Zur Geschichte des Schlosses und der Stadt Hartenstein.

Von E. Geißler.

(Schluß.)

Die Stadt Hartenstein ist, wie bereits erwähnt, jüngeren Ursprunges als das Schloß. Das Hartensteiner Stadtbuch, welches verloren gegangen ist, reichte bis zum Jahre 1482 zurück. Hofbeamte und Bedienstete werden es gewesen sein, die sich im Schutze der Burg hier niederließen, und die Häuser am Fuße des Schloßberges sind wahrscheinlich die ersten der Stadt. Groß ist die Stadt nie gewesen; 1725 hatte sie 117, 1780 152, 1801 170 Häuser (jetzt 246); die Einwohnerzahl betrug noch im Jahr 1800 900, bis 1825 stieg sie auf 1100, bis 1834 auf 1700 und bis 1858 auf 2400. (Jetzt hat die Stadt etwa 2600 Einwohner.) Die Bürger beschäftigten sich in der Hauptsache mit Ackerbau und Viehzucht. 1523 wurde von Herrn Ernst von Schönburg der Stadt gegen 40 Gld. jährliche Zinsen eine Hutweide für das Stadtvieh überlassen. In alten Kirchenrechnungen ist noch zu finden, daß selbst die Kirche eine Anzahl Kühe besessen hat. Die nötigen Handwerker haben natürlich nicht gefehlt. Sie thaten sich wie überall zu Innungen zusammen; 1534 erhielten die Schneider ihren Innungsbrief, 1585 die Bäcker und Fleischer, 1650 die Zeugmacher, 1685 die Tuchmacher und Tuchscherer, 1703 die Maurer, Schieferdecker und Zimmerlinge. Nach Angaben aus dem Ende des vergangenen Jahrhunderts war um diese Zeit das der Zeug- und Leineweber das am stärksten vertretene Handwerk, später scheint es außerdem hier noch viele Strumpfwirker gegeben zu haben. Bei dieser Gelegenheit will ich gleich bemerken, daß die Verwaltung der Stadt um diese Zeit durch einen Stadtrichter und 2 Ratsbeisitzer geschah, ihnen zur Seite standen noch 2 Viertelsmeister.

Ein altes Recht ansässiger Bürger war die Braugerechtigkeit. Das Bierbrauen war noch kein gesondertes Gewerbe, sondern Sache der sog. Braugenossenschaft. Schon im Jahre 1536 bauten die Bürger ein Malzhaus, zugleich fing man an, von jedem Gebräu 5 Gülden an die Kirche abzugeben. 1684 wurde der brauenden Bürgerschaft noch einmal ihr gutes Recht obrigkeitlich bestätigt. Von Hugo II. hatten die Bürger die Erlaubnis, wöchentlich 2 Tage in den Forsten Holz lesen zu dürfen. 1690 erhielt die Stadt ein Privilegium über den Wein-, Bier- und Salzschank und das Recht, Garküchen halten zu dürfen. — Einen Jahrmarkt besaß die Stadt schon seit 1564, und zwar wurde derselbe jährlich nach Kreuzeserhöhung, also ungefähr Mitte September, abgehalten. 1645 wurde der Stadt der Markt nach Exaudi verstattet und 1685 ein Jahr- und Viehmarkt auf den Montag nach Simon Judä d. i. Ende Oktober. Die Märkte, die jetzt die Stadt hat, fallen beide auf andere Zeitpunkte. Seit 1607 war auch ein Wochenmarkt bewilligt worden; derselbe sollte jeden Donnerstag abgehalten werden, besonders geboten war, daß auch Fleischbänke aufgestellt werden sollten. 1677 wurde dieser Wochenmarkt aufs neue bestätigt.

