Der Fichtelberg in Lehmanns „Historischem Schauplatze.”

Da gegenwärtig der König unserer sächsischen Berge, der Fichtelberg mit seinem neuen, schönen Unterkunftshause die besondere Aufmerksamkeit der Erzgebirgsvereine und aller Naturfreunde auf sich zieht, dürfte es gewiß auch nicht uninteressant sein, das auszugsweise zu hören, was der Altvater unserer erzgebirgischen Geschichtsschreibung, M. Christian Lehmann, in seinem histor. Schauplatze über Namen, Gestalt, Lage, Höhe und „Wildigkeit” dieses Berges sagt. Zum Namen bemerkt er unter Anderem: „Dieser Fichtelberg, auf dessen Schooß, Vor- und Mittel-Gebirge Neustadt Wiesenthal an der Böhmischen Grentze gegen Joachimsthal liegt, hat seinen Nahmen sonder Zweiffel vom Egrischen grossen Fichtelberg [Das jetzige Fichtelgebirge.] geborget, als welcher im Eger-Creiß auch der höchste ist und viel Aeste, Arme und Hörner von sich strecket, und damit den gantzen Böhmischen Wald-Krantz heßlich unwegsam und furchtsam machet, von dem der erste Kayserl. gekrönte Poet Conradus Celtes aus Franken, so 1505 gestorben, in seinem Carmine de Sylva Hercynia also schreibet:

„Im Mittel des Schwarzwalds, der sich durch Teutschland ziehet,
Um dessen Berg und Thal sich Roß und Mann bemühet,
Erhebt der Fichtelberg das Haupt biß Himmel an,
Daß man gar weit und breit die Hörner sehen kann.”

Alle Autores nennen den grossen Fichtelberg Piniferum, von der Menge der Fichten, so darauf und umher wachsen. Weil denn nun nichts neues, daß ein Ort von dem andern, ein Gebirge von dem andern benennet wird, so ist auch nicht unglaublich, daß unser Wiesenthäler Fichtelberg seinen Nahmen vom Egrischen entlehnet. Es will aber der gelehrte Agricola, da er redet von dem höchsten Sudödischen Gebirge, mit dieser Benennung nicht zufrieden sein, sondern sagt: Hunc falso Piniferum vocarunt, welches Albinus in seiner Berg-Chronik am Rand mit einer NB bezeichnet: Pinifer falso dictus, er werde unrecht Fichtelberg genant, und möchte man wol sagen, es sei der Name gar zu general, massen so noch alle andre mit Fichten bewachsene Berge auch müsten Piniferi oder Fichtelberge heißen; gleichwol jetzt keiner die Ursache darzu, warum nicht, es giebt auch keiner einen bessern Nahme und schickt darmit einer den andern zum April.”

Zu des Fichtelbergs Gestalt und „Lager” äußert sich Lehmann: „Es wird aber dieser Fichtelberg in zwey Hörner, in Hintern und Vördern Fichtelberg abgetheilet. Jener liegt gerade im Mittel an der Böhmischen Grentze und am höchsten auf der Teutschen Seiten, als ein Marckstein zwischen Böhmen und Meissen, an der Jochimsthaler Strassen, daran die Rainsteine stehen und den Unterschied des Landes zeigen. An seinem Fuß und Schooß liegt das Churfürstl. Neustädel und darunter auf beiden Seiten die Marktflecken Meißnisch- und Böhmisch-Wiesenthal. Darzwischen der Bach Pila die Rainung hält. Gegen Morgen und Mittag siehet er in Böhmen, gegen Abend ins Vogtland, gegen Mitternacht in Meissen. — Der fördere ist eine gantze Meile lang, reichet bis an Neudorff gegen Mitternacht und verändert sein Gehänge daselbst den Nahmen. Von ferne praesentirt er gegen Morgen eine rauche Bauers-Mütz; von Mittag her einen Kopff ohne Haare; von Mitternacht her einen alten Braunschweiger Hut oder dunkele Wolke am Himmel. Dieser zwiefache oder zweyköpfigte Fichtelberg lässet sich mit dem grossen Egrischen in unterschiedlichen Stücken vergleichen.”

Der Chronist geht nun näher auf die Unterschiede der 2 Bergzüge ein und bemerkt schließlich von unsrem Fichtelberge, daß er seine Arme, Knöchel und Gebeine nach Böhmen und Meissen erstrecke und an demselben sonderlich 12 Arme zu zählen seien, welche er nach ihrer Ausdehnung, Richtung und den hauptsächlichsten dazu gehörigen Höhen und Gipfeln sehr ausführlich beschreibt. Dann fährt er fort: „Also ist unser kleiner Fichtelberg eben auf seiner Höhe, sumpfigt und marrastig, als ein Wasserschlauch, Fontaine und überlauffende Brust, indem von ihm auf der Teutschen Seite 12 benahmte Bächlein, auf der Böhmischen aber 16 weit ins Land lauffen, die Eger und zwey Muldaflüsse helffen stärken und groß machen; wie denn auch viel Gebirge in die 8 Meilen herum und lang, naß, sumpfigt und marrastig ist, daß ohne Brücken und Schahlhöltzer gar schwerlich, ja an manchen Wildnissen gar nicht darüber zu kommen ist. Unter diesen Bächen, so ihren Ursprung an dem Fichtelberg nehmen, sind die vornehmsten das Schwartzwasser, Zopa, Sehma und Pila.”

