Fragen um Schwarzenberg

Glückauf. Zeitschrift des Erzgebirgsvereins. 62. Jahrgang. Nr. 6/1942. S. 58 – 60.

Von Lic. Dr. Leo Bönhoff, Radebeul.

Bevor unter Kurfürst Johann Friedrich den Großmütigen Schwarzenberg ein landesherrliches Amt ward, gehörte es als Herrschaft denen v. Tettau (15./16. Jahrhundert), den Burggrafen von Leisnig auf Penig und Rochsburg (14./15. Jahrhundert) und den Herren von Lobdeburg-Elsterberg (14. Jahrhundert). Neuerdings hat man die letzteren als die wahrscheinlichen Erstbesiedler der Schwarzenberger Pflege (um 1200) angesprochen. Gewiß haben die Elsterberger ihre Verdienste um die Weiterbesiedlung dieser Gegend, allein sie haben doch Besitzvorgänger gehabt. Nach alten Grabsteinen sind in der Klosterkirche zu Grünhain Herr Bernhard von Elsterberg und seine Frau Elisabeth, jener im Jahre 1303, diese im Jahre 1312 beigesetzt worden. Bernhard muß nicht zu lange nach der Besitzergreifung von Schwarzenberg verstorben sein. Denn der Grünhainer Mönch Konrad Feiner überliefert uns in seinem Büchlein „Gloria” (vergl. darüber: diesen Jahrgang S. 70) unterm Jahre 1302, daß zwischen dem Abte von Grünhain und dem Vogte Heinrich von Plauen die Fischerei in dem Grenzflusse Schwarzwasser so geregelt ward, daß beide gleiche Rechte daran ausüben sollten. Jener Vogt war Grenznachbar des Klosters: seine Herrschaft Schwarzenberg stieß an das Gebiet der Abtei, von der sie durch das genannte Gewässer geschieden wurde; er hatte die Fischerei darin allein beansprucht. Nun wäre die eben gemachte Quellenangabe für sich prekär, kämen nicht noch zwei Urkunden hinzu, um sie zu stützen.

In der einen Urkunde vom 21. Dezember 1282, in der übrigens die „civitas” Schwarzenberg zum ersten Male auftaucht, erscheint sie als der Ort einer Schenkung, die Vogt Heinrich von Gera an das Kloster Grünhain macht. Als Notar des Schenkgebers tritt hierin der Pleban (Pfarrer) Hermann von Hirschfeld auf. Dieser Ort ist beiläufig nicht, wie gewöhnlich annimmt, das sächsische Hirschfeld bei Zwickau, sondern das thüringische (reußische) Hirschfeld bei Gera; denn es ist klar, daß der Vogt von Gera einen Geistlichen aus der nächsten Nähe seines Herrschaftssitzes als seinen Schreiber angenommen hat. An erster Stelle unter den Zeugen aber werden seine nahen Verwandten (Vettern) aufgeführt: die beiden jüngeren Vögte von Plauen! Wir wollen hier kurz Verwandtschaft und Stammbaum klarstellen. Es handelt sich um das Haus der Vögte von Weida: der Sohn Erkenberts I. (1122) ist Heinrich I.; ihm folgt sein Sohn Heinrich II. der Reiche; er hatte drei Söhne: Heinrich III., den Stammvater der 1538 ausgestorbenen Vögte (später Herren) von Weida, Heinrich IV. und Heinrich V., der kinderlos zu Greiz starb. Der mittlere von ihnen, Heinrich IV., der dem Deutschen Ritterorden 1224 die große Pfarrei Plauen schenkte und dann selbst den weißen Mantel nahm, ist der Vater zweier Söhne: Vogt Heinrich I. von Plauen und Vogt Heinrich I. von Gera. Der erstere besaß wiederum zwei Söhne: Heinrich den Böhmen und Heinrich den Reußen (Rutenus) — dieser Name erscheint hier zum ersten Male in der Familie! Er überlebt aber diese beiden, die ihrerseits jeder einen Sohn hinterließen. Sie sind auch die beiden obigen Zeugen, während der Vogt von Gera ihr Vatersbruder ist!

