Die Kurfürstlichen Silberschmelzhütten bei Annaberg-Buchholz.

Von Joh. Sehm, Auerbach i. V.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 26 – Sonntag, den 26. Juni 1927, S. 1

Von den etwa 11 Schmelzhütten, die sich einst im Sehmatale bei Annaberg-Buchholz befanden, gehörten auch drei Silberschmelzhütten dem Landesherrn. Ueber diese soll hier näheres berichtet werden und zwar hauptsächlich auf Grund von Akten des Bergamtes Freiberg (Loc. 51 Nr. 1116), die vor etwa hundert Jahren beim Bergamt Annaberg wegen Anlegung einer neuen Silberschmelzhütte im Obererzgebirge geführt worden sind.

Alte Darstellung eines Bergwerkbetriebes bei Annaberg-Buchholz.

Die drei Kurfürstlichen Silberschmelzhütten führten die Bezeichnungen „Buchholzer Hütte“ oder „Mittelhütte“ (zu verstehen als „mittlere Buchholzer Hütte“, nicht die mittlere der drei Kurfürstl. Hütten), „Obere Hütte bei Maltitzlehn“. Die Buchholzer oder Mittelhütte haben wir etwa bei der Turnhalle an der Talstraße in Buchholz zu suchen, während die obere Annaberger Hütte beim Beginn der Talstraße unterhalb des jetzigen Gemeindeverband-Ferngaswerkes und die untere Annaberger Hütte unterhalb der Frohnauer Brücke beim Frohnauer Hammer lag. Außerdem soll früher noch die Rede von einer anderen Schmelzhütte gewesen sein, ohne daß sich sagen ließe, ob es eine vierte oder eine der genannten drei Hütten gewesen ist. Wahrscheinlich ist es die sogen. Mittelhütte gewesen, die ausschließlich die Buchholzer genannt wurde. Auch finden sich aus dem 16. Jahrhundert nur dreierlei Rechnungen: eine von der Buchholzer, eine von der oberen Annaberger und eine von der unteren Annaberger Schmelzhütte.

Die Buchholzer Hütte scheint die größte gewesen zu sein. Sie hatte 4 Schmelzöfen und einen Treibofen. Im Jahre 1547 war sie von Peter Schollers Erben dem Landesherrn abgetreten, ihr Betrieb jedoch 1591 eingestellt worden. Unterm 9. August 1591 – in welchem Jahre auch die Rechnungen der Buchholzer Hütte enden – war anbefohlen worden: „daß, da bei dem stockenden Bergbau auf Annaberg nicht wohl 3 Hütten erforderlich seien, das Schmelzen in der Mittleren Hütte eingestellt und auf die Obere und Untere Hütte verteilt, die Mittelhütte aber in baulichem Wesen erhalten werden sollte, falls sie wieder gebraucht wurde“. Auf kurfürstlichen Befehl wurde die Buchholzer Hütte am 8. Februar 1609 mit noch drei Kohl- und Meilerstätten vom Bergmeister Christoph Hoppe dem Richter Hieronymus Bach in Buchholz verliehen. Während die Kohlstätten in anderen Besitz übergingen, war die Schmelzhütte in eine Mahlmühle umgebaut worden und wurde 1615 als „mahlmühl mit einem Gange und dem daranstoßenden wohnhauß, gartten vnd hoffstadt, bey den Geyer vnd S. Conradtsstoln gelegen, so vor alters eine schmelzhütte gewesen“ mit allen Freiheiten und Gerechtigkeiten, drei Pochstätten, Halden, Wasserlauf, Gräben, Räumen, Ställen, Scheunengebäuden und sonstigem Zubehör für 800 Gulden an den Gerichtsnotar Philipp Badehorn in Buchholz verkauft. Vor Hieronymus Bach ist wahrscheinlich schon ein Georg Ziegler Besitzer der Schmelzhütte gewesen, der den Umbau in eine Mühle vornahm. Die Buchholzer Hütte hatte ihren eigenen Hüttenschreiber, während ein zweiter Hüttenschreiberb die anderen beiden Hütten administrierte.