Die Häuser der Stadt zeigen nur wenig Eigentümliches. Alte Gebäude giebt es genug. Ein sehr altes Gebäude dürfte die frühere herrschaftliche Frohnveste im Niederstädtel sein; leider ist keine Jahreszahl an dem Hause zu entdecken. Das weiße Roß ist 1625 erbaut, und die Pforte am Hause Zwickauerstraße Nummer 25 zeigt die Jahreszahl 1630. Für den Kunstfreund ist von den Privatgebäuden höchstens ein einziges von Interesse; das ist das Haus dem weißen Roß gegenüber, Ecke Zwickauerstraße und Markt. Dieses Haus, angeblich als herrschaftlich Schönburgischer Witwensitz errichtet, bildet mit seiner prächtigen Holzkonstruktion, seinen beiden Dachaufsätzen und dem mit einem Zwiebeldache verzierten Eckerker einen großen Schmuck des Hartensteiner Marktplatzes. Die Kirche besteht erst seit ungefähr 25 Jahren. Die beiden Rundbilder, welche an der Außenseite eingemauert sind und den Kopf Johannes des Täufers und das Siegeslamm darstellen sollen, entstammen der alten Hartensteiner Kirche. Diese alte Hartensteiner Kirche soll, solange sie noch katholisch war, die Kirche unserer lieben Frauen geheißen und unter dem Bischof in Naumburg gestanden haben. In der Kirche standen 2 Altäre, zu welchen Zinsen von Alberoda und Affalter gehörten. Die Einführung der Reformation in den Schönburgischen Herrschaften erfolgte im Jahre 1542; der erste lutherische Pastor zu Hartenstein war Andreas Wagner, der aber bereits 1539 seine Köchin, namens Elisabeth Reuther, heiratete. Neben der Kirche hat es auch noch eine Kapelle gegeben; wir finden, daß eine solche 1539 zu einem Seuchenhause umgewandelt wird. An der alten Hartensteiner Kirche ist sehr viel herumgebaut worden. 1588 fing man an, sie gänzlich umzugestalten, und sie erhielt dadurch im wesentlichen die Gestalt, welche sie bis zu ihrem Abbruche im Jahre 1869 gehabt hat. Die Kirche muß vor diesem Umbaue ein recht unwürdiges Aussehen gehabt haben; denn der Hofprediger Zechendorf nennt sie eine „alte Lucerne und Laterne”. Die Mittel zu dem Kirchenbau wurden vor allem durch Hugo II. Beihilfe aufgebracht. Von ihm erhielt die Kirche auch die gemalte Decke, die mit Bildern aus der biblischen Geschichte geziert war. Der Kirchturm, welcher Grundmauern hatte, die ungefähr in der Mitte des Turmes in ein Achteck übergingen, wurde erst 1615 vollendet; denn in diesem Jahre erst wurde der Turmknopf aufgesetzt. In den Akten, die der Hofprediger Zechendorf in den Knopf legen ließ, heißt es, daß das Holz zum Turmbau aus dem herrschaftlichen Wald geschenkt worden ist, da die verwitwete Frau Catharine, Herrin zu Hartenstein, 300 Gülden, der Herr von Stein, Herr Eichelbert v. Trützschler, 200 Gülden und das städtische Malzhaus 300 Gülden geschenkt hat, außerdem wird mitgeteilt, daß der damalige Pastor in Wildbach, Johann Viehweger, den Knopf hat vergolden lassen. Zechendorf giebt in diesen Akten, die in Versen abgefaßt sind, auch eine Schilderung seiner Zeit, es heißt darin:

„Der Zustand der Kirche Gottes war,
Daß allenhalben die Calvinische Lahr
Einreiß neben der Papisterey,
Viel Irrthumb, Rotten, Sekten auch dabei.
Doch war in diesem Städtlein klein
Die Lutherisch Lahr gepredigt rein,
Dazu Absolution und Sakrament
Nach Christi Ordnung ausgespen’t.
In der Welt und gemeinen Leben
That Neid, Haß und Hoffarth schweben,
Lügen, Betrügen und Simoney
Waren die besten Schwestern drei.
Schatzung, Armut und Teuerung
Gabs dieser Zeit auch genung.”

Es geben diese Worte gewiß ein treffliches Bild von der „guten, alten Zeit”.