Eine zweite Urkunde vom 24. August 1302 nennt als die Aussteller, die dem Cronschwitzer Nonnenkloster Güter und Patronatsrecht in Paitzdorf bei Ronneburg bestätigen, Vogt Heinrich I. von Plauen und seine Enkel, Heinrich von Seeberg und Heinrich von Schwarz(en)berg. Der erste Enkel, später Heinrich der Lange genannt, war der Sohn Heinrichs des Böhmen, der dort begütert war, und der Katharina von Riesenburg; er ist der Stammvater der nachmaligen Titularburggrafen von Meißen, nach deren Erlöschen das Vogtland bekanntlich an die Wettiner fiel. Er war verheiratet mit Margarete von Seeberg und durch seine Gemahlin Teil- oder zeitweils Alleinbesitzer dieser böhmischen (bei Eger) gelegenen Herrschaft; darum nannte er sich nach derselben! Das ist wichtig der Analogie wegen: sein Vetter, der Sohn Heinrichs I. Reuß, nannte sich entsprechend nach der Herrschaft Schwarzenberg; das ist unser erzgebirgisches Schwarzenberg, wie noch weiter unten erhellen wird. Daß die Benennung nach bloßen Ansprüchen erfolgt sein soll, die er auf das thüringische Schwarzburg erhob, will mir nicht einleuchten. Es ist nun eine offene Frage: seit wie lange hatten die Plauenschen Vögte Schwarzenberg inne? Im Jahre 1302 berichtet uns Konrad Feiner von einem derartigen Besitze (s. o.); es handelt sich dabei, wie wir eben sahen, um den einen Enkel Vogt Heinrichs I. von Plauen. Im Jahre 1282 ist der Vater dieses Enkels, zugleich der jüngere Sohn dieses Vogtes, Heinrich I. Reuß, einer der beiden Zeugen in der angezogenen Urkunde (s. o.), wohl der Herrschaftsinhaber bez. -mitinhaber (neben Vater und Bruder). Da seine Nachkommen später im Besitze der Schwarzenberg benachbarten Herrschaft Wiesenburg mit Kirchberg erscheinen, die, nach einer Vertragsurkunde der drei Vögte von Weida für ihren Lehnsherrn Markgraf Dietrich von Meißen vom 1. September 1254 zu schließen, bereits ihr Vater Heinrich II. von diesem zu Lehn getragen haben muß, so würde dies gut zusammenstimmen! Daß die Nachfolger der Reußen im Besitze Schwarzenbergs die Lobdeburger sind, erklärt sich aus ihrer Nachbarschaft im Vogtlande: Elsterberg liegt ja mit seinem Herrschaftsgebiete zwischen Plauen und Greiz mit den ihrigen. Bei diesem Besitzwechsel scheint übrigens die Herrschaft Schwarzenberg eine Gebietsminderung erfahren zu haben. Die Reußen behielten sich den „Schneeberg” samt seiner Umgebung, d. h. „die älteste Pfarrei auf dem Berge”, nämlich Griesbach mit den Dörfern Lindenau und Zschorlau (ganz ?) vor und zogen ihn zur Herrschaft Wiesenburg, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts an die v. d. Planitz gedieh. Vielleicht darf man annehmen, daß schon Vogt Heinrich I. von Plauen, der ein hohes Alter erreicht hat, da er ja seine beiden Söhne überlebte. Wir rücken damit über die Hälfte des 13. Jahrhunderts hinauf. Es wäre schließlich nicht ganz ausgeschlossen, daß auch sein Vater Heinrich IV., ja sogar sein Großvater Heinrich II. in Betracht käme; dann stünden wir am Anfange des gedachten Jahrhunderts, doch muß dies dahingestellt bleiben.