Alle drei Hütten verschmolzen im 16. Jahrhundert fast gleiche Erze, denn ein und dieselbe Grube ging bald in die eine, bald in die andere Hütte zu Gaste. Der Betrieb war insbesondere in den dreißiger und vierziger Jahren sehr stark. Die Zechen, welche damals in jenen Hütten schmelzten, waren insbesondere: Petri Paul beim heiligen Kreuz, Raphael, Sct. Barbara am Mühlberge, Kohlstätte (eine bedeutende Grube), Wolfgang am Schottenberge, Prixius am Pöhlberge, Blasius im Buchholze, Sct. Rosel am Mühlberge, Alter dicker Michel beim Spittel, Bäuerin, König David, Weinkeller, Dorothea zu Frohnau, Josua, Sct. George im Seidenschwanz, Erosmus im Zinnacker, Feigenbaum, Elende Marie, Johannes-Stolln, Siebenschläfer, Allerheiligen zu Waltersdorf, Sct. Benedict, Sct. Lorenz, Silberner Löffel, Futterstall und andere.

Außerdem wurden Haldenerze, Zinnerze und auch schon 1533 Geschur von einer alten, Valentin Thiel (Zusammenhang mit der „alten Thiele“ im Buchholzer Walde, welche Bastian Thiel in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Zinngrube besaß?) gehörig gewesenen Hüttenstätte, so wie 1579 alte Kupferschlacken mit zugute gemacht.

Kurz nach der 1555 von Berthold Köhler erfundenen Roharbeit findet man diese auch auf den Annaberger Hütten angewendet. Die Rohsteine fielen 4 und 5 lötig aus und das Werklei kaum mörkig. Es wurde zum Teil in sehr kleinen Treiben auf Kosten der Grube vertrieben, zum Teil aber auch von den Hütten abgekauft, was zuweilen mit den Rohsteinen ebenfalls geschah.

Die zur Bleiarbeit kommenden Erze röstete man in Brennöfen, um sie von vorhandenem Schwefel und Arsen zu befreien. Das Schmelzen selbst erfolgte in besonderen Schmelzöfen. Die geröstete Beschickung wurde unter Zusatz von Schlacken und sonstigen Zuschlägen mit Holzkohle lagenweise aufgegeben. Die geschmolzenen Massen gingen zu Boden und sammelten sich im Sumpfe des Ofens an, wo sie sich nach ihrem spezifischen Gewicht schieden, nämlich zu unterst das Werkblei, hierüber der Bleistein und zu oberst die Bleischlacken. Im Werkblei, d. i. einem mit Arsen, Antimon, Zinn und Kupfer verunreinigtem Blei, sammelte sich der größte Teil des in der Bleierzbeschickung enthalten gewesenen Silbers an. Zur Befreiung des Werkbleies von seinem geringen Kupfergehalt wurde es gesaigert, d. h. im Saigerofen auf einer geneigten Herdsohle bei niedriger Temperatur eingeschmolzen, wobei das Blei infolge seiner leichteren Schmelzbarkeit abfloß, das Kupfer aber auf dem Herd zurückblieb. Schließlich wurde das Werkblei zur Trennung des Bleis vom Silber durch ein oxydierendes Schmelzen bei Flammenfeuer auf einem völlig überdeckten, flach ausgetieften Herde, dem sogen. Treibeherde, abgetrieben. Dabei wurde das leicht oxydierbare Blei durch Einwirkung von Gebläseluft in Glätte verwandelt, diese im flüssigen Zustande von dem an Silber immer reicher werdenden, ebenfalls flüssigen Bleileder (silberreiches Blei) entfernt, und das auf diesem Wege sehr schwer oxydierbare Silber endlich bis zu einem gewissen Grade Reinheit gebracht. (Vergl. die Darstellungen auf der Rückseite des Bergaltars in der St. Annenkirche). –

Der am 21. Juli 1565 südwestlich von Buchholz niedergegangene Wolkenbruch, welcher einen großen Teil der Zinngruben im Buchholzer Walde vernichtete, war auch auf die Annaberger (und Wolkensteiner) Hütten von unheilvollem Einfluß. Er verwüstete die eine derselben fast ganz und die Flut war so groß, daß sie selbst den 20 Zentner schweren eisernen Treibehut mit sich fortnahm.

Im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts waren nur noch die obere und die niedere Hütte gangbar. Endlich wurde die obere auch eingestellt und die niedere fristete sich nur sparsam fort.

