Die politischen und kirchlichen Verhältnisse des mittleren Erzgebirges im Mittelalter (2).

Von Lic. Dr. Bönhoff, Annaberg.

(Fortsetzung.)

Glückauf! Zeitschrift des Erzgebirgsvereins. 27. Jg. No. 2 v. Februar 1907, S. 21 – 24

Wir begegnen ihnen im Altenburgischen, während an ihre Stelle die Titularburggrafen von Starkenberg (bei Altenberg), die Abkömmlinge der Burggrafen von Döben (bei Grimma) und der Edlen von Tegkwitz (Kirchdorf von Starkenberg) traten, um ihrerseits den Schönburgern, ihren Verwandten, Platz zu machen, die der böhmischen Krone ihre Rechte verkauften. Durch diese Veräußerung wird uns zum ersten Male (1367) überhaupt bekannt, daß Stollberg, so gut wie die Grafschaft Hartenstein, die Schlösser Lichtenstein (bis 1213) und Glauchau (bis 1335 bestimmt) die Qualität eines Reichslehns besaß.

Allein noch mehr Verdienste erwarben sich die Edlen von Waldenburg. Der erste, der sich diesen Namen beilegte, war der im Altenburgischen begüterte Reichsministerial Hugo von Wartha, zugleich der erste uns bekannte kaiserliche Richter des Pleißenlandes. Er erbaute sich zu gleicher Zeit mit dem Altenburger Bergerkloster, d. h. in den Jahren 1165 – 1172, ein Schloß an der Zwickauer Mulde da, wo die uns bekannte böhmische Straße den Fluß passierte, unweit des Nonnenklosters Remse, das ihn zum Vogte sich erkor, und nannte es Waldenburg. Lag doch die Feste mitten im Pleißner Königswalde (s. o.), und von ihr nahm das von ihm abstammende Geschlecht seinen Namen an. Auch dieses Schloß samt seinem Bezirke, der bis nach Oberlungwitz, Ursprung und Wüstenbrand südöstlich reichte, war laut einer Urkunde Kaiser Ludwigs des Bayern vom Jahre 1336 ebenso wie die östlich davon gelegene Herrschaft Rabenstein (bei Chemnitz) ein Reichslehn. Als sich ein Abkömmling jenes Hugo (I.), namens Johann der Ältere, mit seinen Nachbarn, den Schönburgern auf Glauchau, böhmischen Kronvasallen, in einer Erbvereinigung verbrüderte, hatte er seine Stammherrschaft Karl IV. aufgetragen. Als er nun und sein ältester, allein mündiger Sohn, Johann der Jüngere, sich 1373 ihre Hände durch einen Mord besudelten, den sie an Chemnitzer Patriziern, den Ortwinen, begingen, gingen beide nach böhmischem Lehnsrechte ihres Lehns verlustig, welches so an die Schönburger von Rechts wegen gedieh. Die großen Kosten, welche dieser schlimme Handel dem Hause Waldenburg verursachte, führten im Jahre 1375 zur Veräußerung ihrer reichslehnbaren Herrschaft Rabenstein an das Chemnitzer Kloster. Dieselbe umfaßte damals noch die Orte Reichenbrand, Siegmar, Grüna, Stein (Niederrabenstein), Löbenhain (Ortsteil von Röhrsdorf), Kändler (rechts des Pleißbaches), Höckericht (Neustadt), Steinplissen (Pleißa) und Anteile von Röhrsdorf, Rottluff, Schönau und Helbigsdorf. Im übrigen suchten zu jener Zeit durch mancherlei andere Stiftungen die Edlen von Waldenburg ihr Gewissen zu entlasten. Dadurch wird uns bekannt, daß sie ebenfalls über die nahe bei Chermnitz liegenden Orte Harthau, Berbisdorf, Eibenberg, Jahnsdorf, Meinersdorf, Seifersdorf, Pfaffenhain und Leukersdorf geboten. Alle diese Dörfer kamen in geistliche Hände, an diie Klöster zu Chemnitz und Grünhain, an die Pfarrkirchen zu Chemnitz und Ehrenfriedersdorf. Wir gehen nicht fehl, wenn wir die Gründung aller der bisher genannten Dörfer auf die zu Beginn des 13. Jahrhunderts lebenden Glieder des Hauses Waldenburg, Hugos Söhne und Enkel, zurückführen. Letzteres trifft noch mehr zu von den weiter im Südosten gelegenen Herrschaften Greifenstein, Scharfenstein, Wolkenstein und Belberg 1, sofern von einer letzteren geredet werden kann. Mit denselben geht dann das Miriquidiland restlos in lauter Kulturland auf, und nur die oft ansehnlichen Waldinseln der Amtshauptmannschaft Annaberg erinnern den Wanderer auf Bergeshöhen daran, wie einst dieses ganze weite Land vom dunkelen Grün des Urwaldes überzogen war.