An die Kirche angebaut wurde das herrschaftliche Erbbegräbnis. Viele der Herren v. Schönburg sind hier beigesetzt worden; zuerst der Erbauer des Begräbnisses selbst, Hugo II. Von den Herren von Stein lagen einige in der Kirche vor dem Altarplatz begraben. Die Herren von Hartenstein, als auch die von Stein hatten in der Kirche ihr herrschaftliches Chor. Kanzel und Altar wurden 1750 neuerbaut und von den Tischlermeister Otto aus Schneeberg für 200 Rthl. verfertigt. Eine Abbildung des alten Taufsteines, der auch noch aufbewahrt wird, besitzt der K. S. Altertumsverein zu Dresden. Wer eine genauere Beschreibung der alten Hartensteiner Kirche wünscht, der findet eine solche aus dem Jahre 1844, vom damaligen Hartensteiner Diakonus Fr. Wilh. Landgraf verfaßt, in der Kirchengalerie Sachsens. Die Kirche ist sehr oft beschenkt worden; es würde zu weit führen, wollte man alle diese Schenkungen aufzuzählen versuchen. Sie ist aber auch zu wiederholten Malen bestohlen worden, und die Geschenke mußten öfters nur das Gestohlene ersetzen. Im Jahre 1555 wurde die Kirche erbrochen und 2 große und ein kleiner Kelch gestohlen. Der Räuber war ein gewisser Barthel Haller, welcher auf der bei Hartenstein gelegenen Zinnoberzeche in Arbeit stand. Der Name Bergwerksberg, auf dem noch Ende des vorigen Jahrhunderts nach Zinnober gegraben wurde, erinnert an diese Zeche. Durch die Bemühungen des Rates zu Joachimsthal, woselbst der Dieb den kleinen Kelch an einen Goldschmied verkauft hatte, erlangte die Kirche das eine der Gefäße wieder. 1598 wurden während des Gottesdienstes aus dem Hause des Kirchenvorstandes zwei Kelche entwendet. Ebenso wurde die Kirche 1769 bestohlen, es ist aber nicht angegeben, was eigentlich gestohlen worden ist; wir wissen bloß, daß in dem genannten Jahre die vereinigten Maurer, Zimmerlinge, Schieferdecker, Fleischer und Weißbäcker einen silbernen, vergoldeten Kelch, die Tischler, Glaser, Wagner und Seiler 2 zinnerne Armleuchter schenkten, und daß auch die Kommune eine silberne, inwendig vergoldete Weinkanne der Kirche zum Geschenk machte.

Die jetzige Pfarrwohnung war die Wohnung des Diakonus. Das Haus gegenüber, leicht erkenntlich durch die Gedenktafel an Hartensteins großen Sohn, den Dichter Paul Fleming, ist die frühere Schule. Hier wohnte der jedesmalige Kantor, bis 1824 der einzige Lehrer des Städtchens. Mit dem Kantorat war zugleich auch das Amt eines Gerichtsschreibers verbunden. 1824 wurde das Schulhaus nach der großen Kirchgasse zu erweitert, um Platz zu bekommen für die wachsende Kinderzahl und den neu angestellten 2. Lehrer. Noch im Jahre 1844 gab es nur 2 Klassen. — Schon aus dem Jahre 1549 wird berichtet, daß ein neuer Schulmeister zu Hartenstein angenommen worden ist, derselbe war vom Pfarrer in Grünhain „rekommandieret”, und es wurden ihm 2 Gülden auf den Dienst gegeben. Flemings Vater, Abraham Fleming, war erst Lehrer und dann Diakonus in Hartenstein. Landgraf führt in der Kirchengalerie die Kantoren an, die seit Mitte des vorigen Jahrhunderts in Hartenstein gewirkt haben. Es sind folgende:

  1. Gottfried Funcke, er wurde 1751 Diakonus. Sein zu Hartenstein geborener Sohn, Gottfried Benedikt Funcke, wurde Konsistorialrat in Magdeburg, von ihm stammt in unserem Landesgesangbuche das Osterlied Nummer 121 („Hallelujah, jauchzt ihr Chöre —”)
  2. Solbrig.
  3. M. Joh. Bretschneider. Sein Sohn ist der berühmte Generalsuperintendent in Gotha, dessen Werke jedem Theologen bekannt sein dürften.
  4. Joh. Gotth. Geißler, † 1803.
  5. Karl Leberecht Ehregott Größel, welcher 1826 am Abende vor Pfingsten auf dem Wege von Wildenfels nach Stein in der Mulde verunglückte.
  6. Friedr. Ad. Schuster, der auf dem Seminar zu Freiberg vorgebildet war und seit 1827 das Kantorat verwaltete. —

