Neudörfel bei Schneeberg als Sommerfrische.

Schon vor einigen Jahren hatte sich meine Aufmerksamkeit dem nur aus wenigen Häusern bestehenden und in unmittelbarer Nähe des Nadelwaldes ungefähr 500 m über dem Spiegel der Ostsee auf einer Berglehne liegenden Dörfchen Neudörfel zugewendet. Mir erschien dasselbe wohl zu einem Sommerfrischorte geeignet, wenn in ihm nur einige Wohnungen zu beschaffen gewesen wären. Jetzt hat sich dies insofern günstiger gestaltet, als einzelne Personen oder selbst Familien daselbst in zwei Häusern, wenn sie bescheidene Ansprüche machen wollen, ein kräftigendes und erfrischendes Stillleben führen können. Zunächst hat der Waldaufseher Gottlob Schubert ein ganz massives Haus dicht an dem durch das Dorf von Auerhammer nach Zschorlau führenden Kommunikationswege erbaut, in welchem zwei größere heizbare Wohnzimmer (mit 5 und 3 Fenstern) und daran stoßenden, nicht heizbaren Schlafräumen (mit je 3 Fenstern) an Sommerfrische Suchende zu vermieten sind. Von der Rückseite des Hauses tritt man ohne weiteres in den der Stadt Schneeberg gehörenden Nadelwald. Nahe dabei liegt das Gütchen des Ökonomen Gustav Friedrich, in welchem ebenfalls zwei Zimmer zunächst bis zum Beginn der Sommerferien vermietet werden sollen. Es ist nämlich wohl zu hoffen, daß auch in diesem Jahre, wie dies bereits zweimal geschehen ist, wieder eine Leipziger Ferienkolonie zu der angegebenen Zeit in dieses Gut verlegt werden wird. Der Umstand aber, daß dies geschehen ist, dürfte einerseits zu Gunsten des Besitzers, andererseits aber auch überhaupt für die gesunde Lage des Ortes Neudörfel sprechen. Der Preis für die volle Pension beim Ökonomen Friedrich beläuft sich auf wöchentlich 18 – 20 Mk. Der Waldwärter Schubert hat zur Zeit noch keine Berechnungen machen können, wird jedoch ganz bescheidene Forderungen stellen und werden Reflektierende gebeten, in dieser Beziehung das weitere mit dem Besitzer, welcher den Wünschen gemäß die nötigen Einrichtungen treffen will, zu vereinbaren.

Zur ungefähren Orientierung über die Lage Neudörfels möge schließlich noch folgendes beigefügt sein: Gegenüber dem Ort erhebt sich der 584,9 m hohe, mit einem Aussichtsturme versehene Gleßberg (in ca. 20 Minuten zu ersteigen); zwischen diesem Berge und der nach dem „gemauerten Steine” (herrlicher Blick nach Aue), sowie der „hohen Fahrt” (591 m) ansteigenden Waldhöhe zieht sich der Gößnitzgrund mit dem in Auerhammer in die Mulde mündenden und vom Filzteiche und den dahinter liegenden ausgedehnten Mooren kommenden Filzbache hin. Im Grunde liegen die Tauscher- und Heßmühle. Die Landschaftsbilder vom Orte aus sind fesselnd. In unmittelbarer Nähe befindet sich der Flößgraben, an welchem hin bequeme und lohnende Spaziergänge stundenweit unternommen werden können. (Der Flößgraben beginnt am Schindlerschen Werke bei der Haltestelle Bockau und endet in Niederschlema.)

Von Neudörfel bis zu dem hübsch an der Mulde gelegenen Auerhammer (Gasthof und Restauration Schweizerhaus) ¼ Stunde, bis zum Bahnhof Aue kaum ¾ Stunde, bis Schneeberg und Neustädtel ¾ Stunde.

Gelegenheit zu geselligem Verkehre ist demnach in Neudörfel vorhanden; andernfalls aber kann jemand daselbst vollständig von der Außenwelt abgeschlossen und nur in der frischen Natur, in reiner Wald- und Bergluft leben. Das Wirtshaus in Neudörfel zu besuchen, wird er kaum Neigung verspüren.

Dr. Köhler.

Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 2. Jahrgang. No. 5 v. 15. Mai 1882, S. 44.