 südlich des Flügels C auf der Kuppe des Duratzschberges 1042,85 m.

Quelle: Kultur und Heimat 7. Jg., August 1960 S. 122