Scheibenberg.

Hat die hochgelegene Stadt Scheibenberg (Marktplatz 668,7 m über der Ostsee) von jeher durch ihren gleichbenannten basaltischen Berg, dessen höchster Punkt sich zu 806,6 m Meereshöhe erhebt, die Aufmerksamkeit der Naturfreunde auf sich gezogen, so hat sie weiter für die Erzgebirger noch insbesondere geschichtliche Bedeutung, als in ihr unser Historiker M. Christian Lehmann von 1638 bis an seinen Tod 1688 Pfarrer war und auch dort begraben wurde. In der Stadt Scheibenberg hat sich nun, wie bereits in voriger Nummer d. Bl. angezeigt worden ist, ein Erzgebirgsverein gebildet, der bereits die ansehnliche Zahl von 70 Mitgliedern zählt.

Durch die Eisenbahnverbindung nach Annaberg und Schwarzenberg scheint auch der Anstoß zu einer größeren industriellen Entwicklung der Stadt gegeben zu sein, denn es verlautet, daß Herr Fabrikant Böhme aus Aue in der Nähe des mit der Stadt durch Fahrstraße und einem geschlängelten Fußwege verbundenen Bahnhofe eine Blechwaren-Fabrik noch im Laufe dieses Sommers anlegen wird. Dies ist hoffentlich nur der Anfang zu weiteren gewerblichen Anlagen, wozu in unmittelbarer Nähe der Bahnhofstraße ausreichende billige Grundstücke zu erwerben sind. Zur Zeit ist Scheibenberg wohl nur wenig von Sommerfrischgästen aufgesucht worden. Aber auch dies dürfte anders werden, da Wohnungen für Sommerfrischler zu haben sind, weshalb sich diejenigen, welche davon Gebrauch machen wollen, an den Vorsitzenden des dortigen Zweigvereins, Herrn Schuldirektor Th. Schlegel, welcher sich zur Vermittelung und sonstigen Auskunftserteilung bereit erklärt hat, wenden wollen. Ein starkes Stollenwasser, das unterhalb des Bahnhofs ausmündet, harrt noch der Verwendung. Die Stadt besitzt ein Amtsgericht, eine Steuereinnahme und große Sparkasse, Arzt und Apotheke; zwei eiserne Wasserleitungen führen ihr das nötige Wasser zu. Das Grundgestein ist heller, Granaten führender Glimmerschiefer, nördlich, westlich und östrlich von demselben breitet sich geneigter Wiesenlehm mit zerstreuten Basaltblöcken aus. Der Ursprung der Stadt, welche einst zur obern Grafschaft Hartenstein gehörte, ist auf die Entdeckung von Silbererzgängen zurückzuführen, infolge deren 1522 die Herren Ernst und Wolf von Schönburg in dem ehemals hier ausgedehnten Walde den Platz für die Stadt zur Ansiedelung für die Bergbaulustigen abstecken ließen. Scheibenberg war sogar Sitz eines Bergamtes, und die Gänge, welche abgebaut wurden, gehören der sogenannten Kobalt-Silbererzformation an; sie streichen östlich und südöstlich von der Stadt. Der nahe Scheibenberg mit seinen schon von der Straße nach Schlettau aus in die Augen fallenden Basaltsäulen und den am Nordfuße aufgedeckten tertiären Kiese und Sande galt dem berühmten Freiberger Mineralogen und Geologen Abraham Werner als Beweis für seine Behauptung, daß der Basalt neptunischen Ursprungs, also durch Wasser gebildet worden sei. Der darauf geführte Streit zwischen Plutonisten und Neptunisten ist nun längst in Bezug des Basalts zu Gunsten der ersteren entschieden. Wohl niemand, der Scheibenberg besucht und über einige Stunden freie Zeit verfügen kann, wird, wenn er Naturfreund ist, die Besteigung des Berges unterlassen, um sich an der herrlichen Aussicht zu erfreuen. An den nach der Stadt zu geschaffenen Anlagen unter dem Plateau hat ein Naturfreund auf Basaltblöcken Verse angeschrieben, die ich mit einer Korrektur der leider mangelhaften Orthographie wiedergebe:

  1. O Gott, wie schön ist deine Welt gemacht,
    Wenn sie dein Licht umfließt,
    Ihr fehlt´s an Engeln nur, und nicht an Pracht,
    Daß sie kein Himmel ist.
  2. Natur ist schön in jedem Kleide,
    Auch noch im Sterbekleide schön,
    Sie giebt uns mit Wehmut das Geleite
    Und lächelt thränend noch im Geh´n.
  3. Schaue hinaus in die weiteste Ferne,
    Betrachte die Berge, die Thäler, das Feld,
    Betrachte die Sonne, den Mond und die Sterne
    Und freu‘ dich der herrlichen göttlichen Welt.

Schon die Blicke nach Westen, wenn wir von der Stadt nach dem Kalkofen am Fuße des Berges auf guter Straße wandern, ist herrlich. Der Botaniker aber wird manche Ausbeute machen können, wenn er sich von da aus eine Strecke am Südfuße des Berges hin nach dem Fußpfade über die von Kiebitzen bevölkerte Heide wendet, um auch das freundliche Crottendorf zu besuchen, von wo aus er dann durch das Waldgebiet auf einem von dem dortigen Erzgebirgs-Zweigvereine gekennzeichneten Wege dem Fichtelberge einen Besuch abstatten kann.

Köhler.

Quelle: Glückauf, Organ des Erzgebirgsvereins. 11. Jahrgang, No. 4 v. April 1891, S. 31 – 32.