Des Fichtelbergs Höhe und „Wildigkeit” schildert der treffliche Geschichtsschreiber folgendermaßen, „Ferner übersteiget dieser Berg alle umliegende, außer dem hohen Barthomer und Thürnberg, der disseits Jochimsthal auf Schlackawerdischer Herrschaft Grund und Boden in fast gleicher Höhe empor raget, mit Nebel und Schnee am längsten im Sommer hinaus bedecket. Die Jochimsthälischen Berge und Gehänge sind vom Kirchplatz besagter Bergstadt an biß auf ihre Höhe 140 Berglachtern oder 490 Werk-Ellen hoch seiger gerad in die Höhe. Gegen Abend liegt die Breitenbrunner Höhe, die steiget vom Rittersgrüner Bach an hinauf 750 Duppelschritt hoch. Gegen Mitternacht steiget man an diesen Berg vom Bach Sem an über den Eisenberg eine Stunde hoch, und von dar fast noch eine Stunde biß auf die obere Spitze, von welcher man bei hellem Himmel sich ziemlich weit kan umsehen, als gegen Morgen weit übern Stoltzenhayn und Küheberg, gegen Nord-Ost übern Pilberg und biß Augustusburg; der Scheibenberg ist gegen ihm, wie ein flacher Hügel. Ich bin unterschiedlich berichtet worden, daß man diesen Berg sehen könne eine Stunde von Zeitz herauf im freyen Felde, welches auf zwölffte halb Meilen beträgt; Eine Meile unter Glauchau bei Ruedesdorff 8 Meilen; Eine Viertelmeile von Prag auf dem Weissenberg; Hingegen kan man im Sommer bei heller klarer Lufft vermittelst eines Perspektivs in Böhmen nach Sotz und Leitmeritz, ja wie einige wollen gesehen haben, gar das Pragerische Schloß oder Lusthaus, der Stern genannt, auf 15 Meilen in die Ferne erblicken (!); gegen Abend übersiehet es die Böhmisch- und Meißnischen Grentz-Wälder bis nach Eibenstock und Schneeberg hinaus, die vormals, da ich dieses geschrieben, in die 4 Meilen lang und breit dick und finster waren, daß einem für die Wildniß grausete; gegen Mitternacht siehet er weit hinunter in das Meißnerland nach Grimmitsch, Rötha, Falkenstein und Halle etc. Die Höhe verursachet, daß er meistentheils wilde, rauhe und ungestüm ist, selten ohne Nebel und Wolken und daher ein rechter Wetterhahn des gantzen Ober-Gebirges oder Calender, daraus man gute oder böse Wetter muthmasset. Man hat erfahren, daß der Schnee in seinen Racheln und Schluchten den halben Sommer durch, auch wohl ein Jahr nach dem andern gehalten. Seine Rauhigkeit erhellet aus dem obern unfruchtbaren Boden, da ohne mühsame Wasserleitung und Dünge kein Getreyd gerathen, ja auch die Häfer nicht reifen wollen. So läst der Sturm und Frost, der saure rothleimigte Marrast und sonderlich der häuffige Schnee die Bäume darauf nicht hoch wachsen, sie werden gedrückt, geknehrt, und müssen versauren, massen sie dann wegen des von Nord-Ost herstreichenden Sturmwetters gantz rauhe, struppicht und höckericht aussehen und vom Wind gebogene verkröpelte Aeste gegen Süd-Ost neigen. Man erzählet zwar, daß vor 100 Jahren ein Lust- und Jagdhaus, von den Schönburgischen Herren erbauet, darauf soll gestanden seyn, aber nunmehr ist nichts mehr darauf zu finden, weil es mag wenig Ergötzlichkeit gegeben haben, auch ein Büchsenschuß und Donnerschall darauf schlechten Knall giebet, sondern von der Lufft gleichsam verschlungen wird. Man gehet offt in gutem Wetter hinauf, ehe man sichs versiehet, ist er mit Nebel und Wolken überzogen, daß man gantz naß herabsteiget und im Grunde einen starken Regen antrifft. Nunmehr wird er um und um ziemlich geputzet und beschoren, und dürfte bald eine Platte tragen.” —

Könnte doch der gute Mann, unser verehrter Magister Lehmann, jetzt herschauen! Nicht nur ist seit langer Zeit die königliche Forstverwaltung bemüht gewesen, den Berg in seiner ganzen Ausdehnung und bis zum Gipfel hinan trotz aller nachteiligen Einflüsse des rauhen Klimas den forstmännischen Regeln und Fortschritten entsprechend zu bepflanzen, wie es ja auch der auf der Höhe den Verdiensten des frühern Oberförsters Starke errichtete Ehren- und Gedenkstein bezeugt; sondern man hat ihn auch in den gegenwärtigen Tagen, um den Fremdenbesuch zu erhöhen und zu erleichtern, mit einem wohlansehnlichen, wohleingerichteten Unterkunftshause gekrönt, dem wir wünschen wollen, daß es bis in die fernsten Zeiten seine Bestimmung aufs Schönste und Beste erfüllen möge. Darauf ein herzinniges: „Glückauf!”

H—z—s.

Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 9. Jg. Nr. 8 v. August 1889, S. 74 – 76.