Nach den neueren Ansichten der Geologen gehört das Erzgebirge einem Gebirgssysteme an, welches durch seitlichen Druck in ausgedehnten geologischen Zeiträumen entstanden ist. Durch diesen Druck wurden drei mit einander parallele Gebirgsfalten gebildet, von denen die südlichste das Erzgebirge, die nördlichste und unbedeutendste die Erhebung der Liebschützer Berge bei Strehla an der Elbe, die mittelste aber das sich ungefähr zwischen Penig-Hohenstein einerseits und Roßwein-Döbeln andererseits wie das Erzgebirge von SW nach NO erstreckende sächsische Mittel- oder Granulitgebirge ist. Die Gebirgsfalte zwischen diesem Granulit- und dem Erzgebirge wird das erzgebirgische Becken genannt. — Es liegt nun wohl unsern Vereinsbestrebungen nicht zu fern, wenn ich die Leser dieses Blattes auch auf die bereits bearbeiteten geologischen Karten des erzgebirgischen Beckens aufmerksam mache, welche wie alle übrigen Sektionskarten mit den dazu gehörigen Erläuterungen um den Preis von 3 Mk. auch einzeln zu beziehen sind. Erschienen sind:
- Sektion Chemnitz von Th. Siegert und J. Lehmann, in zwei Blättern, von denen das eine Blatt eine sogenannte „abgedeckte” Karte enthält, auf welcher der Untergrund nach Weglassung der jüngern und jüngsten Bildungen (des Diluviums und Alluviums) dargestellt wird;
- Sektion Stollberg-Lugau von Th. Siegert (der paläontologische Teil von J. Sterzel);
- Sektion Lichtenstein und
- Sektion Zwickau, beide von dem leider verstorbenen Sektionsgeologen und früheren Lehrer an der Zwickauer Bergschule, H. Mietzsch.
Außerdem erschienen noch 2 Tafeln mit Profilen durch die Kohlenformation von Lugau-Oelsnitz von Th. Siegert, und eine Tafel mit Profilen durch das Kohlenfeld von Zwickau, bearbeitet von H. Mietzsch.
Dem erzgebirgischen Becken gehören weiter noch Teile der Sektionen Hohenstein, Glauchau, Burkhardtsdorf und Lößnitz an.
Ausgefüllt wird das erzgebirgische Becken durch die Kohlenformation und das Rotliegende; letzterem schließen sich an der südwestlichen Ausmündung des Beckens Glieder des oberen Zechsteins und des unteren Buntsandsteins an. Das Rotliegende, die Decke der Kohlenformation, mit zum Teil sehr mächtigen Ergüssen von Porphyren und Melaphyren, wurde in eine untere, mittlere und obere Hauptabteilung gegliedert. Von Interesse aber ist besonders die Steinkohlenformation, deren Lagerungsverhältnisse durch die veröffentlichten Profile klar gelegt werden.
Ich kann mir nicht versagen, wenigstens einiges aus den Erläuterungen zu den Sektionskarten von Chemnitz, Stollberg-Lugau und Zwickau hier mitzuteilen.
An dem Aufbaue des auf Sektion Chemnitz dargestellten Areals beteiligen sich
- die Formationen der Beckenränder, nämlich im NW die Granulit-, Glimmerschiefer- und Phyllitformation des Mittelgebirges, ferner die Gneißformation von Braunsdorf und das Silur von Rottluff, im SO dagegen die Phyllitformation des Erzgebirges;
- die Formationen des erzgebirgischen Beckens, welche in die untere Steinkohlenformation von Ebersdorf, die obere von Flöha und das Rotliegende zerfallen, und
- in die Decke von jüngerem und jüngsten Schwemmland.
An dem Aufbaue der Sektion Zwickau beteiligen sich außer dem Schwemmlande, zu welchem wie auf Sektion Chemnitz als ältestes Glied neben dem Diluvium und Alluvium auch das den Gliedern der norddeutschen Braunkohlenformation zuzuzählende Unter-Oligocän mit den sogenannte Knollensteine (Braunkohlenquarzite) führenden Kiesen und Sanden gehört, die Steinkohlenformation und die aus Rotliegendem und Zechstein bestehende Dyas. Der Zechstein, dessen Hauptverbreitung auf die Sektion Meerane fällt, ist bei Langen-Reinsdorf durch Steinbrüche aufgeschlossen und wird zum Kalkbrennen benutzt. Die Steinkohlenformation tritt auf der Sektion nirgends zu Tage, doch ist sie unter der nirgends weniger als 100 m mächtigen Decke des Rotliegenden durch den ausgedehnten Bergbau aufgeschlossen worden. Die Mächtigkeit des kohlenführenden Schichtensystems dürfte an keinem Orte mehr als 400 m betragen.
Das auf der Sektion Stollberg liegende Steinkohlenrevier von Lugau-Ölsnitz hat seit ungefähr 50 Jahren, als hier das Vorhandensein von Kohlen nachgewiesen wurde, eine vollständige Umwandlung der Industrie in dortiger Gegend hervorgerufen, denn an die Stelle der Landwirtschaft und Weberei, welche einst daselbst herrschten, ist seit dieser Zeit der Bergbau als umgestaltende Erwerbsquelle eines großen Teils der Bewohner getreten. Die Mächtigkeit der Kohlenflötze schwankt zwischen 0,5 und 6,0 m. Es scheint jedoch die Mächtigkeit dieser Flötze zu wachsen, wenn sich an einzelnen Stellen 2 und 3, ja selbst 4 Flötze zu einem einzigen, 14 und mehr Meter mächtigen Kohlenflötze vereinigen. Der Kohlenabbau wird einerseits durch Verwerfungen, andererseits durch die große Tiefe der Schächte erschwert. Es giebt Schächte von 600 bis 800 m Tiefe; ein tieferer Schacht, der Frisch-Glückschacht bei Ölsnitz, welcher sogar eine Tiefe von 931 m erreicht hatte, ist wieder verlassen worden. Die Steinkohlenformation ist auch auf dieser Sektion bis auf einen kleinen Teil von dem Rotliegenden bedeckt. Doch zeigt die Karte durch eingezeichnete kleine farbige Quadrate, an welchen Stellen man durch das Rotliegende hindurch die Steinkohlenformation, und ebenso, an welchen man das unter dieser liegende Grundgebirge erreichte.
Diese kurzen Mitteilungen können selbstverständlich nur annähernd die Fülle des Materials andeuten, welches uns durch die neuen geologischen Karten des erzgebirgischen Beckens nebst den zugehörigen Erläuterungen für einen geringen Preis geboten wird. Vaterlandsfreunde werden nicht unterlassen, sich in den Besitz der sie vorzugsweise interessierenden Sektionen zu setzen.
Dr. Köhler.
Quelle: Glückauf! Organ des Erzgebirgsvereins. 2. Jahrgang. No. 4 v. 15. April 1882, S. 33 – 34.