„Die Häuerleins thun singen, daß im Gebürg thut klingen.“

Illustriertes Erzgebirgisches Sonntagsblatt 132. Jahrgang Nr. 9 vom 26. Februar 1939. S. 1 – 2.

Über deutsche Bergmannslieder.

Seit den Tagen des alten deutschen Silberbergbaues ist der Bergmannsstand in besonderem Maße ein singender gewesen. Die Arbeit unter Tage, die bergmännische Kunst von jeher in sich gekehrt und besinnlich machte, hat auch das Bergmannslied besonders reich und von einer eigentümlichen Innigkeit in deutschen Landen emporblühen lassen:

„Thut jedermann sich freuen
da hört man die Berg-Reyhen
die Häuerlein thun singen
daß im Gebürg thut klingen.“

So heißt es schon in einem Bergmannslied um das Jahr 1700. Es ist das besondere Verdienst Gerhard Heilfurths und der englischen Forscherin Elizabeth Marriage, die schon vor dem Kriege mit verschiedenen Liedersammlungen hervorgetreten ist, daß sie uns jetzt als Jahresgabe der Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart eine historisch-kritische Ausgabe des oft angeführten „Bergliederbüchleins“ im Verlage Karl W. Hirsemann, Leipzig, vorlegen, womit sie uns eine wahre Fundgrube älterer bergmännischer Dichtung erschlossen haben. Das Bergliederbüchlein ist uns als Quelle zweier so viel gesungener Lieder, wie „Ich habe Luft im weiten Feld“ und „O Tannenbaum, du trägst ein‘ grünen Zweig“ seit langem vertraut. Während wir es aber bisher mit Franz Magnus Böhme auf das Jahr 1740 angesetzt hatten, darf nun durch die Forschungen Heilfurths das Jahr 1700 mit einiger Sicherheit als Entstehungsjahr des in der Bergstadt Freiberg entstandenen Werkes gelten. Martin Opitz und die ausgelassene Sinnenfreude des Frühbarock sind ausgiebig darin zu Worte gekommen, und man glaubt sich manchmal beim Lesen der zum Teil keineswegs zartbesaiteten Liebes- und Trinklieder mitten in Arno Holzens „Dafnis“ versetzt. Daneben klingt aber immer wieder das schlichte ältere Volkslied auf, wie es damals am Beginn der Aufklärung in Deutschland noch aus der ersten Hand in einem singenden Volke lebendig war — jenes Volkslied, das dann innerhalb weniger Jahrzehnte so klaftertief verschüttet werden sollte, daß es erst durch den jungen Goethe und seinen Freund Herder als etwas schon längst Verschollenes wieder entdeckt werden mußte.

Das Brauchtum des Bergmannsstandes bot häufig Gelegenheit zum Musizieren und zum Singen. Da waren die großen Feste der Bergknappschaft, die Aufzüge, Bergwerkfeiern, Stadtfeste und Fürstenbesuche, die bald eine kleine Musik, bald eine Aufwartung in großem Stil verlangten. Als die Bergknappschaft am 16./17. Mai 1701 den Beginn des 18. Jahrhunderts feierte, zogen über 1600 Mann im Aufzug — bei der 1. und 3. Kompanie marschierten je sechs „Bergsänger“ mit einer Zither, der 2. gingen sechs Bergleute als Hoboistenmusik voran. Die Bergmusiker bauten selbst Violinen und Blasinstrumente und konnten ohne Mühe jede Instrumentalmusik bestreiten, wie uns Georg Schünemann in seiner Schrift „Freiberger Bergmusiker“ mitgeteilt hat. Und so fehlt es denn in unserem älteren bergmännischen Liederschatz nicht an Aufforderungen zum Singen und Jubilieren.

Vorwiegend stammen diese Lieder aus dem Erzgebirge, der stolzen Heimat des deutschen Silberbergbaues, wovon es heißt:

„Auff Ertzgebürgischen Höhen
die hoch stehen / kan man sehen
die Silberreichen Zechen
mit den Flächen / da sie brechen
viel Ertz daraus man schmeltzt und müntzt
schöne Thaler / Ausbeut-Zahler.“

Aber auch von den sangesfreudigen Harzer Bergleuten wird uns schon im Jahre 1579 berichtet, daß der lustige Herzog Johann von Braunschweig sie vor den verschlossenen Toren Hannovers singen und spielen ließ: „Traut Liebchen, laß mich ein, ich bin so lang gestanden, erfroren möcht ich sein!“ Auch weit in den Südosten hinein hat der deutsche Bergmann sein Wissen, seine Kunst und sein Brauchtum hinausgetragen. Die Bergakademie Loeben ist eine deutsche Gründung, und in der alten Bergmannsstadt Iglau ist uns ein herrliches deutsches Bergmannslied überliefert worden, worin es heißt:

„Wann die Bergleut fahren ein ins Gestein,
muß der Hutmann bei sie sein,
er muß ihnen das Erz erzeigen
wohl hier und dort, an jenem Ort,
mit Schlägel und Eisen.

O du großer Gott und Herr, schaff noch mehr
Laß nur Gold und Silber wachsen,
wohl hier und dort, an jedem Ort,
wohl auch in Sachsen!“

Ganz deutlich zeigen die letzten Zeilen, wie eng die Überlieferung zwischen Iglau und dem sächsischen Bergbau gewesen sein muß. In unseren Tagen ist im Saarkampf die Weise des alten Bergmannsliedes „Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt“ mit dem Text „Deutsch bleibt die Saar“ zum Kampfruf unseres ganzen Volkes geworden. Eine Strophe daraus ist uns schon aus dem Jahre 1531 in den „Bergreifen“ überliefert:

„Der eine bauet Silber, der andere rothes Golt
den schwartz-braunen Mägdelein — den sind sie hold.“

Bis in die jüngste Gegenwart hinein hat der dichterische Genius der Nation sich immer und immer wieder an dem Reiz und der Größe bergmännischer Lebenshaltung und bergmännischen Heldentums im Alltag entzündet. So hat uns Richard Dehmel sein Lied „Wir tragen allein Licht durch die Nacht“ gesungen; wohl keiner aber hat den so oft vergessenen Zusammenhang zwischen dem abendlichen Lichterglanz unserer Städte und der stillen mühevollen Arbeit, die täglich der Bergmann mit schwieliger Hand im Schweiße seines Angesichts unter Tage tut, so packend in Worte zu fassen verstanden, wie Karl Bröger in seinem Lied von den Bergleuten:

„Kohle, schwarze Kohle graben wir,
Höllendunkel decken das Revier.
Hinte hallt der Fäustel hart Gepoch.
Nur das schwache Lämpchen schimmert noch.
Knarrt der Korb uns wieder an den Tag,
Sinken andre ab zu Plag und Schlag.
Doch wir wissen wach: was oben flammt,
Ist ein Glanz, der aus der Tiefe stammt.“

Gerhard Pallmann.