(3. Fortsetzung)
Erzgebirgisches Sonntagsblatt 119. Jahrgang, Nr. 41, 10. Oktober 1926, S. 6
Der alte, damals jedem Annaberger Kinde bekannte Bergmarsch, wurde auf sogenannten russischen Hörnern (von denen manche bis zur Erde reichten), geblasen *). Vor der Musik wurden 2 Pauken, die in der Mitte verbunden waren, rechts und links von je einem Bergmann getragen. Die auf den Pauken zur Marschmusik besonders im Trio ausgeführten Wirbel erregten mein besonderes Interesse und imponierten mir. Nach dem Eintritt in die Kirche wurde die Fahne, flankiert von 2 Schichtmeistern, nach dem Bergaltar (auch Marienaltar genannt) getragen und auf dessen oberster Stufe, auf der drei Stühle standen, niedergesetzt. Nach Beendigung des Gottesdienstes zog der Zug wieder nach dem Marktplatz, wo er sich auflöste.
Am Nachmittag fanden für die Bergleute in mehreren Sälen Festlichkeiten statt.
Der alte Annaberger Bergmannsmarsch erfreute sich in der Annaberger Einwohnerschaft einer großen Volkstümlichkeit. In meiner Jugendzeit und später noch gab es in Annaberg keine Hochzeits-, Kindtaufs- und Geburtstagsfeier, bei der nicht der Marsch auf irgend einem Instrument gespielt, oder, wenn keines vorhanden war, auf Kämmen geblasen wurde. In einer größeren Stadt fand ich vor einigen Jahren auf einem Konzertprogramm den Annaberger Bergmannsmarsch, und als Komponist Ferd. Anacker (Kantor in Freiberg und Komponist des Bergmannsgrußes) aufgeführt. Das ist aber nicht richtig. Anacker hat von 1790 bis 1855 gelebt. Lange vor ihm existierte aber schon der Marsch. Der Annaberger Stadtmusikdirektor Ernst Stahl, der vielen alten Annabergern noch bekannt sein wird, hat diesen Marsch für Orchester und Pianoforte gesetzt, der verstorbene Musiklehrer Chr. Altmann später auch für Zither. Es wäre interessant, über die Entstehung des Marsches Bestimmteres zu erfahren.
Um auf den nun seit 34 Jahren vollständig eingegangenen Bergbau zurückzukommen, möchte ich hier noch einer von dem Bergingenieur Dr. Gustav Stein in Zwickau verfaßten, in der Wissenschaftlichen Beilage zur Leipziger Zeitung vom 3. Novbr. 1892 erschienenen geschichtlichen Abhandlung über: Aus den Schicksalen des Annaberger „Silberbergbaues“ gedenken. Es heißt darin:
„Ein vielhundertjähriges Stück vaterländischer Städtegeschichte hat vor kurzer Zeit (das war 1892) durch eine einfache, wohl von den meisten unbeachtete Bekanntmachung in den Spalten dieses Blattes (gemeint ist die eingeg. Leipziger Zeitung) seinen Abschluß gefunden. Der Vorstand des letzten in Annaberg noch in Betrieb gewesenen Silberbergwerkes „Himmelfahrt Fundgrube“ machte bekannt, daß die Liquidation der Gewerkschaft beschlossen worden ist. Diese unscheinbaren, nüchternen Worte erzählen uns, daß einer der ältesten und berühmtesten Bergbaue im Königreich Sachsen, der von Annaberg im Erzgebirge, erloschen ist, und eine der ältesten Bergstädte Sachsens aufgehört hat, eine solche zu sein.“
Und weiter schreibt der Verfasser dieser Abhandlung über die Fülle des Reichtums, den die Silbergruben über ihre Besitzer ergossen haben, folgendes: „So hat z. B. eine einzige Grube des Annaberger Reviers, der „Markus Röhling“, im 20jährigen Zeitraum von 1545 bis 1565 über 3 ½ Millionen Mark an Silber geliefert. Ein anschauliches Bild der wechselndem Schicksale eines Silberbergwerkes liefert übrigens gerade diese Grube. Gegen die Mitte des 16. Jahrh. in höchster Blüte stehend, verfiel sie hierauf allmählich immer mehr, so daß man etwa 100 Jahre später, um 1663, nicht einmal die Einfahrtstelle des Tageschachtes und das Mundloch des Stollens mehr kannte. Im Jahre 1724 wurde die Grube wieder aufgenommen und hat von da bis 1780 gegen 160 Zentner Silber und 6500 Ztr. Kobalt geliefert. Mit wechselndem Glück wurde die Grube von