Die andere Lehrerstelle, mit welcher das Organistenamt verbunden war, haben seit ihrer Gründung verwaltet: Mallder, Jakob, Lungwitz, Weber. Das jetzige Schulhaus am Markte wurde im Dezember 1848 eingeweiht; Kantor Schuster und Organist Weber waren die ersten, die in dem neuen Hause wirkten. Die Zahl der Lehrkräfte ist inzwischen auf 6 gestiegen. Das frühere Rathaus auf der Mitte des Marktes war im 17. Jahrhundert erbaut. Das einfache schmucklose Gebäude zeigte auf der einen Seite in Sandstein ausgeführt das Stadtwappen und darunter die Jahreszahl 1664. In den Akten wird jedoch berichtet, daß am 3. November 1666 erst der Turmknopf aufgesetzt wurde. Der Stein mit dem Wappen wird im Schularchive aufbewahrt. Die Bedeutung des Hartensteiner Stadtwappens ist nicht klar; es zeigt in blau und gelbem Felde zwei schräg gekreuzte Widerhaken und aufgesetzt einen Turm. — Ein herrschaftlicher Kammerschreiber, Georg Hüter, schenkte zu dem Baue des Rathauses 100 Rthl. 1685 baute man nachträglich eine Schenkstube in das Rathaus hinein; 1836 wurde ein größerer Umbau mit ihm vorgenommen, und am 10. April 1889 wurde es ein Raub der Flammen. Es hatte dasselbe Schicksal wie das frühere. Dieses fiel der großen Feuersbrunst zum Opfer, welche am 26. Oktober 1624 Hartenstein heimsuchte und 28 Häuser und 14 Scheunen in Schutt und Asche legte. Es war dies gewiß ein gewaltiger Brand, doch sind derartige Verwüstungen in früheren Jahrhunderten nichts seltenes und aus der Bauart der Häuser leicht erklärlich. Der Hartensteiner Brand war angelegt und zwar von einem Schneiderlehrling, namens Christian Korn und einem Kürschnerlehrling, namens Christoph Schneider. Beide wurden am 19. Juli des folgenden Jahres vor der Stadt verbrannt.

Im Sommer 1643 scheinen sich sehr heftige Gewitter über Hartenstein entladen zu haben; wir lesen, daß während des Monats Juni der Blitz neunmal in den Schloßturm geschlagen hat. Der Juni des Jahres 1644 brachte eine große Wasserflut, durch welche sowohl die Brücke in Stein als auch die sogenannte Eisenbrücke durch die Mulde weggerissen wurde.

Auch von der Not und den Drangsalen des Krieges ist Hartenstein nicht verschont geblieben. Die große Bauernrevolution vom Jahre 1525 warf ihre Wellen auch bis in die Hartensteiner Gegend. Die Bauern von Stein erklärten ihrem Herrn, daß „sie nicht bedacht wären, ihm Frone zu thun oder Zins zu geben, auch wollen sie Wild, Wasser und Jagd frei haben”. Sie gingen sogar soweit, das Steiner Schloß zu belagern. Ferner wird berichtet, daß die übermütigen Bauern die Pfarrhäuser plünderten und die Pfarrer mißhandelten, daß sie Klösterlein bei Aue zerstörten und die Wiesenburg einnahmen. Die Strafe blieb nicht aus, und Herr Ernst v. Schönburg zeigte sich in seiner Herrschaft besonders streng im Bestrafen. Er ließ in Hartenstein fünf aufrührerische Bauern enthaupten.

Das größte Elend brachte der 30jährige Krieg. Noch ehe unser Vaterland in den eigentlichen Krieg hineingezogen ward, gab es schon Not die Fülle. Durch die Kriegsrüstungen wuchsen die Steuern immer mehr, sächsische Truppen wurden einquartiert und mußten auf Kosten der Städte verpflegt werden, von Böhmen her durchzogen kaiserliche Truppen, um nach Norddeutschland zu gelangen, das Erzgebirge und verübten, trotzdem Sachsen neutrales Gebiet war, allerlei Greuel. So wurde 1623 das Vorwerk vor Hartenstein, wahrscheinlich das jetzige Schloßgut, durch derartig durchziehende Truppen völlig niedergebrannt, es ist aber nicht ausgeschlossen, daß diese Truppen auch Sachsen gewesen sind. Dazu kam noch für Hartenstein, daß die Stadt 1624 zum großen Teil niederbrannte. Was war aber all die Not gegen diejenige, die noch kommen sollte! 1632 fiel der gefürchtete kaiserliche Feldherr Holk im Vogtlande ein und wandte sich dem Erzgebirge zu. Blut und Verwüstung bezeichneten seinen Weg. Schneeberg wurde genommen, Lößnitz geplündert, Zwickau besetzt. Die Besatzung von Zwickau zog dann raubend und plündernd in der Umgegend umher, auch aus Hartenstein wurden eines Tages 200 Schafe und 100 Stück Rindvieh hinweggetrieben. Im folgenden Jahre wiederholte sich Holkes Vernichtungszug. Später hausten die Schweden, die aus Freunden erbitterte Feinde geworden waren, in der Gegend; durch den langen Krieg verroht, überboten sie noch die Schandthaten der Holk’schen Kroaten. Die Chronisten von Schneeberg und Zwickau wissen viel von der Schwedennot zu erzählen. Um die Zeit des Holkeschen Einfalles hatte sich noch ein anderer unheimlicher Gast eingefunden, der sich schon einmal im Jahre 1613 in der Hartensteiner Gegend breit gemacht hatte, nämlich — die Pest. Und dieser unheimliche Gast kehrte 1633 wieder, ebenso 1640 und 1641. In dem zuletzt genannten Jahre hauste dieselbe in Hartenstein so arg, daß vom Juli bis November 65 Personen von dieser Seuche dahingerafft wurden. Es wurde ein besonderer Teil des Gottesackers zur Beerdigung der Pestleichen bestimmt und ein Pestpförtchen im oberen Winkel der Mauer durchgebrochen. Ein besonderer Totengräber wurde angestellt, dieser bekam für eine jede Pestleiche 2 Thaler, monatlich 4 Thaler Wartegeld und wöchentlich 24 Kannen Bier nebst 2 Broten. Das Jahr 1682 scheint noch einmal ein Pestjahr gewesen zu sein; denn Barbara Zeunerin aus Wernsdorf, die wegen doppelter Ehe angeklagt war, sühnte ihr Vergehen dadurch, daß sie eine Pestleiche begrub und ein Kind aus einem verpesteten Hause in Thierfeld herausholte und pflegte.