Die benen genannten ersten drei Bezirke erscheinen im Lehnsbuche Friedrichs des Ernsthaften (1349) als markgräfliche Lehen. Aber ob sie es immer waren? Zwar tritt auch 1241 Hugo von Waldenburg als Vasall Heinrichs des Erlauchten für Streckewalde (bei Annaberg) auf; aber der Markgraf war sein Lehnsherr nur kraft seiner Pfandinhaberschaft des Pleißnerlandes. Denn 1293 erscheint die Herrschaft Wolkenstein als ein Reichslehn. Wer weiß, ob nicht hier Kaiser Ludwig der Bayer, dessen Schwiegersohn ja Friedrich der Ernsthafte war, seine Hand im Spiele gehabt hat, etwa das er jene drei Herrschaften ihm überwies. Man hat die Existenz einer Burg Greifenstein zu bestreiten versucht. Allein noch im Jahre 1372 garantieren sich Karl IV. und die Meißner Markgrafen gegenseitig ihre Besitzungen. Unter denen der letzteren aber werden namentlich u. a. die Schlösser Wolkenstein, Scharfenstein und Greifenstein aufgeführt. Wann aber die Feste einging, wissen wir nicht. Vielleicht fiel sie den Hussitenstürmen zum Opfer. Die Herrschaft umfaßte vor allen Dingen die drei damals wichtigen Bergstädte Ehrenfriedersdorf, Thum (mit Oberdorf) und Geyer, die aus Dörfern sich erhoben. In der Nähe der Burg Greifenstein befinden sich auch die Rittersitze zu Schönfeld und zu Tannenberg links der Zschopau, d. h. die dazu gehörigen Burglehen, deren erste Inhaber sich von denselben benannten. Außer den aufgeführten Orten gehört noch Jahnsbach zum Greifensteiner Bezirke. Derselbe grenzt im Süden an das Ufer der Zschopau und im Westen an das Gebiet des Schlosses Stollberg, während östlich davon das Scharfenstein-Wolkensteiner Land sich hinzieht. Greifenstein mit seinem gesamten Zubehör traten die Waldenburger Dynasten 1456 an das Haus Wettin ab, während jenes Land beim Aussterben ihres Geschlechtes (1479) als erledigtes Lehn in die Hände der sächsischen Fürsten gelangte, die es zu einem Amte umwandelten, das den Namen Wolkenstein empfing.

Auch die Schlösser Wolkenstein und Scharfenstein hatten ihre Burglehen, jenes zu Wolkenstein, zu Wiesa und zu Geringswalde, dieses zu Scharfenstein und zu Drebach-Venusberg. Alle diese Vorwerke liegen im Zschopautale, während im Preßnitztale nur in Großrückerswalde und Arnsfeld Eigengüter sich befanden, die von der Herrschaft selber bewirtschaftet wurden. Die Dörfer wechselten ihre Zugehörigkeit bei den Erbteilungen zwischen den beiden Linien des Waldenburger Hauses. So erfahren wir aus einem Leibgedingebriefe vom Jahre 1386, daß zu Schloß Scharfenstein die Orte Grießbach, Hopfgarten, Grüna, Großolbersdorf, Schönbrunn, Falkenbach, Drebach, Herold, Großrückerswalde, Mildenau, Grumbach und Jöhstadt, damals noch Goswinsdorf, gerechnet wurden. Wir können daraus andererseits den Bestand der Wolkensteiner Herrschaft entnehmen, nämlich Hohndorf, Venusberg, Naundorf, Wiesa, Streckewalde, Mauersberg, Arnsfeld, Steinbach, Satzung, Boden, Schmiedeberg, Geringswalde und Hilmersdorf nebst Königswalde rechts der Pöhla, d. h. die sogenannte „Ratsseite”. Als die Waldenburger Scharfenstein 1456 und Wolkenstein 1479 den Wettinern über- und hinterließen, gehörten alle diese Orte, die wir beiden Schlössern zuteilen konnten, ins fürstliche Amt. Wir erfahren wohl, daß Kloster Buch (bei Leisnig) die Orte Streckewalde (seit 1241), Mauersberg, Mildenau, Reichenau, von Mildenau aufgesogen (seit 1270) und Lichtenhain (d. i. Königswalde, rechts der Pöhla) besaß und noch im Jahre 1291 sich dieses Besitzes erfreute. Doch wegen einer Fehde hat es denselben wieder an die Herren von Waldenburg veräußert. Wozu eigentlich Gelenau gerechnet ward, ist unbestimmbar. Seine Südhälfte mit dem Rittersitze derer von Gelenau, welche um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts sehr oft in wettinischen Urkunden erscheinen, stand bereits 1324 mit dem Schlosse Schellenberg in Verbindung, während die Nordhälfte der Burg Zschopau angegliedert war, was aus einer zeitweiligen Veräußerung im Jahre 1414 ersichtlich wird.