Diese niedere Hütte war ums Jahr 1624 einem gewissen Hans Hahn pachtweise überlassen worden, welcher einen Erz- und Steinkauf im Annaberger Reviere eröffnet hatte. Lange Jahre trieb Hahn sein Einkaufsgeschäft, doch kam dabei die Hütte immer mehr in Verfall und endlich war sie so von allen Schmelzwerksvorräten entblößt, daß kaum noch ein Schmelzgast in ihr schmelzen konnte.

Da Hahn jedoch seinen Pacht gerne verlängert haben wollte, so schaffte er ums Jahr 1644 schnell Geyersche Kiese und Kohlen an und mutete auch eine Flößzeche, angeblich nur um den armen Bergleuten Gelegenheit zu geben, ihr bischen Erz, wenn sie es nicht zu verkaufen willens wären, wenigstens zu Stein machen zu können. So wurde denn für kurze Zeit in der beinahe erkalteten Hütte wieder etwas Leben rege.

1647 trug der Landesherr den Erzkauf auf Balthasar Böttger über, dem ein geschickter Schneeberger Schmelzer, Balthasar Staderoth, zur Seite stand. Das Privilegium dehnte sich auf alle Silber- und Kupfererze im Obererzgebirge und Vogtland aus. Böttger stand gegen Entrichtung eines Zinses jede herrschaftliche Hütte zu Gebote. Höchsten Orts wurde der Fortbestand dieses alten Erzkaufs zur Erhaltung des Bergbaues für dringend nötig befunden, da man eingesehen hatte, daß die ziemlich unartigen obererzgebirgischen Erze nur dann mit Vorteil zugute zu machen waren, wenn man sie zusammen gattierte. Alles ausgebrachte Kupfer und Silber mußte in die herrschaftlichen Zehnten geliefert werden. Der Erzkäufer zahlte selbst die kurfürstlichen Gebührnisse und kaufte die Erze nach folgenden Sätzen:

Wenn der Zentner Erz
enthielt:
so wurde das Lot Silber
bezahlt mit:
1 Lot3 Groschen,
2 Lot4 Groschen,
3 bis 4 Lot5 Groschen,
5 bis 8 Lot6 Groschen,
9 bis 12 Lot7 Groschen,
12 Lot und mehr8 Groschen.

Bei Rohsteinkäufen galten dieselben Sätze mit Zulage von 1 Groschen für jedes Lot Silber.

Auf die Annaberger Hütte war jedoch auch dieser neue Erz- und Steinkauf, welcher 3 Jahre dauerte, von sehr geringem Einflusse, denn Böttger beschäftigte sich mehr in Schneeberg und machte im Annaberger Revier fast gar keine Geschäfte.

1655 war die Hütte so baufällig geworden, daß kaum noch darinnen etwas vorgenommen werden konnte. U. a. konnte 1664 Franziskus Hegenwald „wohlberühmter Doctor medicinae und Physicus“ ein Pochwerk und einen dabei stehenden Brennofen erhalten, „welcher uf die Churfl. Schmelzhüttenstadt biß Zuerbauung deroselben zu sezen vergünstiget worden“. In diesem Zustande schleppte sich die Hütte bis in das 18. Jahrhundert fort. Nur dann und wann kam ein kleines Schmelzen noch vor. Sie behielt jedoch immer einen verpflichteten Schmelzer und Abtreiber, welche auf Verlangen erscheinen mußten.

Im Jahre 1705 schmelzten wieder 10 verschiedene Gruben in der Hütte, wobei 10 Zentner Schwarzkupfer mit 49 Mark Silber ausgebracht wurden. Die schmelzenden Gruben kamen dabei aber sehr zu Schaden, da ihre Erze blendig und kobaltischstreng und überhaupt so voll Unrat waren, daß man sie ohne andere Erze nicht gut verarbeiten konnte. Der damalige Hüttenschreiber Wernike nahm daher Gelegenheit, abermals die Notwendigkeit eines Erzkaufs vorzustellen und sich zu dessen Uebernahme zu erbieten. Er machte dabei geltend, daß die auf dem Hüttenplatze schon befindlichen Schlacken nicht zu gebrauchen seien und erst welche aus Geyer geholt werden müßten.