Wir finden also Schwarzenberg um 1250 bis über 1300 hinaus in den Händen der Vögte von Plauen und ihrer jüngeren Linie, der Reußen, desgleichen auch die Gegend um Mylau und Reichenbach. Nicht minder taucht Lichtenstein (zwischen Glauchau und Stollberg) als ein Ritterlehn der Herren von Schönburg auf: der Pürstein-Egerberger Zweig ihrer Glauchauer Linie, verfügte darüber bis zum Jahre 1384, in dem es an den älteren Glauchauer Zweig überging. Aber warum führe ich diese Tatsachen an? Wir kommen jetzt auf die Urkunde König Friedrichs II. zu sprechen, die zu Basel vom 26. September 1212 datiert ist, und worin er dem Böhmenkönig Ottokar I. das Eigentum an folgenden Besitzungen überläßt: außer Schwarzenberg, Mylau mit Reichenbach, Lichtenstein und eventuell Dohna gehören noch Floß, Luhe und Mantel dazu. Im übrigen wollen wir bemerken, daß es sich hier nicht um eine zweite Bestätigung einer solchen handelte; denn Friedrichs Vaterbruder, König Philipp von Schwaben, hatte zu Mainz cc. 8. September 1198 diese Güter dem Przemysliden überlassen, und Friedrichs Vorgänger und Gegner, der Welfe Otto IV., zu Merseburg cc. 24. August 1203 bestätigt!! Jedenfalls hatte Philipps Vater und Friedrichs Großvater, Kaiser Friedrich I. (Barbarossa), Schwarzenberg von Herzog Heinrich Jasomirgott von Melk (Österreich), dem Babenberger, erworben; die Frage ist nur die, ob hier unser erzgebirgisches Schwarzenberg gemeint ist! Das wird neuerdings bestritten: man sucht es in Franken. Will man aber vom erzgebirgischen Schwarzenberg absehen, dann könnte man doch eher an das am Südende des Böhmerwaldes gelegene Schwarzenberg in Oberösterreich (am Fuße des Plöckensteins) denken, das an die Südwestecke Böhmens angrenzt. Aber muß man das erzgebirgische Schwarzenberg ohne weiteres aufgeben? Muß man auch Lichtenstein in Franken suchen, wie manche wollen? Ja, welchen Umfang, ganz zu schweigen von ihren Besitzern, besaßen denn eigentlich Lichtenstein und Schwarzenberg im Frankenlande? Und waren wohl beide, nach dem Umfange zu urteilen, größer als die erzgebirgischen Liegenschaften des gleichen Namens? In der Urkunde, die wir besprechen, sind sicher die Identifikationen der im Westen Böhmens gelegenen Schlösser Mantel, Luhe und Floß (alle drei in der Oberpfalz). Sicher sind ebenfalls die von Mylau, Reichenbach und Dohna. Nur Schwarzenberg und Lichtenstein will man nicht im Erzgebirge suchen! Aber stellt man sie beide mit Mylau-Reichenbach zusammen, waren nicht alle vier wertvolle Stützpunkte für Böhmen im thüringisch-pleißenländischen Bereiche? Man versteht ferner unter den „ministeriales”, die für Schwarzenberg neben den „servi” urkundlich aufgeführt werden, nur große Reichsministerialen, also Dienstherren mit umfänglichem Besitze. Was hindert uns daran, zumal in Verbindung mit den „servi” an kleinere Dienstleute (milites simplices) mit geringerem Lehn zu denken? Könnte man auch nicht bei den „servi” an kriegsdienstpflichtige Freigutsbesitzer oder Freihofsbauern (in equo servientes) erinnert werden? Beachten wir, daß in Eibenstock sich drei, in Sosa zwei Freihöfe befanden, ferner daß in Breitenbrunn eine ursprüngliche Wasserfeste (munitio) angelegt war, die das Fundament des späteren kurfürstlichen Jagdschlosses abgab, daß weiterhin ein Vorwerk zu Schwarzenberg selbst bestand, das wir wohl als das Stammgut derer v. Schwarzenberg ansprechen dürfen, schließlich daß späterhin in Bauernwirtschaften aufgeteilte Großgüter zu Kleinpöhla, zu Crandorf und zu Albernau, anscheinend auch zu Aue und zu Burkhardtsgrün teils erwiesen, teils vermutet werden können! Das ergäbe Lehen für „ministeriales” und „servi”. War Schwarzenberg nicht in Verbindung mit Schlettau wertvoll, da man mit beiden die Gebiete der Grafschaft Hartenstein und der Abtei Grünhain in die Zange nehmen konnte? Als Barbarossa seiner Zeit Schwarzenberg erwarb, betrachtete er es als südlichste Deckung des von ihm geförderten und vergrößerten Pleißenlandes, in dessen Grenzen ja auch die 60 Hufen lagen, mit denen man das Klösterlein Zelle in der Aue ausstattete, das in allernächster Nähe von Schwarzenberg angelegt ward. Es sollte gewiß dessen Schutz genießen. Da seine Gründung ins Jahr 1173 fällt, so käme man mit der Besiedlung der Schwarzenberger Pflege in die Zeit um 1150/60; man hat doch da Zelle sicher in der Nähe von besiedeltem Gelände angelegt! Fragt man, wie denn der Babenberger ins Erzgebirge komme, so will ich nur daran zu denken bitten, daß wir ja um 1122 auch die westfälischen Grafen von Eberstein im Gau Dobena, d. h. im Vogtlande vorfinden, oder daß ein dem Altenburger Bergerkloster zugehöriges Gut zu Oberleupten, das dessen Probst von dem Reichsministerialen Hugo von Waldenburg erworben hatte, von dem Burggrafen von Nürnberg als zu seinem Lehn gehörig (feudum extra curtem) beansprucht und erwiesen wurde! Letzten Endes steht hier Behauptung gegen Behauptung, die jeder, so gut er kann, vertritt und verficht.

