Erzgebirgische Heimatblätter. Beilage der Obererzgebirgischen Zeitung. Nr. 39. – Sonntag, den 22. September 1929. S. 1 – 2.
Eine der interessantesten Sehenswürdigkeiten Schwarzenbergs ist sein Schloß. Unter den geschichtlichen Forschungen über dasselbe nehmen diejenigen des Herrn Oberstudiendirektor Dr. Fröbe einen hervorragenden Platz ein, der über „Schloß und Herrschaft Schwarzenberg bis zum Jahre 1600” Wertvolles für alle Zeiten niedergelegt hat und dadurch Mängel und Lücken der Stadtgeschichte Schwarzenbergs in wertvollster Weise beseitigt bezw. ausfüllte. Im städtischen Geschichtsverein Schwarzenberg hielt nun der Genannte seinerzeit einen außerordentlich fesselnden Vortrag über seine Forschungen. Hierbei ging der Vortragende im Anfange seiner Ausführungen ein auf den Mangel an historischem Sinn der Erzgebirger, wobei er unter anderem auch hinwies auf die geplante Verlegung des amtshauptmannschaftlichen Verwaltungsmittelpunkt von Schwarzenberg nach Aue. Dieser Mangel, der letzten Endes in der Bevölkerungsbewegung unserer Gegend begründet liegt, mag auch die Ursache dafür sein, daß Schwarzenberg keinen Chronisten aufzuweisen hat. Die späteren Darstellungen der älteren Stadtgeschichte enthalten daher vielfach Fabeleien und Vermutungen, die mannigfache Verwirrungen zur Folge hatten. So ist auch die Forschung über Herrschaft und Schloß Schwarzenberg durch zwei Irrtümer verdunkelt. Der eine ist die Verwechselung unseres Schlosses mit dem Schloß Schwarzburg in Thüringen und der Herrschaft Schwarzenberg in Mähren, der andere die Verwechselung der Besitz- und Lehnverhältnisse unserer Herrschaft. Der Vortragende sprach zunächst vom Umfang und den Grenzen der alten Herrschaft. Aus mehreren zeitlich verschiedenen Urkunden geht hervor, daß das Amt Schwarzenberg von Anfang an von der Größe war, wie es in dem Amtslastenverzeichnis von 1550 umrissen ist. Die alten Grenzen verliefen also mit dem Lauf der Pöhla bis zur Mündung in die Mittweida bezw. ins Schwarzwasser, diesem bis zum Zusammenfluß mit der Mulde folgend, mit dem Lauf des Filzbaches bei Schönheide und der großen Niedert bis zur Quelle und von da in großem Bogen zwischen Joachimsthal, Abertham, Bärringen, Hirschenstand auf böhmischer, Gottesgab und Platten auf sächsischer Seite zurück zur Pöhlaquelle. Aus dem Vergleich der Urkunden ergibt sich ferner, daß um 1495 u. a. Erla, Henneberg, Hundshübel, Crandorf und Rittersgrün als Dörfer noch nicht existierten, ebenso ums Jahr 1464 die Dörfer Bermsgrün, Bockau und Grünstädtel noch nicht. Die ältesten Parochien des Amtes sind Schwarzenberg und Aue. Nachher wurden verschiedene Filialen gegründet, die von Schwarzenberg oder Aue aus versorgt worden sind. Um 1550 waren die Filialkirchen wohl sämtliche selbständig. Schwarzenberg jedoch war und blieb der politische und auch der geistige Mittelpunkt des Amtes. Schloß (Burg) und Herrschaft selbst sind ums Jahr 1150 entstanden. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Heinrich von Mödling, der Stiefvater Heimrich des Löwen, der Erbauer der ersten Befestigungsanlage, des Castrums Schwarzenberg. Er ist der erste uns urkundliche bezeugte Besitzer von Burg und Herrschaft. Dann wird die Herrschaft Gegenstand hohenstaufischer Hauspolitik. Friedrich Barbarossa wird Schloßherr, nach ihm sein Sohn, Heinrich VI. In hohenstaufischem Besitz blieb die Herrschaft, bis sie Barbarossas Enkel, Kaiser Friedrich II., im Jahre 1212 an seinem Parteigänger Ottokar von Böhmen verschenkte. Ueber die Besitzer in den folgenden Jahrzehnten, also etwa von 1230 – 1270, liegt noch Dunkel. Ums Jahr 1270 besitzen die Burg vermutlich die von Elsterberg, um 1282 die Vögte von Reuß und Plauen. Während dieser Zeit ist aus der Siedelung neben dem Castrum (Burg) eine Civitas (Stadt) geworden. Der Sohn des Vogtes Heinrich II. von Gera, nennt sich im Jahre 1302 nach seiner Besitzung Heinricus de Swartzborgk. Er ist demnach noch Inhaber der Burg. Von diesen Vögten geht sie über in die Hände ihrer Verwandten, der Herren von Elsterberg auf Lobdaburg. 