Wernicke pachtete nun die Annaberger Hütte und schloß 1707 einen Erz- und Steinkaufskontrakt auf acht Jahre (von 1708 bis 1717) ab, nach welchem er Fug und Recht hatte, im Annaberger, Geyerschen und Ehrenfriedersdorfer Revier Silber-, Blei- und Kupfererze abzukaufen. Alle Gruben in diesen Revieren mußten, wenn sie nicht selbst schmelzten, die Erze erst ihm anbieten. Blose Schlackenschmelzen ohne Erz und Stein waren ihm nicht erlaubt, als Zuschläge aber standen ihm alle Schlacken von sämtlichen frei liegenden kurfürstlichen Hütten zu Gebote. Er zahlte für die Hütte bei Annaberg nebst Pochwerk und Zubehör jährlich 60 Meißnische Gulden und erhielt für jede Mark abgelieferten feinen Silbers 12 Gulden 18 Groschen, wovon jedoch noch die herrschaftlichen Gebührnisse abgingen.

Der Schragen Kohl- und Röstholz wurde ihm für 8 gute Groschen, ausschl. Schreibe- und Anwesegeld, abgelassen und die Erze kosteten ihm durchschnittlich nur ein Drittel von dem, was man im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts bei der Antonshütte dafür bezahlte. Strenge Erze, wenn sie nicht über 1½ Lot Silber enthielten, nahm er gar nicht an. Die Gruben waren mit diesen Bedingungen sehr wohl zufrieden, nur die Ehrenfriedersdorfer nicht, denen die Hütte schon zu entfernt lag.

Wie preiswert damaliger Zeit alles war, geht noch daraus hervor, daß z. B. ein Hochofen, welcher von Grund auf mit zugehörigen Anzüchten, Pfeilern und Treppen aufgeführt wurde, nicht mehr als 16 Gulden kostete, und daß für 2 Paar hölzerne Balgen für den Hochofen und Treibeherd nur zusammen 58 Gulden veranschlagt wurden.

Nachdem so im Sommer 1708 die Schmelzhütte im Grunde wieder angerichtet worden war, wurde 1709, am 19. April, wieder geschmelzt. (Richter I S. 384).

Wernickes Erz- und Steinkauf scheint indessen nicht lange Bestand gehabt zu haben. Er verlangte, daß alle Gruben der genannten Reviere, wenn sie selbst schmelzen wollten, in seine Pachthütte kommen sollten. Da dieses nicht geschah und man die Heiterhütte vorzog, verwickelte er sich in Streitigkeiten, welche ihm die Sache verleideten. Besonders aber fand er sich beeinträchtigt durch die ausgedehnten, obgleich späteren Privilegien der Wolkensteiner geheimen Sozietät.

Späterhin wurde die Annaberger Hütte nur noch zum Zinnschmelzen und Wismutsaigern verwendet, doch hätte sie beinahe im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts neue Bedeutung erhalten. Ums Jahr 1767 wurde nämlich der Plan rege, die Marienberger Schmelzung dahin zu verlegen, um dem Bergbau bei Annaberg, Wiesenthal, Scheibenberg, Ehrenfriedersdorf, Jöhstadt und Bärenstein mehr aufzuhelfen. Den Marienberger Gruben sollte dafür Erzfuhrlohnzulage gegeben werden und die dortige Hütte nur Zinnhütte bleiben. Das damalige Bergamt zu Annaberg arbeitete sehr für diesen Plan, und versicherte, daß auf den Wiesenthaler, Waschleither und Elterleiner Berggebäuden glänzige, blendige und Kupfererze vorkämen, auf welche, solange die Schmelze so entfernt sei, gar keine Rücksicht genommen werden könnte. Besonders sollten Kupfererze in ziemlicher Menge und ganz derb aufzubringen sein.

Schon wurde unterm 16. Dezember 1767 jene Verlegung durchs höchstes Rescript genehmigt, allein die darauf folgenden Erörterungen zerstörten den Plan wieder, da die Wiedervorrichtung der fast ganz zerstörten Hütte zu kostspielig war und wegen Einführung eines dortigen Rohschmelzens sich mancherlei Bedenken fanden.

Auf diese Weise waren die Annaberger Kurfürstlichen Silberschmelzhütten nach und nach immer mehr verfallen, so daß sich davon um 1830 nur noch die Schlackenhaufen und einzelne Ueberreste von Gebäuden fanden, deren letzte Spuren nun auch heute verschwunden sind.