So bleibt denn nur noch die sogenannte Herrschaft Belberg übrig. Im Jahre 1411 bestand sie, als sie an die Wettiner seitens der Burggrafen von Meißen verpfändet ward, aus dem Belberge selbst und den Orten Kleinrückerswalde, Geyersdorf, Frohnau, Dörfel und Tannenberg (rechts der Zschopau). Allein der Bezirk, der von den Wettinern als Mühlamt, so bezeichnet nach dem Verwaltungssitze, der Herrenmühle zu Frohnau, eingerichtet ward, muß vordem noch größer gewesen. Infolge seiner kirchlichen Verbindung mit dem Bistum Meißen hat auch Herrmannsdorf einst in jenem Bezirke gelegen, bis es etwa zu Beginn des 14. Jahrhunderts an das Grünhainer Kloster als das Geschenk seiner Stifter, der Meißner Burggrafen, davon abkam. In der Flur des 1496 erst gegründeten Annaberg war laut eines Gnadenbriefes Herzog Georgs des Bärtigen eine Wüstung namens Witzdorf (d. h. Dorf eines Wetzel-Werner) einbeschlossen, die auch den Beinamen „Borgkwalde”, d. h. Burgwald führt. Derselbe deutet auf die Existenz einer Burg, also eines Herrensitzes am Belberge. Es ist nun beachtenswert, daß gerade diese Gegend des öfteren als die „Wilde Ecke” bezeichnet wird. Diesen Namen wird das verschollene Schloß zuerst geführt haben, welches ihn vom Pöhlberge empfing, der ihn zuerst trug, bevor er im 15. Jahrhundert auf jene ganze Gegend überging. Erinnert sei übrigens daran, daß auch das Zschopauer Schloß den Namen Wildeck trug.

Durchmustern wir kurz die Namen der Orte, so sind sie alle deutsch, da sie die Dörfer Oberlungwitz, Wiltzsch, Dorfchemnitz, Ober- und Niederwürschnitz, sowie Niederzwönitz von den Flüssen gleichen Namens bez. von der benachbarten Niederlassung erhalten haben. Der einzige Name slavischer Art ist Gablenz (bei Stollberg) und bedeutet Apfelbaumort; seinen deutschen Doppelgänger stellt Affalter (bei Lößnitz) dar. Allein dasselbe liegt hart an der Grenze, nahe bei slavischen Ortschaften. Ein großer Teil der deutschen Dörfer nennt uns noch die Namen der Gründer, wie Goswin (Jöhstadt), Gerhard (Geyersdorf), Ratger (Groß- und Kleinrückerswalde), Hermann (Hermannsdorf), Irnfried (Ehrenfriedersdorf), Johannes (Jahnsdorf und Jahnsbach), Albert (Großolbersdorf), Gerung (Geringswalde), Strekko (Streckewalde), Arnold (Arnsfeld), Günther (Günsdorf), Jordan (Gornsdorf), Luitger (Leukersdorf), Siegfried (Seifersdorf), Siegmar (desgl.), Rudolf (Rottluff), Meinhard (Meinsdorf und Meinersdorf), Markert (Markersdorf), Helbig (Helbersdorf), Berwig (Berbisdorf) und Stelizo (Stelzendorf). Andere wiederum deuten auf eine Naturbeschaffenheit des betreffenden Ortes, so Adorf (Wasserdorf), Klaffenbach (Rauschebach), Erlbach, Harthau (Bergwald), Eibenberg, Ursprung (Quellort), Gelenau (üppige-geile Au), Mildenau, Reichenau, Tannenberg, Schönbrunn, Hopfgarten, Venus- d. h. Fenchelberg, Drebach (rascher Bach), Brünlos (am Brünnel), Grumbach (grüner d. h. bewachsener Bach), Steinbach, Wiesa, Schönfeld. Verschiedene Namen übergehen wir, weil ihre Deutung noch als strittig aussteht. Aber soviel bleibt gewiß, daß um die Rodung des Miriquidi der deutsche Bauer sich ein hohes Verdienst erworben hat. Nicht etwa der Bergbau ist hierorts das erste gewesen, sondern der Ackerbau. Dieser ward längst betrieben, als jener sich auftat. Das lehren uns die Entstehung der ersten Bergstädte Ehrenfriedersdorf, Thum und Geyer, von den anderen wie Annaberg, Buchholz u. a. ganz zu geschweigen. Erst im Jahre 1377 schließen die Meißner Markgrafen mit den Waldenburgern einen alles regelnden Bergvertrag ab, dem rasch ein zweiter im Jahre 1407 folgte. So schließen wir denn unseren Überblick über die politischen Verhältnisse des mittleren Erzgebirges im Mittelalter ab mit der Tatsache, daß etwa um 1200 der Miriquidi von deutschen Bauern gelichtet ward, die von den Reichsministerialen auf Stollberg und Waldenburg herbeigerufen worden waren. Die letzteren hatten am Greifenstein 2 und zu Wolkenstein zwei Burgen erbaut, welche einen Verbindungsweg, zwischen den beiden böhmischen diesseits und jenseits des alten Urwaldes, quer durch denselben, decken sollten. Scharfenstein mit dem Vorwerk Grünau, Wolkenstein mit den Rittersitzen zu Wiesa und Tannenberg, woselbst noch die Trümmer eines Wartturms neben der Kirche vorhanden sind, beherrschten die Wasserstraße der Zschopau, während Burg Wildeck als ein ausgezeichneter Punkt zur Beherrschung der Täler der Zschopau, Sehma und Pöhla gelten mußte. Durch Funkensignale war von hier aus leicht eine Verständigung mit Wolkenstein, Wiesa, Schönfeld und Tannenberg möglich. Das edle Geschlecht der Waldenburger hat sich bis 1479 in dem Gebiete gehalten, das es deutscher Kultur erschließen half. Die Wettiner aber faßten am Belberg, 1411, endgiltig 1440, in Greifenstein und Scharfenstein 1456, in Wolkenstein 1479 als Grundherren ohne ein dynastisches Mittelglied festen Fuß, während sie die Lehnshoheit bereits seit der Regierung Kaiser Ludwigs des Bayern, etwa seit 1324, ausgeübt hatten, die ihnen schon einmal in den Tagen Markgraf Heinrichs des Erlauchten und Landgraf Albrecht des Unartigen zeitweilig zugestanden hatte.