Bild: Schwarzenberg im Frühling (Glückauf-Archiv)

Nur eine Frage bleibt noch zu erörtern: das ist die nach der Lehnshoheit von Schwarzenberg. Die obige Urkunde aus dem Jahre 1212 muß längere Zeit verschollen gewesen sein. Sie fand sich um die Mitte des 14. Jahrhunderts in der herzoglichen Kanzlei von Österreich vor und ward von dort an Kaiser Karl IV. als König von Böhmen, der daran interessiert war, ausgeantwortet. Dieser ließ von ihr am 30. Juni 1358 eine Abschrift (Resumpt) nehmen, die er beglaubigte, in der jedoch merkwürdigerweise Lichtenstein ausgelassen ward. Die Urkunde kam übrigens sehr zupaß, als im sogenannten vogtländischen Krieg die Krone von Böhmen ihre Ansprüche auf die Oberlehnshoheit über Mylau und Reichenbach auf Grund derselben gehörig zur Geltung zu bringen vermochte, so daß sie die Reußen anzuerkennen gezwungen waren! Daß Lichtenstein fehlt, mag daher rühren, daß es im Jahre 1350 samt Ponitz (im Altenburgischen) als ein wettinisches Lehn der Herren von Schönburg galt; späterhin aber gehört es als Pertinenz (Ritterlehn, das heimfiel) der Herrschaft Glauchau unter böhmische Oberhoheit. Unser Schwarzenberg erscheint im Jahre 1372 im Vertrage von Pirna (25. November) als ein Lehn der Wettiner, das ihnen Karl IV. garantiert; ein Gleiches gilt 1382: hier tritt der Burggraf von Leisnig mit Schwarzenberg als markgräflich meißnischer Vasall auf. Erst der Vertrag zu Eger, den die Wettiner 1459 mit dem Böhmenkönig Georg von Podiebrad abschlossen, spricht zum ersten Male deutlich die böhmische Oberlehnshoheit aus, unter der Schwarzenberg als pflichtenloses Lehn dieser Krone stand. Hier erheben sich zwei Fragen: Warum hat Georg von Podiebrad diesen Anspruch geltend gemacht und durchgesetzt? Warum hat Karl IV. ihn bei Mylau erhoben, hingegen bei Schwarzenberg davon abgesehen? Hat er ihn zurückgestellt um seiner wettinischen Bundesgenossen willen oder gar stillschweigend einstweilen fallen lassen?

Nur eine Frage bleibt noch zu erörtern: das ist die nach der Lehnshoheit von Schwarzenberg. Die obige Urkunde aus dem Jahre 1212 muß längere Zeit verschollen gewesen sein. Sie fand sich um die Mitte des 14. Jahrhunderts in der herzoglichen Kanzlei von Österreich vor und ward von dort an Kaiser Karl IV. als König von Böhmen, der daran interessiert war, ausgeantwortet. Dieser ließ von ihr am 30. Juni 1358 eine Abschrift (Resumpt) nehmen, die er beglaubigte, in der jedoch merkwürdigerweise Lichtenstein ausgelassen ward. Die Urkunde kam übrigens sehr zupaß, als im sogenannten vogtländischen Krieg die Krone von Böhmen ihre Ansprüche auf die Oberlehnshoheit über Mylau und Reichenbach auf Grund derselben gehörig zur Geltung zu bringen vermochte, so daß sie die Reußen anzuerkennen gezwungen waren! Daß Lichtenstein fehlt, mag daher rühren, daß es im Jahre 1350 samt Ponitz (im Altenburgischen) als ein wettinisches Lehn der Herren von Schönburg galt; späterhin aber gehört es als Pertinenz (Ritterlehn, das heimfiel) der Herrschaft Glauchau unter böhmische Oberhoheit. Unser Schwarzenberg erscheint im Jahre 1372 im Vertrage von Pirna (25. November) als ein Lehn der Wettiner, das ihnen Karl IV. garantiert; ein Gleiches gilt 1382: hier tritt der Burggraf von Leisnig mit Schwarzenberg als markgräflich meißnischer Vasall auf. Erst der Vertrag zu Eger, den die Wettiner 1459 mit dem Böhmenkönig Georg von Podiebrad abschlossen, spricht zum ersten Male deutlich die böhmische Oberlehnshoheit aus, unter der Schwarzenberg als pflichtenloses Lehn dieser Krone stand. Hier erheben sich zwei Fragen: Warum hat Georg von Podiebrad diesen Anspruch geltend gemacht und durchgesetzt? Warum hat Karl IV. ihn bei Mylau erhoben, hingegen bei Schwarzenberg davon abgesehen? Hat er ihn zurückgestellt um seiner wettinischen Bundesgenossen willen oder gar stillschweigend einstweilen fallen lassen?