da an bald als freiverbauende, d. h. solche, bei welcher der Ertrag eben die Kosten deckt, bald als Ausbeutegrube betrieben, bis sie später vollkommen eingestellt wurde. Aehnliche Schwankungen hat der gesamte Annaberger Bergbau durchzumachen gehabt. Auf mehrere Perioden größten Aufschwungs folgten wiederholt solche des Stillstandes. Wie die oben erwähnte einzelne Grube, so hat auch der gesamte Annaberger Bergbau seine höchste Blüte um die Mitte des 16. Jahrhunderts gehabt, um welche sich die beim dortigen Bergbau einfahrende Mannschaft auf 2000 belief. Um diese Zeit war der zu sprichwörtlicher Berühmtheit gelangte Rechenmeister Adam Ries beim Annaberger Bergbau als Bergschreiber angestellt. Im 19. Jahrhundert haben die Gruben allerdings eine fast stetige Abnahme erfahren. Noch im Jahre 1822 betrug die Zahl der anfahrenden Mannschaft gegen 300. Uebrigens hatte der Annaberger Bergbau nicht nur wegen seines Silberreichtums, sondern namentlich auch als Fundort einer ganzen Reihe schöner und seltener Mineralien in der wissenschaftlichen Welt einen großen Ruf erlangt, und es dürfte kaum eine größere Mineralien-Sammlung geben, in der nicht Annaberg durch zahlreiche Fundstücke Zeugnis seines hohen Mineralreichtums niedergelegt und für spätere Zeiten gesichert hätte. Auch in der Wissenschaft ist dem Annaberger Bergbau ein bleibendes Denkmal errichtet worden, indem ein in den dortigen Gruben vorkommendes, nickelhaltiges Mineral mit dem Namen Annabergit belegt worden ist. Verschiedene Ursachen haben dazu mitgewirkt, daß die Annaberger Gruben immer mehr und mehr verfielen. Im Jahre 1888 war als einzige und letzte die Grube „Himmelfahrt Fundgrube“ mit im ganzen 18 Bergleuten im Betrieb. Nun ist vor kurzem (1892) auch diese letzte der noch betriebenen Annaberger Silbergruben erloschen und der einst so reich gesegnete Annaberger Silberbergbau, welcher gerade in diesen Tagen (am 27. Oktober 1892) sein 400jähriges Jubiläum gefeiert hätte, scheint somit erschöpft zu sein. Blickt man aber auf die volle vier Jahrhunderte umfassenden Geschicke dieses Bergbaues zurück, und sieht man, wie er auf solche Perioden scheinbar völliger Erschöpfung wiederholt rasch wieder zu hoher Blüte gelangt ist, so darf man wohl die Hoffnung hegen, daß er auch diesmal über kurz oder lang aus dem Scheintode erwachen wird und Annaberg auch für die Zukunft nicht vergeblich das Sinnbild des Bergbaues, Schlegel und Eisen, in seinem Wappen führt, und nicht aufhören wird zu sein, was es war, eine Bergstadt; und daß auch ferner in seinen Straßen nicht aussterben wird der schöne Bergmannsgruß Glückauf!“
Diesem Wunsche werden sich gewiß alle, die ihre Heimatstadt Annaberg lieb haben, aus vollem Herzen anschließen.
In meinen Jugendjahren war der Frohnauer Hammer noch in vollem Betrieb. Da dröhnten noch die schweren Hämmer und mehrmals habe ich, von der Werkstüre aus, dem Getriebe staunend zugeschaut. Den alten Hammerwerksbesitzer Martin, von gedrungener kräftiger Gestalt, habe ich oft in seinem „Hammer“ gesehen. Zu seinen ehemaligen Schulkameraden zählte er auch den schon erwähnten Geh. Reg.-Rat Reiche-Eisenstuck, der es nicht unterließ, bei seinen Spazierfahrten; die ihn vor dem Frohnauer Hammer vorbeiführten, seinen alten Freund Martin, selbst wenn dieser in seinem Arbeitsanzuge war, zu begrüßen und sich mit ihm zu unterhalten.
Nun ist das alte, einstmals durch die veränderten Zeitverhältnisse fast dem Untergange entgegengehende Hammerwerk durch die vor Jahren schon erfolgte Gründung des „Hammerbundes“ zur Freude aller Heimatliebenden zu neuem Leben wieder erwacht. Alles wie es einstens war. Möge das Hammerwerk noch in den spätesten Zeiten ein Zeugnis dafür sein, was Bürgersinn und Heimatliebe zu schaffen und zu erhalten vermag.