Nach dem 30jährigen Kriege herrschte unsägliches Elend, und man kann es leicht begreifen, warum die Bewohner Hartensteins ihr abgebranntes Rathaus erst nach 40 Jahren wieder aufbauten.

Der 7jährige Krieg hat auch die Hartensteiner Gegend berührt. Im Juni 1759 war bei Hartenstein ein preußisches Lager, auch fand in demselben Jahre bei Aue ein Treffen zwischen Preußen und Österreichern statt. Bekannt ist, daß Friedrich der Große im Feindeslande Rekruten für sein Heer ausheben ließ; so ließ er in Schneeberg die jungen, brauchbaren Leute des Nachts aus den Betten holen. Auch 1813 hat die Hartensteiner Gegend feindliche Truppen zu sehen bekommen, wir wissen durch Hörensagen, daß z. B. Kosaken in Hartenstein einquartiert waren.

Schreckliche Jahre für das ganze Erzgebirge waren die Hungerjahre 1771/72. Es herrschte damals durch Mißwachs eine derartige Teuerung, daß der Scheffel Korn bis 15 Thaler im Preise stieg. Pastor Ösfeld in Lößnitz erzählt, daß daselbst keine Pfennigbrote mehr gebacken wurden und daß die Zahl der Bettler, die an den Thüren um Brot flehten, an einem Tage oft über 400 betrug. Viele Menschen starben thatsächlich aus Mangel an Nahrungsmitteln, viele auch an dem grassierenden Faulfieber. Im Kircheninspektonsbezirk Hartenstein, der die Stadt, Thierfeld, Beutha, Mülsen St. Niklas und St. Jakob umfaßte, zählte man 1772 106 Geburten und 463 Leichen. — Das Jahr 1847 brachte noch einmal eine Teuerung, doch läßt sich diese kaum vergleichen mit der von 1771/72.

Wichtige Erfindungen, die dem Menschen des 19. Jahrhunderts zu machen vorbehalten waren, brachten ungeheure Umwälzungen auf dem Gebiete des Verkehrswesens, der Industrie und des Gewerbelebens hervor. Keine Stadt, sei sie noch so unbedeutend, kann sich diesen Neuerungen auf die Dauer entziehen. Im Jahre 1858 wurde die Eisenbahnverbindung zwischen Zwickau und Schwarzenberg fertiggestellt und der Bahnhof in Stein erbaut. Welchen ungeahnten Aufschwung nahm nur seit dieser Zeit das Postwesen! Die Bewohner Hartensteins am Anfange unseres Jahrhunderts waren gewiß stolz darauf, daß wöchentlich zweimal eine reitende Post durch ihre Stadt ging. Was würden sie aber sagen, wenn man sie einweihen könnte in das jetzige Verkehrsleben, wenn man sie überzeugen könnte, daß eine Nachricht, um von Hartenstein nach Dresden zu gelangen, nur 5 – 6 Minuten braucht, oder daß man auf dem Postamte in Hartenstein mit einer Person, die sich zu gleicher Zeit im Bahnhofe zu Stein befindet, sprechen kann! Und wie würden sie staunen über das elektrische Licht, welches die neugebaute Villa an der Bahnhofstraße erleuchtet!

Damit sind wir am Schlusse unserer Ausführungen angelangt; mögen de Leser derselben die Überzeugung gewonnen haben, daß die Stadt Hartenstein, obgleich sie klein und immer klein gewesen ist, doch eine Vergangenheit hat, die der Beachtung und der Nachforschung wohl würdig ist!

Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 15. Jg. Nr. 8, v. August 1895, S. 110 – 113.