1346 wird Hermann von Elsterberg als Herr genannt. Dieser verkauft die Herrschaft 1357 an den Burggrafen Otto I. von Leisnig zunächst zur Hälfte, im Jahre 1372 vollständig. Zwischen 1414 und 1425 kommt die Herrschaft in den Besitz der Familie der Tettaus, die in Mähren und im Vogtland ansässig sind und deren Wappen einen Schild in rotem Feld mit weißen Wolfszähnen und einem Helm mit einer Krone und Adlerflügeln aufweist. Es wird uns von dem Bockauer Chronisten berichtet, daß dieses Wappen auf einem alten Bockauer Kirchenfenster dargestellt war. Die vier ersten Tettau’schen Besitzer unserer Herrschaft hießen mit Vornamen Wilhelm, was eine ziemliche Erschwernis in die Forschung dieses Geschichtsabschnittes bringt. Nach der Zerstörung des Schlosses durch die Hussiten im Jahre 1433 ließ es der erste Wilhelm von Tettau wieder aufbauen. Unter der Tettauischen Herrschaft mußte das Schloß ein zweites Mal neu gebaut werden, nachdem es bei dem großen Stadtbrand im Jahr 1495 mit eingeäschert worden war. Unter einem Georg Wilhelm von Tettau, der von 1506 – 1524 Besitzer der Herrschaft war, wurde das Hammerwerk Erla verkauft. Er hinterließ keine männlichen Erben, und so kam die Besitzung an seine Neffen Marquard, Anselm, Albrecht und Christoph von Tettau. Anselm war hier ansässig. Nach seinem Tod übernimmt sein Sohn Georg von Tettau seinen Besitzanteil und verkauft gemeinsam mit seinen Vettern die Herrschaft im Jahre 1533 für 20.000 Gulden an den sächsischen Kurfürsten Johann Georg den Großmütigen. Seitdem sind die Wettiner Besitzer der Herrschaft. In ihren Händen blieb sie bis zum Jahre 183x bezw. 1918. Sie wurde ein durch Schösser verwaltetes Amt und das kurfürstliche Schloß ein Amtsgebäude. Ueber die Baugeschichte des Schlosses waren wir bisher nur wenig unterrichtet. Wir wußten nur, daß es in einer Urkunde vom Jahre 1212 als Castrum (d. i. eine Befestigungsanlage mit Gebäuden) bezeichnet wurde, daß es das älteste Bauwerk unserer Stadt ist, daß die drei noch erhaltenen romanischen Torbogen aus der älteren Zeit stammen und daß das Schloß mehrere Umbauten hat erfahren müssen. In jüngster Zeit nun hat Dr. Fröbe die Bücher und Akten unseres Gerichtsarchives einmal einer Durchsicht unterzogen. Wenn auch keine große Hoffnung bestand, älteres Schrifttum etwa aus dem 14. und 15. Jahrhundert aufzufinden, denn dieses ist in den beiden Notjahren 1433 und 1495 von den Flammen vernichtet worden, so war unserm verdienten Stadtgeschichtsforscher Dr. Fröbe auch diesmal das Glück hold. Er fand ein am 30. Juli 1613 aufgestelltes Inventarium des Schlosses, das uns die Kenntnis sämtlicher Baulichkeiten des Schlosses, ihre Lage und damit die ganze Burganlage nach dem Umbau vom Jahre 1555 vermittelt. Das Inventarium ist lückenlos und nennt selbst die kleinsten und belanglosesten Gegenstände (Zahl und Art der Türbeschläge usw.). Dr. Fröbe rekonstruierte nun die Schloßanlage, die damals aus drei Teilen bestand, nämlich aus einem Vorderhof, einem Uebergang (Brücke) und einem Innenhof. Der Vorderhof reichte bis zur heutigen Pfarre und war nach Westen hin von einer zweitorigen Mauer begrenzt. Im Vorderhof wurden folgende Baulichkeiten festgestellt: ein übermauertes Tor, ein Amtshaus (wo heute die Kirche steht), mehrere Pferdeställe, ein Badestübchen, ein Sommerhaus, eine Ritterküche und ein sogenanntes Kalkhaus. Den Uebergang zum Innenhof vermittelte eine gewölbte Steinbrücke. Im Innenhof befand sich der Turm, ein Gewölbehaus mit kurfürstlicher Küche und Kellerei und das massiv in Stein gebaute, besonders reich ausgestattete Haus des Kurfürsten, sicherlich der alte Palas der Burg, das mit Schiefer bedacht war.
(H. Henschel.)