Wir kommen nun auf die kirchlichen Verhältnisse zu sprechen. Wie bekannt teilten sich in unser Vaterland die von Kaiser Otto I. gestifteten Bistümer Zeitz (seit 1032 unter Konrad II. Naumburg), Merseburg und Meißen. Das zweite fällt für unsere Betrachtung hinweg, da es sich nur über den Gau Chutizi erstreckte, und zwar seit 1004, nachdem es 983 sogar einmal infolge gesponnener Ränke seines zweiten Bischofs Gisiler törichterweise eine Auflösung hatte erfahren müssen, bloß über dessen Westteil links der Mulde. So stieß es demnach bis 983 und nicht länger an den Miriquidi, dessen Wild beim Herüberwechseln in die Rochlitzer Forstungen von seinem Bischofe erlegt werden durfte, wie wir sahen. Die Nachbardiözese Naumburg reichte ebenfalls nur bis an den Miriquidi heran. Eine Unterabteilung derselben, der Archidiakonat jenseits (rechts) der (Zwickauer) Mulde, welcher sich etwa zwischen 1170 und 1230 gebildet haben mag, und späterhin ständig vom Zeitzer Domdechanten verwaltet ward, weshalb er auch der transmoldanische Dekanat hieß, umspannte die Herrschaften Lichtenstein und Glauchau samt der Grafschaft Hartenstein in ihrem vollsten Umfange, d. h. einschließlich der Grünhainer Klosterdörfer, soweit sie in deren Banne lagen. An der Grenze dieser Kirchenprovinz nach Osten zu, d. h. an der Naumburger Sprengelgrenze überhaupt, lagen die Kirchspiele Lobsdorf, Bernsdorf, Gersdorf (alle drei bei Lichtenstein), Lugau, Oelsnitz i. Erzgeb., Thierfeld-Hartenstein, Beutha, Lößnitz, Zwönitz, Elterlein, Mittweida (jetzt Markersbach) mit Schwarzbach (seit 1837 selbstständig), Scheibenberg (natürlich erst seit 1522) und Crottendorf mit Neudorf (seit 1654 ausgepfarrt). An die Naumburger Diözese stieß hier ganz tief im Süden, sich gleichfalls an den Miriquidi herandrängend, das Prager Erzbistum mit der großen, die ganze Herrschaft umfassende Parochie Schlettau.

(Schluß folgt.)

  1. Balberg ist nur eine verballhornte Form, die als unwissenschaftlich definitiv aus allen Veröffentlichungen auszuscheiden hat. ↩︎
  2. Der bei der Pfarrkirche der Stadt Geyer stehende alte Wartturm ist vielleicht der Burgfried der alten Greifensteiner Burg, die auf dem Friedhofe stand. Der Name „Geyer” dürfte als eine Flurbezeichnung aufzufassen sein. ↩︎